Hellseherische Fähigkeiten wurden dem US-amerikanischen Kult-Autor T. C. Boyle jüngst attestiert. In seinem Roman "Ein Freund der Erde", das im Milleniumsjahr 2000 auf Englisch erschien, blickt der Autor in das Jahr 2025 voraus und sieht Überschwemmungen, Brände und sogar eine Pandemie.

Roman: Klimawandel und "das neue Normal"

Diesen Faden nahm Boyle in diesem Jahr mit seinem aktuellen Roman "Blue Skies" wieder auf, in dem er erkundet, wie einfache Menschen mit dem zurechtkommen, was Klimawissenschaftler als "das neue Normal" bezeichnen, wie er dem Evangelischen Pressedienst (epd) sagte.

Am 2. Dezember, wenn in Dubai die 28. UN-Klimakonferenz tagt, wird T.C. - Tom Coraghessan - Boyle 75 Jahre alt.

"Seine besten Geschichten öffnen nicht nur die Augen, sie lassen den Leser hören, riechen und fühlen", lobte ihn einmal die "New York Times".

T. C. Boyle: Person und Werke

Punk-Autor Boyle, der meist mit Baseballmütze, grellen Hemden und Silberschmuck unterwegs ist, lebt mit Ehefrau Karen Kvashay und drei Kindern im kalifornischen Montecito.

Geboren wurde er 1948 in Peekskill im US-Bundesstaat New York als Sohn irischer Einwanderer. Er wuchs in prekären Verhältnissen auf, seine Eltern waren beide alkoholabhängig.

"Das Licht" (2019)

Sein größtes Publikum nach dem in den USA hat er in Deutschland. Sein Roman "Das Licht", übersetzt von Dirk van Gunsteren, erschien 2019 sogar zwei Monate vor dem Original auf Deutsch.

Es geht um den amerikanischen Psychologen und "Guru" der Hippie-Bewegung, Timothy Leary, der mit seinen Lehrstuhlmitarbeiten mit der psychedelischen Droge LSD experimentiert.

Darin verarbeitet Boyle auch eigene Erfahrungen. Mittlerweile habe die "Sucht nach Schreiben" seinen früheren Drogenkonsum abgelöst, wie er selbst sagt.

"Dr. Sex" (2005) und "Die Terranauten (2017)

Ähnlich wie in seinem Roman "Dr. Sex" (2005), in dem Boyle über den Sexualwissenschaftler Alfred Kinsey schreibt, seziert er in "Das Licht" die Nuancen persönlichen Begehrens und zwischenmenschlicher Dynamiken. Das ist auch das Thema in seinem 2017 auf Deutsch erschienenen Roman "Die Terranauten".

Es handelt von einem Biosphären-Experiment Anfang der 90er Jahre in Arizona: Vier Frauen und vier Männer sind zwei Jahre lang in einem geschlossenen Ökosystem völlig von der Außenwelt abgeschnitten. Damit sollten Erkenntnisse für die bemannte Raumfahrt gewonnen werden. Das Projekt scheiterte.

"Boyle verwandelt die Geschichte in eine Reality-Show, aus der es für die Kandidaten kein Entkommen gibt", so beschrieb es der dtv-Verlag: "Missgunst, Neid, Eifersucht befeuern die acht."

Kampf gegen Klimawandel zu wenig und zu spät

In einem Interview mit dem Literaturkritiker Denis Scheck beschrieb Boyle einmal seinen Arbeitsstil:

"Ich entwickele ein Szenario, folge dem und bin selbst gespannt, wie sich die Dinge bis zum Schluss entwickeln."

Sich selbst bezeichnete er als Glückskind. "Ich habe herausgefunden, dass ich einer der glücklichsten Menschen bin, der je auf diesem Planeten gelebt hat, denn ich habe ein Talent erhalten, das Talent, Kunst zu schaffen", sagte der fast zwei Meter große, schlaksige und asketisch wirkende Autor in der ARD-Sendung "druckfrisch".

Doch was die Zukunft der Menschheit angeht, bleibt Boyle pessimistisch: Zwar habe die Weltgemeinschaft bei der Bekämpfung des Klimawandels Fortschritte gemacht. "Aber natürlich ist das alles zu wenig und zu spät", sagt er.

"Wir glauben, dass wir unser Leben unter Kontrolle haben, aber wir irren uns leider sehr."

Die Zukunft sehe angesichts "des Erstarken des Faschismus" und schwindender Ressourcen düster aus:

"Wir werden keine Rechte haben, keinen Platz zum Leben, keine Nahrung."

Fokus: Zukunft der Menschheit 

Boyle legt Risse in der Fassade der modernen Wohlstandswelt offen. Sein Lebensthema ist der Konflikt zwischen Mensch und Natur sowie zwischen Schicksal und Freiheit des Einzelnen - oft geht es um die Zukunft der Menschheit schlechthin. Er behandelt Themen wie Klimawandel, Datenschutz oder den Erhalt der Demokratie.

Als Professor lehrt Boyle kreatives Schreiben - ein Fach, das er wirklich beherrscht. Seine Sätze treffen ins Schwarze. Bereits sein erster Roman "Wassermusik" (1982) wurde zum großen Erfolg.

Darin verfolgt er den exzentrischen schottischen Entdecker und Afrikareisenden Mungo Park (1771-1806) auf der Suche nach dem Verlauf des Niger. Boyle modernisiert damit das Genre des Historienromans und hebt es auf eine neue Ebene.

Er sei daran interessiert, wie die Vergangenheit in die Gegenwart hineinspielt, erklärte Boyle. "Ich habe wirklich Spaß an unseren uralten universalen menschlichen Marotten", schrieb er auf seiner Homepage.

Beispiel sei der Roman "Willkommen in Wellville". Im luxuriösen Sanatorium von John Harvey Kellogg, Erfinder der Cornflakes, geht es um das Verlangen nach ewiger Jugend und Gesundheit.

Traum von einer "Biografie über Gott"

Boyle, der nahezu jedes Jahr ein Buch veröffentlicht und für seine Ironie bekannt ist, träumt noch von einem großen Projekt, wie er sagt:

"Ich würde gerne eine Biografie über Gott schreiben, aber er verweigert mir ein Interview. Ich hätte ein paar Fragen an ihn."

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