Die evangelische Landeskirche und die Landtags-CSU bewerten die Lage an den EU-Außengrenzen zur Türkei komplett gegensätzlich. Der CSU-Fraktionschef im Bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, sprach sich für einen verschärften Schutz der EU-Außengrenzen aus. Man müsse den "illegalen Grenzübertritt" von Geflüchteten "unbedingt verhindern", sagte Kreutzer: "Wir können nicht alle aufnehmen. 2015 darf sich nicht wiederholen." Der für Migration zuständige evangelische Oberkirchenrat, Michael Martin, bewertete die Situation hingegen ganz anders: Die Türkei und die EU schacherten mit Menschenleben.

Kreutzer forderte Unterstützung für Griechenland und Bulgarien beim Grenzschutz:

"Ich frage: Wann endlich liefert Brüssel Ergebnisse beim verlässlichen Außengrenzschutz?" Bis die EU-Grenzschutzbehörde Frontex diesen liefern könne, müssten Deutschland und die anderen EU-Staaten Griechenland und Bulgarien direkt bei dieser Aufgabe mit unterstützen. Es sei der "absolut falsche Weg", in der aktuellen Situation die Kapazitäten an den deutschen Flüchtlingsunterkünften zu aktivieren, wie es Grünen-Chefin Annalena Baerbock gefordert habe. Dies würde "falsche Anreize schaffen". Die Türkei sei ein sicheres Land.

Oberkirchenrat Martin hingegen bezeichnete die Flüchtlingspolitik der EU als "politische Bankrotterklärung".

Der türkische Präsident Erdogan habe die Geflüchteten seit dem Bestehen des EU-Türkei-Deals immer wieder instrumentalisiert. Nun wolle er militärische Hilfe durch EU und Nato für den türkische Syrien-Feldzug erpressen. Martin mahnte, dass eine Abschottung der EU-Außengrenzen mit mehr Frontex-Einheiten oder griechischen Soldaten nichts bringen werde.

"Die Menschen werden einen Weg nach Europa finden, so wie in der Vergangenheit auch - und sie werden dafür ihr Leben riskieren", erläuterte Martin.

Der Oberkirchenrat forderte konkrete und schnelle Hilfe: Tausende Geflüchtete harrten in humanitär völlig inakzeptablen Zuständen aus. Zum einen bräuchten die Geflüchteten an der Grenze Essen, Zelte und Decken - danach müsse schnell Infrastruktur aufgebaut werden, auch mit Geld aus der EU. "Man kann die südlichen Länder der EU mit diesen Herausforderungen nicht alleine lassen", sagte Martin. Einzelne Regionen seien seit längerem überfordert - etwa die griechische Insel Lesbos. "Wenn in einem Lager für 6.000 Menschen dann um die 20.000 leben, ist es klar, dass es früher oder später aus dem Ruder läuft."

Nach den ersten humanitären Maßnahmen, die Europa mit dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR der Vereinten Nationen abstimmen sollte, müsse es um eine politische Lösung gehen.

"Es gibt eine 'Koalition der Willigen' in Europa, die muss nun Druck aufbauen. Es muss Gespräche zwischen allen Beteiligten geben", sagte Martin. Gleichwohl sei es sehr unwahrscheinlich, dass der Bürgerkrieg in Syrien, der sich immer mehr zu einem weltweiten Stellvertreterkrieg ausgeweitet habe, jetzt schnell beendet werden kann. "Und wenn es keine einheitliche Lösung gibt, müssen einzelne EU-Länder helfen und Flüchtlinge aufnehmen."

Oberkirchenrat Martin erinnerte daran, dass die EU mehr sei als ein bloßer Wirtschaftsraum. Das vorhandene gemeinsame Wertefundament müsse nun aber endlich wieder mit Inhalten gefüllt und auch praktisch gelebt werden: "Die Politik muss jetzt handeln, wir dürfen dem Sterben der Menschen nicht weiter untätig zuschauen."