Über 1.000 Anträge in Bayern

Das ergab eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Insgesamt gingen mehr als 1.000 Anträge auf Anerkennungszahlungen für erlittenes Leid ein. Bundesweit waren es mehr als 2.500 Anträge und mehr als 19 Millionen Euro. Kirchensteuereinnahmen wurden in Bayern für die Zahlungen nicht verwendet.

Bistum Regensburg als Vorreiter

Bundesweit mit Abstand die meisten Anerkennungsleistungen bezahlte das Bistum Regensburg mit etwa zehn Millionen Euro. Gründe gibt es dafür mehrere: So gab es dort zum einen mehrere hundert Domspatzen-Sänger, die vor allem in den 60er- und 70er-Jahren sexualisierte oder massive körperliche Gewalt erleiden mussten. Ein weiterer Grund ist laut einem Bistumssprecher, dass in Regensburg konsequent nicht nur Zahlungen wegen sexuellen Missbrauchs geleistet werden, sondern auch bei Körperverletzungen.

Drittens zahlte Regensburg erst kürzlich rund 5,2 Millionen Euro an die bereits entschädigten Opfer nach. Und hat damit schon umgesetzt, was in den meisten anderen Bistümern in Deutschland erst seit Januar 2021 gilt: höhere und mehrfache Zahlungen an Opfer. Denn die katholische Bischofskonferenz beschloss im vergangenen Jahr die Neuregelung des Systems zur Anerkennung erlittenen Leids: Seit 1. Januar orientiert sich die Höhe der Zahlungen an zivilen Schmerzensgeldzahlungen. Betroffene sexualisierter Gewalt in der Kirche erhalten nun bis zu 50.000 Euro. Hinzu kommen Therapiekosten.

Neue Anträge möglich

Bisher erhielten Missbrauchsopfer der epd-Umfrage zufolge meist einen Regelbetrag von 5.000 Euro, die höchste Einzelzahlung lag bei 20.000 Euro. Nach dem neuen Verfahren können auch Betroffene, die schon einmal Geld erhalten haben, einen erneuten Antrag stellen und bekommen zusätzliche Zahlungen. Dies wird in Bayern auch wahrgenommen: Fast alle Bistümer haben der epd-Umfrage zufolge solche erneuten Anträge erhalten.

München und Freising

Seit Bekanntwerden des neuen Verfahrens gebe es etwa in der Erzdiözese München und Freising verstärkt Nachfragen von Betroffenen, die bereits einen ersten Antrag gestellt und eine Anerkennung erhalten hatten, erklärte ein Sprecher. Bis Ende 2020 wurden hier 68 Anträge gestellt. In den meisten der 56 abgeschlossenen Fälle wurde der Regelbetrag von 5.000 Euro gezahlt, in vier Fällen höhere Beträge, bis 10.000 Euro. Insgesamt kam die Erzdiözese München und Freising so bisher auf 300.000 Euro Anerkennungszahlungen.

Augsburg und Bamberg

In der Diözese Augsburg sind bislang 152 Anträge gestellt worden. Insgesamt wurde knapp eine Million Euro ausgezahlt, die höchste Einzelzahlung belief sich auf 20.000 Euro. Im Ordinariat Bamberg waren es bis Ende 2020 56 Anträge, seit 1. Januar waren es vier neue, alle bereits mit abgeschlossenem Verfahren. Insgesamt wurden in Bamberg bisher 233.500 Euro an Anerkennungszahlungen und Therapiekosten gezahlt, die höchste Einzelzahlung lag bei 20.000 Euro.

Würzburg und Eichstätt

Auch in der Diözese Würzburg sind nach Angaben eines Sprechers erneute Anträge von Betroffenen, die bereits vor 2021 Anträge gestellt hatten, in Vorbereitung. Im Zeitraum von 2011 bis 2020 hatte es 33 Anträge gegeben. Insgesamt wurden bisher 132.000 Euro gezahlt, die höchste Einzelsumme betrug 15.000 Euro. Das Bistum Eichstätt bezahlte bis Ende 2020 insgesamt 50.000 Euro an zehn Betroffene. Bisher liegen dort keine neuen Anträge vor.

Passau

Im Bistum Passau wurden bis Ende 2020 fünf Anträge auf Anerkennungszahlungen wegen sexuellen Missbrauchs gestellt. Seit 1. Januar sind bereits zwei Meldungen eingegangen, für die jeweils ein Anerkennungsantrag gestellt wird. Bislang wurden Anerkennungszahlungen in Höhe von 28.000 Euro und Therapieleistungen von 11.000 Euro erbracht. Die höchste Einzelzahlung lag dort bei 8.000 Euro.

Regensburg geht bei den Zahlungen seinen eigenen Weg. Statt wie die meisten Bistümer am 1. Januar 2021 startete man in der Oberpfalz bereits vergangenen Sommer damit, die höheren Anerkennungsleistungen zu zahlen. Man habe auch nicht auf erneute Anträge gewartet, sondern automatisch alle, die schon eine Zahlung bekommen haben, angeschrieben, dass man "aufstocken" wolle, erklärte die für das Thema zuständige Ansprechpartnerin im Bistum Regensburg, Judith Helmig. So hätten sich die zuvor getätigten Zahlungen mit weiteren 5,2 Millionen Euro nahezu verdoppelt; und der Großteil dürfte damit erledigt sein.

"Mir ist bewusst, dass auch die höhere Anerkennungsleistung das erlittene Unrecht nicht wiedergutmacht", erklärte der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer.

Er hoffe jedoch, dass Betroffene sie als Anerkennung ihres Leids sehen können und als Zeichen der Bereitschaft, zu einer Befriedung beizutragen. Weil die Tat verjährt oder der Täter längst tot ist, könne die Staatsanwaltschaft in vielen Fällen nichts mehr für die Opfer tun. Die Kirchen versuchten daher mit ihren Anerkennungsleistungen das zu tun, was in ihrer Macht stehe, heißt es aus Regensburg: Bei dem Verfahren handle es sich aber keineswegs um eine "Paralleljustiz" - es gehe um ein Zeichen der Anerkennung des Leids.

Kirchensteuermittel wurden oder werden für die Entschädigungen in Bayern nirgends verwendet. Bundesweit werden der epd-Umfrage zufolge vor allem die Täter herangezogen, und wenn diese nicht mehr leben, wird das Geld aus dem Vermögen der Bistümer bezahlt. Nur in wenigen Bistümern wie in Magdeburg, Hamburg und Hildesheim floss auch Geld aus Kirchensteuermitteln.

Die 2018 veröffentlichte sogenannte MHG-Studie geht davon aus, dass zwischen 1946 und 2014 3.677 Minderjährige Opfer von Missbrauch im Bereich der Bischofskonferenz wurden.