Das ökumenisch als Christusfest begangene Jubiläum war ermutigend und Luthers Verdienste sind unbestreitbar. Doch die Verletzungen durch dessen Konfessionspolemik und Judenhass sind trotz Aufarbeitung durch unsere Kirche bei vielen Menschen noch längst nicht geheilt. Als auch ökumenisch oder gar interreligiös akzeptierter evangelischer Feiertag würde der Reformationstag kaum taugen.
Konfessions- und religionsübergreifender Feiertag
Da bietet sich eher der Buß- und Bettag an, auch weil er – bis 1995 – schon mal bundesweit arbeitsfreier Feiertag war. Noch wichtiger: Viele Anliegen der Reformation nimmt er ohnehin auf – von der Rechtfertigung des Christen allein aus Gnaden, vom Wissen um Schuld und Vergebung bis zur besonderen Gottesbeziehung des Menschen im Gebet. Und er schafft Raum für das, was heutzutage jeder Einzelne, aber auch unsere Gesellschaft insgesamt braucht: innehalten, entschleunigen, Fehler und Irrwege einsehen, unbequeme Wahrheiten benennen, und dann Umkehr und Neuanfang wagen. Ein geradezu ideales konfessions- und religionsübergreifendes Angebot.
Der evangelische Buß- und Bettag ist kein Tag der Verdammnis, sondern der Befreiung: für den einzelnen reuigen Gläubigen und sein Seelenheil genauso wie für die Gesellschaft insgesamt. Innere Freiheit durch Gott ermutigt zu Fürbitte und Engagement: z. B. für den Schutz der Menschenwürde, für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung. Angesichts von Ausgrenzung und Nationalismus in Europa und von Hunger und Elend in der Dritten Welt ist das wichtiger denn je.
Widerstand der evangelischen Kirche war gering
Gut, dass etwa in der ökumenischen Friedensdekade auch heuer – auflaufend auf den Buß- und Bettag – vor den Gefahren der Aufrüstung gewarnt und für den Weltfrieden gebetet wird. Und gut, dass es auch sozialpolitische Buß- und Bettage in unserer Kirche gibt – angesichts vielfältiger Armutsprobleme in unserem reichen Land. Einst wurde der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag zur Kompensation des Arbeitgeberanteils in der Pflegeversicherung abgeschafft – ein Unding. Damals ohne allzu großen Widerstand der evangelischen Kirche.
Es wäre jetzt an der Zeit, dass zumindest unsere Landeskirche nach mehreren erfolglosen Versuchen noch einmal mit aller Kraft für die gesetzliche Wiedereinführung in Bayern kämpft. Die wichtigsten reformatorischen Anliegen sind auf versöhnliche Weise auch am Buß- und Bettag gut aufgehoben.