Benin ist ein westafrikanisches Land, das einen irreführenden Namen trägt: Das historische Benin lag ganz wo anders. Nämlich dort, wohin die Bundesrepublik bald die Berliner Benin-Bronzen zurückgeben wird – im heutigen Nigeria. Doch auch das einstige Dahomey, das heute Benin heißt, zeigt derzeit stolz die Schätze, die die einstige Kolonialmacht Frankreich gerade restituiert hat. Wer in die sehenswerte Schau eintaucht, stößt auf einen historischen Krimi. Seine Zutaten sind: Sklaverei, Kolonialgeschichte und die Voodoo-Religion.
Sklaverei, Rassismus, Kolonialismus sind Sünden, bei denen der Täterfluch in der Gegenwart vor allem die Länder des Westens zu betreffen scheint. Doch wer Benin und dort in Cotonou die Ausstellung der restituierten Dahomey-Schätze besucht, lernt, dass die Sache etwas komplexer ist.
Es fängt an mit jenem französischen General, der Ende des 19. Jahrhunderts das mächtige, von seinen Nachbarn gefürchtete westafrikanische Königreich Dahomey besiegte, dessen Schätze – kunstvolle Palasttüren und andere Schnitzwerke, Metallobjekte und Herrscherstatuen mit religiöser Bedeutung – raubte und nach Paris bringen ließ: Alfred Amédée Dodds (1842-1922).
Afrikaner gegen Afrikaner
In einem erbittert geführten und blutigen Kolonialkrieg eroberte Dodds zwischen 1892 und 1894 Abomey, die Hauptstadt von Dahomey. Dodds war Franzose, doch sein wenig französischer Nachname weist die Spur: Er war kein weißer Europäer, sondern gewissermaßen selbst ein Produkt der frühen Globalisierung. Teils afrikanischer Herkunft, wurde er in Saint-Louis im heutigen Senegal geboren. Er machte in der französischen Armee Karriere und kämpfte als Offizier unter anderem im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 gegen die Preußen. Sein Großvater väterlicherseits war ein britischer Offizier namens John Dodds, Adjutant des letzten englischen Gouverneurs von Saint-Louis. Verheiratet war dieser mit einer Frau französisch-afrikanischer Herkunft. Dodds’ Vater, ein Händler und Posthalter, galt daher als "Quarteron": So wurden Menschen mit einem Viertel afrikanischer Herkunft genannt. Seine Mutter Charlotte de la Chapelle war eine "Signare", also ebenfalls gemischter afrikanischer Herkunft. Als Signaren (von portugiesisch "senhoras") wurden dunkelhäutige, frei geborene Frauen bezeichnet. Viele von ihnen waren wohlhabend und einflussreich, nicht wenige hatten beim Sklavenhandel selbst ihre Hände im Spiel.
Mehrere von Dodds aus den Königsresidenzen geplünderte Throne, prachtvolle Holzschnitzereien, sind in der Ausstellung zu sehen. Eines der Exponate ist der Thron von Cana. Der Ort hat nichts mit dem biblischen Kana zu tun, sondern war eine der heiligen Stätten des Königreichs, rund 20 Kilometer von der Hauptstadt Abomey entfernt. Der Sockel des Throns zeigt den König unter einem Baldachin, geschützt von seiner rein weiblichen Leibgarde, den "Löwinnen" oder Amazonen, gefürchteten Kriegerinnen. Ganz unten sind – im Joch um Hals und Hände gefesselt – diejenigen zu sehen, auf denen die Macht des Königs ruhte: Sklaven. Die Könige von Dahomey unternahmen ausgedehnte Raubzüge gegen ihre Nachbarvölker, um menschliche Beute zu machen. Sklaven standen für Macht und Reichtum. Richtig in Schwung gebracht wurde das innerafrikanische System des Sklavenhandels allerdings erst von außen.
Die arabische Geschichte des Rassismus
Vor dem Hintergrund des europäischen Sklavenhandels über den Atlantik hinweg bis hin zur US-Bewegung "Black Lives Matter" ist etwas aus dem Blick geraten, dass der Sklavenhandel ältere und der Hautfarbenrassismus arabische Wurzeln hat. Nicht allein deswegen, weil das Wort "Rasse" aus dem Arabischen stammt. Wie seine europäischen Kollegen "razza" (ital.), "raza" (span.) oder "race" (engl./frz.) ist es vom arabischen Wort "ras" für "Haupt" oder "Kopf" abgeleitet.
