Zu Beginn und über weite Strecken könnte man "Konklave" für einen sehr konventionellen Film über die Machtverhältnisse im Vatikan halten. Der Papst stirbt relativ überraschend, die Kardinäle aus aller Welt reisen nach Rom, das Konklave beginnt. Hinter verschlossenen Türen ringen Konservative und Progressive um die Vorherrschaft. Intrigen, Doppelspiel, strategische Allianzen - das kennen wir aus anderen Filmen.
So weit, so vorhersehbar. Doch "Konklave" ist kein gewöhnliches Vatikandrama. Denn am Ende steht eine Frage, die alles infrage stellt, was wir über die katholische Kirche zu wissen glauben.
Rituale, Intrigen und eine explosive Situation
Der Film hält uns lange in der vermeintlichen Sicherheit des Bekannten: Kardinal Lawrence (brillant gespielt von Ralph Fiennes) leitet die ritualisierte Prozedur, während sich unter den Kardinälen die üblichen Fraktionen bilden. Da sind der liberale Bellini, der erzkonservative Adeyemi, der machthungrige Tremblay und der traditionalistische Hardliner Tedesco.
Während draußen die Welt auf weißen Rauch wartet, entspinnt sich drinnen ein Intrigenspiel. Lawrence entdeckt Hinweise, dass der verstorbene Papst kurz vor seinem Tod brisante Entscheidungen getroffen hat, deren Tragweite sich erst später zeigt. Alles verläuft in vorhersehbaren Bahnen – bis plötzlich die Realität das Konklave einholt.
Terror, Chaos und ein überraschender Kandidat
Mitten im fünften Wahlgang erschüttern Terroranschläge Rom. Der Konservative Tedesco nutzt die Situation skrupellos aus: Er macht Islamisten verantwortlich und ruft zum Heiligen Krieg gegen den Islam auf. Ein Moment, in dem man glaubt, das Konklave folgt der altbekannten Logik: Die Hardliner setzen sich durch. Doch es kommt anders.
Es ist Kardinal Benitez, der den entscheidenden Moment nutzt. Sein Amtssitz ist Kabul, er hat in Kriegsgebieten wie dem Kongo und dem Irak gearbeitet. In einer eindringlichen Gegenrede entlarvt er Tedescos Kriegsrhetorik als brandgefährlich. Seine einfache, aber eindringliche Botschaft: Gewalt darf nicht mit Gewalt beantwortet werden.
Die Kardinäle wählen Benitez zum neuen Papst, dieser nimmt den Papstnamen Innozenz an. Ein Außenseiter setzt sich durch – eine vertraute Erzählung. Doch wer glaubt, der Film ende mit einer versöhnlichen christlichen Botschaft, der irrt gewaltig.
Die letzte Enthüllung – und ihr Sprengstoff für die Kirche
Lange hat sich "Konklave" an die Konventionen des Genres gehalten. Doch nun, in den letzten Minuten, stellt der Film alles auf den Kopf.
Denn Lawrence findet nach der Wahl heraus: Kardinal Benitez hatte eine medizinische Behandlung geplant. Bei einer Blinddarmoperation hatte er erfahren, dass er Eierstöcke und eine Gebärmutter hat. Auch wenn er äußerlich als Mann gelesen wird, passt der Kardinal körperlich in keine binäre Geschlechterkategorie. Benitez wollte sich die weiblich konnotierten Organe zunächst entfernen lassen – entschied sich dann aber, so zu bleiben, wie Gott ihn geschaffen hat.
Fazit: Ein radikaler Film, der sich tarnt
"Konklave" beginnt wie ein klassischer Vatikan-Thriller und führt den Zuschauer bewusst in die Irre. Zunächst scheint alles seinen gewohnten Gang zu gehen: Intrigen, ideologische Grabenkämpfe, das übliche Intrigenspiel hinter verschlossenen Türen. Doch am Ende sprengt der Film diese Konventionalität radikal.
Die Wahl Benitez' ist nicht nur der Triumph des Außenseiters, sondern eine tektonische Verschiebung der gesamten katholischen Ordnung. Denn dieser neue Papst entzieht sich jeder klassischen Kategorisierung – nicht nur theologisch oder politisch, sondern in seiner bloßen Existenz. "Konklave" stellt damit eine der radikalsten Fragen, der sich die katholische Kirche je stellen musste: Was passiert, wenn Gott eine Entscheidung trifft, mit der niemand gerechnet hat?
Kommentare
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„Was passiert, wenn Gott…
„Was passiert, wenn Gott eine Entscheidung trifft, mit der niemand gerechnet hat?“
Sorry, das war keine Entscheidung Gottes. Das war eine Entscheidung des Autors Robert Harris.
Gott trifft Entscheidungen nicht nach dem Zeitgeist. Autoren schon. Das hebt die Auflage.
Sorry, aber…
Sorry, aber Intergeschlechtlichkeit hat sich nicht der Autor ausgedacht und es ist auch kein Phänomen eines angeblichen Zeitgeists. Hier finden Sie mehr Informationen.
Hm, der übliche Kram aus…
Hm, der übliche Kram aus Anglosaxonia. Der böse ist natürlich wie immer bei britischen Autoren der Deutsche (Tedesco) und ansonsten etwas Wokness, Queerness und Antikatholizismus - gut für die Dramatik, aber auch irgendwie ziemlich vorhersehbar. Hauptsache nicht mit den eigenen Abgründen befassen, es könnte ja die Leut' verunsichern. Angesichts der Lage der Welt ist die Oscarsause eine ziemliche kulturelle und geistige Bankrotterklärung. Nächstes Jahr gibt es wieder eine Chance.