Die Forderung nach mehr verkaufsoffenen Sonntagen in Bayern löst Kritik aus. Diakon Klaus Hubert ist Geschäftsführer der Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (afa) und verteidigt in seinem Kommentar vehement die Beibehaltung des Sonntags als "relativ synchronen Ruhetag für Mensch und Schöpfung". Er bezieht sich auch kritisch auf das Editorial unseres aktuellen Newsletters #sonntags, in dem ein lockerer Umgang mit dem Gebot der Sonntagsruhe gefordert wurde. Zum besseren Verständnis und der Nachvollziehbarkeit der Debatte haben wir ihn weiter unten wiedergegeben.

Klaus Hubert: Die Sonntagsruhe ist ein riesiges Gottesgeschenk

Es drängt sich der Eindruck auf, dass gerade eine Kampagne unter dem Motto "Der Tag der Arbeitsruhe ist passé" gefahren wird. Die letzten Bastionen des Schutzes des arbeitsfreien Sonntages wie Kirchen und Gewerkschaften sollen weichgekocht werden. Und dies unter anderem mit dem Argument, die Verkaufsöffnung am Sonntag diene quasi als Akt der Nächstenliebe zur "Stärkung des Einzelhandels".

Jede*m, der sich intensiv mit diesen Fragestellungen beschäftigt, ist bewusst – auch der CSU –,  dass diese Strategie nicht aufgehen wird. Neben vielen Händlerinnen und Händlern samt ihren Beschäftigten verliert die gesamte Gesellschaft durch die Erosion des Sonntagsschutzes.

Arbeitsfreier Sonntag als Christuszeugnis

Wo bleiben im Sonntagsblatt die theologischen Begründungen für den Sonntag? Der Sonntag, in der Tradition des jüdischen Sabbat, als ein Gedenktag der Befreiung aus der Sklaverei. Der arbeitsfreie Sonntag als Christuszeugnis des Sieges des Lebens über den Tod. Der arbeitsfreie Sonntag als bestes Evangelium von Gnade und Barmherzigkeit wider einer totalen Ökonomisierung des Lebens. Ein immer noch relativ synchroner Ruhetag für Mensch und Schöpfung, an der alle Mitglieder unserer Gesellschaft – unabhängig vom Taufschein und Kirchensteuernummer – in guter Weise partizipieren.

Ich beziehe mich dabei auch auf meine eigenen Erfahrungen aus der Arbeitswelt, in der ich seit dem Zivildienst zwei Jahrzehnte unter der Rubrik "Arbeit trotz des Sonntages" (Kranken- und Gesundheitspflege in Drei-Schichten-Modell und jedes zweite Wochenende sowie viele Feiertage), und seit 2001 in der Diakonie und Kirche, unter anderem als Geschäftsführer einer Ehrenamtsorganisation nicht nur hauptamtlich, sondern auch viel ehrenamtliche "Arbeit wegen des Sonntages" mache:  Öffentlichkeitsarbeit, Erwachsenenbildung, Übergemeindliche Arbeit, Gemeindegottesdienste, Seelsorge.

Gerade der Predigttext vom vergangenen Sonntag – einer der zentralen Stellen des reformatorischen Bekenntnisses – Allein aus Gnade (Eph., 2 4 - 10) hat mich an die heilsgeschichtliche Bedeutung der Sabbat- oder Sonntagsruhe erinnert. Einen Tag für eine große, synchrone Mehrheit ohne Leistungszwang… Ein riesiges Gottes-Geschenk und eine – mittlerweile nicht mehr selbstverständliche – Chance, die wir in unserem Land und für unsere Gesellschaft haben. Diese sollten wir nicht zur Disposition stellen – zumindest nicht ohne Widerstand und Gegenrede.

(Klaus Hubert)

 

Das Editorial unseres Newsletters #sonntags

Eigentlich ist es ein tolles Wort: Sonntagsruhe. Klingt geradezu himmlisch, oder? Trotzdem oder gerade deshalb gibt es immer wieder Streit darum. So entzündete sich erst kürzlich wieder Kritik am Wunsch der CSU, in Bayern künftig vier verkaufsoffene Sonntage zu erlauben. 

Ich kann das durchaus nachvollziehen. Mir selbst ist der Sonntag heilig. Ich versuche, ihn so weit es geht von Arbeit oder anderen Alltagsmühen freizuhalten. Als Journalist*in ist das allerdings nur schwerlich immer möglich. Nachrichten, aber auch Ideen für Artikel, kennen leider keine Sonntagsruhe. 

So wurde meine Sonntagsruhe schon öfter empfindlich gestört: Sei es, weil sich Dinge ereigneten, die dringend berichtet werden mussten; sei es, weil eine Idee in meinem Kopf nicht warten konnte, aufgeschrieben zu werden.

Kein Zwang, einzukaufen

Was mich allerdings noch nie an einem Sonntag gestört hat, sind offene Geschäfte. Denn niemand zwingt mich, meinen Sonntag in einem überfüllten Geschäft oder in der Schlange vor der Supermarktkasse zu verbringen. Und mitunter war ich sehr froh, auch an einem Sonntag rasch ein paar Dinge einkaufen zu können, ohne dafür an einer Tankstelle Mondpreise bezahlen zu müssen.

Was ich damit sagen will: Vielleicht sollten wir lieber dafür sorgen, dass wir selbst die Sonntagsruhe würdigen, bevor wir anderen vorschreiben, wie sie damit umzugehen haben. Was natürlich nicht geht, und was Staat und Gewerkschaften verhindern müssen, ist, dass Menschen am Sonntag gegen ihren Willen und ihre religiöse Überzeugung gezwungen werden, zu arbeiten. Diejenigen aber, die am Sonntag, aus welchen Gründen auch immer, gerne arbeiten, sollten wir nicht daran hindern.

(Oliver Marquart)

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