Wie kam es zum Import des "Rasse"-Begriffs? Die alten Griechen erklärten sich die Unterschiede in den Hautfarben der Menschen mit dem Klima. Für sie war die mittlere, "rote" Hautfarbe die Norm, weil sie einem mittleren, gemäßigten Klima zwischen Hitze und Kälte zu verdanken sei. Kelten und Germanen seien so blass und "weiß" geworden, weil es im Norden Europas so kalt sei. Umgekehrt habe das heiße Klima ihrer Länder Ägypter und Mauretanier "braun" gemacht, Sudanesen und Afrikaner sogar "schwarz". Eine grundsätzliche Ungleichheit, eine Hierarchie in dem, was ein Mensch wert sei, war damit aber nicht verbunden.
Einen bewertenden Hautfarben-Rassismus führten auf der Basis der antiken Klimatheorie dann im 10. und 11. Jahrhundert islamische Gelehrte ein. Für sie waren alle Menschen, die vom mittleren Hautfarben-Ideal abwichen, minderwertig – weiße ebenso wie schwarze.
Ein namentlich nicht bekannter Autor aus dem Irak schrieb um 902 n. Chr., in der kalten Klimazone erleide der Fötus schon im Mutterleib schwere Schäden und werde daher zu einem mangelhaften Menschen; in der heißen Klimazone hingegen würden die Kinder im Mutterleib zu lange "gekocht", "sodass das Kind zwischen schwarz und dunkel gerät, zwischen übel riechend und stinkend, kraushaarig, mit unebenmäßigen Gliedern, mangelhaftem Verstand und verkommenen Leidenschaften ...". Eine persische geografische Abhandlung (982 n. Chr.) behauptet:
"Was die Länder des Südens angeht, so sind alle ihre Einwohner schwarz (...) Es sind Leute, die dem Maßstab des Menschseins nicht genügen."
Und der Geograf Makdisi (10. Jahrhundert) bemerkte über Schwarzafrikaner südlich Äthiopiens: "Was die Zanj angeht, so sind es Menschen von schwarzer Farbe, flachen Nasen (...) und geringer Intelligenz." Selbst der große Mediziner und Universalgelehrte Avicenna (Ibn Sina, 980-1036) war überzeugt, Weiße und Schwarze seien wegen ihrer klimatischen Herkunft "Sklaven von Natur".
Auf der Grundlage solcher Theorien machten arabische Sklavenjäger Jagd auf schwarze Afrikaner – schon Jahrhunderte bevor die ersten europäischen Schiffe an den Küsten Schwarzafrikas landeten, vor allem in Ostafrika, aber auch bis hinunter nach Westafrika.
In Europa verband sich die griechisch-arabische Lehre vom Aussehen der Köpfe (und ihren Hautfarben) mit der jüdisch-christlichen Überlieferung vom Fluch, der auf dem Noah-Sohn Ham und seinen Nachkommen liege (1. Mose 9, 18-28). Noah, der Ackermann, pflanzt als erster Mensch einen Weinberg an, trinkt zu viel Wein und schläft im Rausch nackt ein. Ham sieht "seines Vaters Blöße", seine Brüder Sem und Jafet nähern sich rückwärtsgehend und bedecken ihren Vater. Als Noah aufwacht, segnet er Sem und Jafet – und verflucht Ham, den Vater Kanaans: "Gelobt sei Jahre, der Gott Sems, und Kanaaan sei sein Knecht! Gott schaffe Jafet weiten Raum und lasse ihn wohnen in den Zelten Sems, und Kanaan sei sein Knecht!"
Über Hams Hautfarbe sagt die Bibel an sich nichts; doch in der dann folgenden Völkertafel wird angedeutet, in welche Weltgegenden die Geschlechter der Noah-Söhne jeweils zogen: Die Söhne Jafets (unter ihnen der Enkel Aschkenas, den die Rabbinen seit dem frühen Mittelalter mit Deutschland identifizierten) nach Europa, die Söhne Hams nach Ägypten und Afrika.
Mit der biblischen Bemerkung "... und Kanaan sei sein Knecht" wurde zunächst ganz allgemein die Tatsache von Leibeigenschaft und Sklaverei begründet. Unter dem Einfluss des arabischen Rassismus wurde der Ham-Fluch dann auf Menschen mit schwarzer Hautfarbe projiziert.
