Die Natur einfach mal ihr Ding machen lassen. Nirgendwo geht das besser als auf Friedhöfen, ist der Nürnberger Pfarrer Jürgen Harder überzeugt. Er ist Vorsitzender des Vereins "Schöpfung bewahren konkret" in der evangelischen Landeskirche. Flächen auf Friedhöfen seien "ganz frei gehalten sind von kommerzieller Nutzung", erklärt er. Das biete die Chance, die Natur sich so entwickeln zu lassen, wie sie will.

Nicht nur der Natur, sondern auch dem Rasenmäher oder der Gartenschere und der Harke soll man mal Ruhe gönnen, findet Harder.

Denn er will "wegkommen von aufgeräumten Friedhöfen, glatt polierten Flächen und Unkrautvernichter." Harder kann sich auch eine wild wuchernde Wiese statt einer Rasenfläche vorstellen.

"Das ist eine Anfechtung für manche ländlichen Friedhofsbetreiber", sei aber eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich der Boden wieder erholen und die Natur Raum für die Artenvielfalt bereit halten könne. Nicht Samenmischungen ausstreuen, sondern sich Zeit lassen und warten, was von sich aus wächst, schlägt der umweltbewusste Pfarrer vor. Eine bunte Wiese ist dann nicht nur Nahrung für die Insekten, sonder für den Menschen eine Augenweide.

Während man nun schon die ersten Friedhofsbesucher tuscheln hört, auf dem Friedhof sehe es unangemessen unordentlich aus, setzt Jürgen Harder einen weiteren ungeheuren Vorschlag drauf: Es gebe auch Gräber, die nach diesen Prinzipien gestaltet würden.

"Sie sehen und gewöhnungsbedürftig aus, weil sie überwuchert sind, bis zu dem Zeitpunkt, an dem man sie zurückschneidet. Aber dies seien gerade die wichtigen Lebensräume für Insekten.

Tatsächlich ist die Nachfrage nach dem Projekt "Friedhöfe - Oasen für Pflanzen und Tiere" des Vereins "Schöpfung bewahren konkret" groß. Immer mehr Kirchengemeinden lassen sich zum Thema beraten. Sie beherzigen auch den Vorschlag, im Herbst Laub einfach mal liegen zu lassen und nur die Wege zu säubern. Denn durch das Liegenlassen des Falllaubes finden viele Tiere einen Unterschlupf für den Winter und auch eine weitere Nahrungsquelle.

Auf den Friedhöfen, mit denen der Verein zusammenarbeitet, werde zunächst eine Bestandsaufnahme gemacht und dann Zug um Zug Ideen entwickelt, welche Maßnahmen zugunsten der Artenvielfalt ergriffen werden könnten. Oft könne schon mit geringen finanziellen Mitteln viel für die Biodiversität erreicht werden, erklärt Harder.

Der Friedhof ist für Trauernde ein Ort, "um wieder ins Leben zu finden" und loszulassen,

kann man in einer Friedhofsfibel lesen, die die evangelische Landeskirche herausgegeben hat. Für einen "spirituell sehr schönen Gedanken" hält es Pfarrer Harder, dass mit Wildwuchs, hoch gewachsenen Hecken oder im Laub "ausgerechnet die Friedhöfe Oasen des Lebens werden".

Friedhöfe in Lauf, Gräfenberg, Goldkronach, Regensburg und Ebersdorf bei Coburg haben sich bereits dem Projekt "Friedhöfe - Oasen für Pflanzen und Tiere" angeschlossen. Demnächst werde das Projekt auch auf Südbayern, auf katholische und auf kommunale Friedhofsträger ausgeweitet, sagt Harder.