Als der Schriftsteller Ludwig Thoma am 26. August 1921 starb, war er erst 54 Jahre alt. Trotzdem hinterließ Thoma ein umfangreiches Werk und wurde zu eine*r der populärsten bayerischen Literat*innen.
In dem Kabarett-Stück "Ein Münchner im Himmel" schuf er mit dem grantigen Dienstmann Alois Hingerl sogar eine bayerische Paradefigur.
Thoma ist für seine treffsichere Satire bekannt
Thoma war jedoch nicht nur ein bayerischer Vorzeige-Literat, sondern auch ein treffsicherer Satiriker. Er war Chefredakteur der Satirezeitschrift "Simplicissimus", spießte die Peinlichkeiten der Reichs- und Landespolitik auf.
Dabei blieb er jedoch ein konservativer Satiriker, der mit der von ihm angegriffenen wilhelminischen Gesellschaft enger verbunden war, als er sich selbst eingestanden hatte.
Autor wandelte sich zum antidemokratischen Nationalisten
Doch der Erste Weltkrieg brachte eine gravierende Zäsur, denn Ludwig Thoma wandelte sich vom obrigkeitskritischen Spötter zum antidemokratischen Nationalisten, der Hetzschriften gegen Jüdinnen und Juden verfasste.
"Es waren vor allem seine Sehnsucht nach Autorität und nationaler Größe, seine Feindseligkeiten gegenüber Frauen, Sozialdemokraten und Juden, die zu einer differenzierten Beurteilung des Autors Anlass geben", erläutert die Heidelberger Literaturprofessorin und Thoma-Biografin Gertrud Rösch.
Theaterstücke wurden in München, Wien und Berlin aufgeführt
Als Romanschreiber und Dramatiker bewahrte er hingegen die Erinnerung an die ländliche Welt Bayerns. Während Thomas Stücke auf den Bühnen in München, Wien und Berlin aufgeführt wurden, kaufte er in Tegernsee eine stattliche Landvilla, für die er mehrere Dienstbot*innen anstellte.
Seine Lausbubengeschichten (1904) wirken bis heute vor allem wegen ihrer Sprache. Die zwölf Episoden zeigen die Doppelmoral der Erwachsenenwelt aus der Perspektive eines Heranwachsenden. Den Leser*innen verschaffen sie die Genugtuung, dass sich der sozial deklassierte Bub gegen eine anmaßende Obrigkeit behauptete.
Thoma übte Kritik an der Kirche
Mit Empathie schreibt Thoma für die kleinen Leute. 1904 greift er in einem Spottgedicht unter dem Pseudonym Peter Schlemihl die Kirche an und muss wegen "Vergehen wider die Religion" 1906 für sechs Wochen ins Gefängnis.
Als Thoma im August 1915 wegen einer Ruhr-Erkrankung von der Ostfront im Ersten Weltkrieg zurückkehrte, begann er an der "Heiligen Nacht" zu schreiben.
Er erzählte das Weihnachtsgeschehen nach dem Lukas-Evangelium, das er in den bäuerlich-dörflichen Alltag übertrug. Darin betonte er, wie Jesus sich entschlossen auf die Seite der Armen schlägt. Seine Kritik an der Kirche seiner Zeit bildete die Grundlage dieser Dichtung.
Autor trat der rechten "Deutschen Vaterlandspartei" bei
1917 dann trat er der frisch gegründeten "Deutschen Vaterlandspartei" bei - ein Sammelbecken von rechtsgerichteten Gruppierungen, das gegen demokratische Bestrebungen anging.
Nach dem Kriegsende 1918 schlug Thomas Feindseligkeit in einen hetzerischen Ton um. Er selbst bezeichnete seine literarische Rolle als "Bierbankpolitiker mit Tinte".
Wurde aus einem Spötter ein "Spießer"? So fragte Kurt Tucholsky 1920 in einer Rezension für die "Weltbühne". Doch Tucholsky blieb zunächst allein mit seinem Urteil über den Schriftsteller.
Ende der 1980er Jahre wurden rechte Veröffentlichungen Thomas bekannt
Erst Ende der 1980er-Jahren wurde dann Thomas Autorenschaft in der Zeitung "Miesbacher Anzeiger" bekannt, damals ein Forum der radikalen Rechten. Hier veröffentlichte er in den letzten zwei Jahren vor seinem Tod hemmungslos wüste Pamphlete gegen Künstler*innen, Sozialdemokrat*innenen und jüdische Menschen.
Sie wandelten das Thoma-Bild in der Öffentlichkeit: Die Stadt München beendete daraufhin die Vergabe der "Ludwig-Thoma-Medaille für Courage in der Öffentlichkeit".
Diskussionen um Literaten halten an
Zum 150. Geburtstag flammt die kritische Bewertung Thomas erneut auf. Der Autor Martin A. Klaus legte eine Biografie vor, nach der Thoma mit seiner Hetze mehrere Mordanschläge, unter anderem an dem Politiker Matthias Erzberger, förmlich herbeigeschrieben haben soll.
Seitdem reißt die Diskussion um Ludwig Thoma nicht mehr ab. Nach einem Bericht des "Münchner Merkur" habe eine Expertenkommission vorgeschlagen, die Ludwig-Thoma-Straße in Pasing umzubenennen. Demgegenüber gibt es aber auch starke Stimmen, die auf die dauerhafte literarische Güte des Werks von Ludwig Thoma hinweisen.