Ouidah – Sklavenhandel und Voodoo
Ouidah – keine 50 Kilometer entfernt von der Restitutionsausstellung in Benins Wirtschaftsmetropole Cotonou – war ein Zentrum des Sklavenhandels. Die Portugiesen hatten hier ein Handelsfort errichtet; die Könige von Dahomey wickelten über Ouidah den Verkauf ihrer Sklaven nach Übersee ab. Bis heute heißt Ouidahs Strand "Porte de Non Retour": Tor ohne Wiederkehr.
Mit den Sklaven gelangte auch deren westafrikanische Religion nach Haiti und Brasilien: "Voodoo". Doch mit dem Zombie-Voodoo, wie ihn sich die westliche Popkultur und Filmindustrie vorstellt, hat die westafrikanische Volksreligion Vodun wenig zu tun. Fast ein Fünftel der Menschen in Benin bekennt sich zum Vodun. Knapp die Hälfte der Beniner sind Christen, aber auch von ihnen haben viele kein Problem damit, die Welt der katholischen Heiligen mit dem Glauben an eine von göttlichen Wesenheiten bestimmte Welt zusammenzubringen. In Ouidah stehen der berühmte Python-Tempel und die neugotische katholische Basilika von der unbefleckten Empfängnis einander gegenüber am selben Platz.
Das Pantheon des Vodun ist unüberschaubar. Besonders wichtig ist "Papa Legba", der Gott der Wegkreuzungen, eine Art Petrus des Vodun, der für die Verbindung zwischen Geister- und Menschenwelt zuständig ist. Dann ist da "Mami Wata", die Göttin des Meeres und des Wassers. Die "Zangbeto" sind eine Art nächtliche Dorfpolizei, deren Eingeweihte aufpassen, dass nichts gestohlen wird. Der 10. Januar ist seit einigen Jahren offizieller Vodun-Feiertag in Benin. An der Küste opfern die Gläubigen dann Mami Wata Limonade, die sie in den Strand träufeln. Ekstatische Tänzer, Kletter-Artisten und verblüffende Zaubertricks: Vieles an Vodun-Ritualen erinnert an den Zirkus. Doch anders als bei den europäischen Zirkus-Magiern liegt den Vodun-Scharlatanen daran, dass die Menschen an die Wirklichkeit ihrer übernatürlichen Kräfte glauben.
Werner Herzogs "Cobra Verde"
Viele Amerikaner, deren Vorfahren einst in Ketten geschmiedet per Sklavenschiff in die Neue Welt verfrachtet wurden, zieht es nach Ouidah. In unmittelbarer Nachbarschaft zum Mahnmal am Strand bauen die Chinesen gerade ein gigantisches Luxushotel, und man mag sich fragen, wie man an diesem Ort unbeschwerten Urlaub unter Palmen machen soll.
Der Baum, unter dem vor 200 Jahren in Ouidah Sklavenmarkt gehalten wurde, steht noch. Der Platz mit dem Baumriesen, auf dem die zum Verkauf bestimmten Männer und Frauen mit Brandzeichen markiert wurden, heißt Place Chacha. Das größte Haus am Platz ist bis heute der Stammsitz der Familie De Souza.
"Sie nannten sich ›Brasilianer‹, obwohl sie ihr Portugiesisch vergessen hatten. Leute, die kaum schwärzer waren als sie, nannten sie ›Schwarze‹. Sie nannten Dahomey ›Dahomey‹, lange nachdem das Staatsoberhaupt es in Benin umbenannt hatte." So hat in seinem Roman "Der Vizekönig von Ouidah" der britische Schriftsteller Bruce Chatwin (1940-1989) der komplexen Geschichte des westafrikanisch-brasilianischen Sklavenhandels und der heute beninischen Familie De Souza ein literarisches Denkmal gesetzt. Der brasilianische Sklavenhändler Francisco Félix de Souza (1754-1849), wie Dodds ebenfalls gemischter Herkunft, heißt bei Chatwin "Dom Francisco da Silva". Über den Günstling des Königs von Abomey schreibt Chatwin: "Bei seinem Tod ließ er 63 Mulattensöhne und eine unbekannte Zahl vom Töchtern zurück, deren immer dunkelhäutigere Nachkommenschaft, jetzt zahllos wie Grashüpfer, von Luanda bis zum Quartier Latin in Paris verstreut war." Abgesehen von der genauen Zahl der Söhne stimmt das: De Souza ist heute ein sehr häufiger Name in Ouidah und in Benin – aber auch in dessen Nachbarstaaten Togo und Nigeria oder in Ghana. Ein Paul-Emile de Souza war 1969/70 kurzzeitig Staatsoberhaupt von Dahomey, die Ehefrau des letzten Präsidenten vor dem heutigen Amtsinhaber Patrice Talon, Chantal de Souza Boni Yayi, stammt ebenfalls aus dieser Familie.
