Vom Mythenforscher Joseph Campbell (1904-1987) stammt der Gedanke: »Du brauchst einen Ort oder eine bestimmte Stunde, wenn nicht sogar einen Tag, an dem du nicht weißt, was am Morgen in der Zeitung stand, wo deine Freunde sind, was du irgendjemand schuldig bist oder was irgendjemand dir schuldig ist. Am Anfang mag es scheinen, als geschähe dort nichts. Aber wenn du einen heiligen Ort hast und von ihm regelmäßig Gebrauch machst, dann wird zur rechten Zeit das Richtige geschehen.«

Campbell hatte jahrzehntelang die Weisheitstraditionen vieler Völker studiert und war zum Schluss gekommen, dass alle diese Kulturen Formen der Ruhe entwickelt hatten: heilige Orte, Zeiten und Tage der Ruhe. In unserer Tradition sind es der jüdische Sabbat am Samstag und der christliche Sonntag. Auch für Nichtgläubige sind diese beiden Tage heute die mit Abstand beliebtesten Wochentage. Sie sind arbeitsfrei, aber meistens keine Ruhetage mehr, sondern mit Aktivitäten ausgefüllt.

Mit Sonntagsruhe Körper, Geist und Seele regenerieren

Die alten Völker dagegen wussten, dass Zeiten der Ruhe und Stille die beste Möglichkeit sind, um Zugang zum eigenen Seelenleben und zu Gott zu finden. Auch Jesus empfiehlt das im Markusevangelium (6, 30-31) seinen Aposteln, als sie in einem Meeting mit ihm zusammensitzen und ihm von ihren vielen Aktivitäten, »von allem, was sie getan und gelehrt hatten«, berichten. »Sie kamen und gingen und hatten nicht einmal Zeit genug zum Essen«, so beschäftigt waren sie. Jesu wunderbarer Rat: »Geht allein an einen einsamen Ort und ruht euch ein wenig aus« – der perfekte Sonntagstipp, um Körper, Geist und Seele zu regenerieren.

Neurowissenschaftler haben längst nachgewiesen, dass es die langsamen Delta-Gehirnwellen sind, bei denen sich unser Gehirn erholt und alle körperlichen und seelischen Regenerationsprozesse stattfinden. Diese Deltawellen erleben wir nur im Tiefschlaf – und im kontemplativen Gebet.

Orte der Ruhe: Wohnung, Kirche, Parkbank

Noch 51 Sonntage erinnern uns im Jahr 2018 daran, aus der Stille heraus immer wieder den Palast Gottes jenseits von Raum und Zeit zu suchen. Dabei spielt es zunächst keine Rolle, wo der äußere Startpunkt liegt. Der Theologe und Philosoph Ralph Waldo Emerson empfahl: »Denk für dich selbst – und alle Orte sind freundlich und heilig.«

Freundlich, heilig, das kann eine ruhige Ecke in der Wohnung sein, die stille Kirche oder eine leere Parkbank, die auf uns wartet. Auch von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt hinüber zu Gottes Palast jenseits von Raum und Zeit – in das Reich Gottes, das, wie uns Jesus versichert, mitten in und unter uns ist.

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