Der deutsche Filmregisseur Werner Herzog war mit Bruce Chatwin gut befreundet. Er hat dessen Roman 1987 verfilmt – mit einem wie immer irren Klaus Kinski (1926-1991) in der Hauptrolle als von De Souza inspirierter "Cobra Verde". Wegen Kinskis notorischer Wutausbrüche sprang mitten in den Dreharbeiten der Kameramann ab. Während der Dreharbeiten kam es zum endgültigen Bruch zwischen Herzog und seinem exzentrischen Star: Die beiden arbeiteten danach nie wieder zusammen. Auch beim Publikum fiel "Cobra Verde" durch – nicht nur, weil der Film politisch unkorrekt, aber historisch richtig zeigt, wie schwarzafrikanische Herrscher schwarze Sklaven an Weiße verkauften. Kritiker Hellmuth Karasek schmähte den Film als "ein schmutziges Stück Männerfantasie, ein klappriges Herrenmenschentum, geritten auf der Mähre Kinski".
Doch viele Motive in "Cobra Verde" haben historische Grundlagen: den grausamen König Adandozan zum Beispiel, dem nachgesagt wird, er habe zu seiner Belustigung Sklaven lebend den Hyänen zum Fraß vorgeworfen und die Mutter seines Halbbruders Ghézo nach Brasilien in die Sklaverei verkauft. Auch dass er den Sklavenhändler De Souza nach Abomey verschleppte und folterte – und dass dieser dann Ghézo (der sich verrückt gestellt und dadurch überlebt hatte) dabei half, den Thron zu besteigen, hat sich wohl so zugetragen. Der Thron eben dieses Ghézo gehört zu den nun restituierten Stücken, die in der Ausstellung in Cotonou zu sehen sind.
Die in Afrika spielenden Szenen von "Cobra Verde" wurden nicht in Benin, sondern in Ghana gedreht. Die Originalschauplätze lagen seit 1975 in einer realsozialistischen Volksrepublik: Damals legte Dahomey auch seinen geschichtlich belasteten Namen ab und benannte sich in Benin um. Die Königsresidenz Abomey, seit 1985 zum Weltkulturerbe ernannt, ließ Herzog aufwendig aus Lehm und Gips nachbauen.
Der Prinzregent bei den Amazonen
Nur die Sache mit dem barbusigen Amazonen-Heer, das dem Kinski-Cobra-Verde bei seinem Eroberungszug hilft, hat Werner Herzog etwas verzerrt dargestellt. Schwüle Fantasien haben die Amazonen von Dahomey in Europa aber von Anfang an ausgelöst. Die Könige hatten zwar einen Harem, doch mit diesem hatte die weibliche Elitetruppe nichts zu tun. Die "Löwinnen" kämpften tapfer und erbarmungslos. Gegner, die ihnen in die Hände fielen, enthaupteten die Kriegerinnen und spießten die Köpfe auf, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Sie waren mindestens im aktiven Dienst zur Keuschheit verpflichtet. Dass es sich bei den "Mino" ("unsere Mütter" in der Sprache Fon) häufig um Töchter von Sklavinnen handelte, sei aber richtig, bestätigt der beninische Professor und Linguist Albert Bienvenu Akoha: "Wenn zwei Sklaven auf dem Gebiet von Dahomey ein Kind zur Welt brachten, wurde es automatisch als frei angesehen, als ein ›Kind des Königs‹. Es gehörte nicht mehr seinen Eltern. So kam es, dass viele dieser Mädchen für die Amazonen rekrutiert wurden."
Als das afrikanische Königreich im Kampf gegen die Franzosen unterging, lotste der Hamburger Tierparkbesitzer Carl Hagenbeck "Amazonen" aus Dahomey zu Völkerschauen nach Deutschland. Auf dem Münchner Südfriedhof wurde 1892 die Amazone Cula begraben. Die 17-jährige Afrikanerin war an einer Lungenentzündung gestorben. Das raue deutsche Klima habe dieses "Kind des ewigen Sonnenscheins" zerstört, hieß es damals in den Münchner Neuesten Nachrichten. "Die Amazonen von Dahomey, 40 Personen, aus dem Lande der Menschenopfer und Sklaverei", lautete die Zeitungswerbung für die Schau – ein echter Kassenschlager, zu dem Tausende Münchner strömten. Auch Bayerns Prinzregent Luitpold ließ sich die Amazonen-Show nicht entgehen.
Der letzte unabhängige König von Dahomey, den General Alfred Dodds zu dieser Zeit bekämpfte und schließlich stürzte, war Behanzin (1844-1906). Den Rest seines Lebens verbrachte er im Exil – zunächst auf Martinique, später in Algerien. Seine Hoffnung auf eine Rückkehr auf den Thron oder nach Dahomey gab Behanzin nie auf. Als er 1906 starb, wurde sein Leichnam durch die Wüste die Sahelzone nach Westafrika überführt und in Abomey beigesetzt.
Der Präsident verspricht neue Museen
Die 26 nun restituierten Objekte sind angesichts Hunderttausender geraubter Objekte aus Schwarzafrika in den Museen des globalen Nordens ein Tropfen auf den heißen Stein. Viele der damals aus Abomey nach Paris gebrachten Objekte hatten eine religiöse Bedeutung: Sie waren mit Familien-Schutzgottheiten und anderen Fetischkräften verbunden. Durch die Entführung nach Frankreich wurde gewissermaßen auch ihre Macht gebrochen. Wenn sie nun nach Afrika zurückgekehrt sind, hat das eine Bedeutung, die für viele Beniner weit über ihren Wert als Kunstschätze hinausgeht.
Das erklärt auch den enormen Besucherzuspruch im Palais de la Marina in Cotonou. Der Eintritt ist kostenlos, aber wer die Schau sehen will, wird scharf kontrolliert. Denn das Kunst-Palais steht auf dem Gelände eines anderen Palasts: dem Amtssitz des Präsidenten von Benin.
Präsident Patrice Talon, der die Rückgabe der Dahomey-Schätze mit Frankreichs Präsident Macron vereinbarte, ist ein reicher Geschäftsmann, der unter anderem den Baumwollhandel des Landes kontrolliert. Benin, das zuvor als afrikanische Musterdemokratie galt, hat er mit Repressionen und Zensurmaßnahmen in eine Scheindemokratie ohne Opposition verwandelt. Wer aufbegehrt, verschwindet mit hohen Haftstrafen im Gefängnis. Im April 2021 wurde er trotzdem mit einer satten Mehrheit wiedergewählt. Allerdings bei einer geschätzten Wahlbeteiligung von 20 Prozent. Die Beniner protestierten, indem sie den Urnen fernblieben. Die Verfassung des Lands begrenzt die Präsidentschaft auf eine Wiederwahl. Viele im Land fürchten nun, als Nächstes könnte der Präsident nach dem Vorbild anderer Autokraten die Verfassung so ändern, dass er an der Macht bleiben kann.
Der heutige "König von Benin" hat die Schätze seines Landes gerade also in unmittelbarer Nähe – so wie einst die Könige von Dahomey. Patrice Talons Vermögen wird auf eine halbe Milliarde Dollar geschätzt. Das Land führe er wie ein Privatunternehmen, sagen viele Beniner. Sie halten ihm zugute, dass er viele Infrastrukturprojekte angeschoben hat. Überall im Land werden neue Straßen gebaut, vor allem im Wirtschaftszentrum Cotonou reiht sich Baustelle an Baustelle. Drei große neue Museen kündigte Talon anlässlich der Rückkehr der Dahomey-Schätze an, darunter ein Museum zur Geschichte der Sklaverei in Ouidah und ein Vodun-Museum in Porto Novo.
Herzstück soll aber das neue Museum der Könige von Dahomey in der Welterbestadt Abomey werden. In ihm werden die restituierten Schätze künftig zu sehen sein. Und: Das Museum ist nicht nur den Königen von Dahomey gewidmet, sondern soll auch die Geschichte der afrikanischen Amazonen angemessen darstellen.
Diese Geschichte schafft es im September 2022 mit der Hollywood-Produktion "The Woman King" nun sogar weltweit in die Kinos. Die Amazonen-Hauptrolle spielt Viola Davis ("Eat Pray Love"; Oscar 2017 als beste Nebendarstellerin in "Fences"). "Gemeinsam kämpfen die hochgradig organisierten und furchtlosen Frauen gegen die Versklavung der Menschen im Königreich Dahomey durch die Franzosen", werben die Macher des Films. Das verspricht – angesichts der tatsächlichen historischen Hintergründe – leider dann doch wieder eine arg verzerrte Perspektive.
Internet: www.expoartbenin.bj (frz.)
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