Michael Bammessel spricht druckreif - in seinem Videoblog, im Radiointerview, an Rednerpulten und von Kanzeln hat der Theologe nun über elf Jahre als bayerischer Diakoniepräsident Sozialpolitik erklärt. Er hat mehr Hilfen für die Schwachen gefordert, schreckliche Zustände im Flüchtlingslager Moria angeprangert oder Wahlforderungen aufgestellt.

Diakoniepräsident Bammessel: Unkompliziert, geduldig, zugewandt

Jeder versteht ihn, wenn er in den Wahlkämpfen Versprechen für die Pflege vermisst - "da war wieder nichts davon zu hören" - wenn es "allerhöchste Eisenbahn" ist für Hilfe für alleinerziehende Frauen oder man eine Statistik zur Armut "in die Tonne treten kann". Es grenze an "Irrsinn", motivierte ausgebildete Migranten zurückzuschicken, sagt Michael Bammessel - und der hochgewachsene weißhaarige Diakoniepräsident bleibt dabei stets freundlich.

Unkompliziert, geduldig, zugewandt, so beschreiben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den gebürtigen Bayreuther, der aus einer Pfarrersfamilie stammt. Er selbst sagt, dass er als Dachverbands-Chef auf Zusammenarbeit mit den politischen Partnern und auf Argumente setzt, "nur im Einzelfall bediene ich die große Glocke".

"Geländegewinne" trotz "Millimeterarbeit"

Vielmehr sei das Erringen der sozialen Ziele "Millimeterarbeit". Bei ihr habe es "Geländegewinne" gegeben, die in seine Amtszeit fallen: Unter anderem wurde das Schulgeld für Altenpflegeschülerinnen abgeschafft, die Zuwanderungsgesetze verbessert, die Tagepflege ausgebaut.

Bammessel ist aber auch unzufrieden. Dass er es in seiner Amtszeit mit fünf verschiedenen bayerischen Sozialministerinnen zu tun hatte, "das zeigt den mangelnden Stellenwert des Ministeriums", meint er. Und dass Ministerpräsident Markus Söder, der ja immer seine Herkunft als evangelisch-lutherischer Christ betont, kein Mal die Wohlfahrtsverbände in die Staatskanzlei zum Gespräch eingeladen hat, hat den Präsidenten des zweitgrößten bayerischen Wohlfahrtsverbands auch enttäuscht. Das Diakonische Werk Bayern umfasst 3.500 Einrichtungen, bei denen rund 68.000 Mitarbeitende beschäftigt sind.

"Versager ernten Millionen, und zugleich werden hart arbeitende Menschen zu Tausenden in die Arbeitslosigkeit geschickt."

Ein soziales Gewissen zeichnete Michael Bammessel schon vor dem Amtsantritt in der Diakonie vor rund elf Jahren aus - damals als Nürnberger Stadtdekan. In der Zeit der Finanzkrise oder als die Firma Quelle in Nürnberg Pleite ging, wetterte er, "Versager ernten Millionen, und zugleich werden hart arbeitende Menschen zu Tausenden in die Arbeitslosigkeit geschickt."

Diese Vorzeigeprojekte entstanden während seiner Amtszeit

Er gehörte 2010 zu den Erstunterzeichnern der "Kirchlich-Gewerkschaftlichen Initiative Bayern", die "Rückbesinnung auf die Werte der christlichen Soziallehre und der Arbeiterbewegung" verlangt. Es entstanden in Nürnberg in seiner Amtszeit das Vorzeigeprojekt "Brücke-Köprü", ein muslimisch-christliches Begegnungszentrum, und die erste bayerische Jugendkirche "Lux". Auch die "SinN-Stiftung", die sich für die russischsprachigen Gemeindemitglieder einsetzt, und derzeit stark gefragt ist, wurde aufgebaut.

Bammessel war zuvor Vikar in der Oberpfalz, Pfarrer in St. Johannis in Nürnberg, Dozent am Nürnberger Predigerseminar und dann wieder Pfarrer in der damals 4.000 Mitglieder zählenden Gemeinde im Multi-Kulti-Stadtteil Gostenhof. Dort gilt der Musikliebhaber als Initiator der Gostenhofer Jazztage. Als Johannes Friedrich im Jahr 1999 bayerischer Landesbischof wurde, übernahm Bammessel dessen Posten als Stadtdekan von Nürnberg und auch den Vorsitz der Stadtmission Nürnberg, wie dort das Diakonische Werk heißt.

Nach 20 Jahren seine letzte Landessynode

Mit seiner Frau Susanne Bammessel, Seelsorgerin am Südklinikum, hat er vier Kinder. Inzwischen ist ein Enkelkind dazugekommen. Für das Enkelkind will Bammessel, der am 1. Juni 66 Jahre alt wird, im Ruhestand mehr Zeit haben. Auch der Besuch eines Club-Spiels soll endlich wieder drin sein. Obwohl er von Gremienarbeit eigentlich erst einmal genug hat, lässt er sich aus alter Verbundenheit in das Kuratorium des Windsbacher Knabenchors berufen.

"Diakonie ist nicht zufällig evangelisch, sondern das, was wir tun, hängt eng mit unserem Glauben, mit unserer evangelischen Prägung zusammen"

An dem Tag, an dem in Geiselwind die Frühjahrstagung des bayerischen Kirchenparlaments schließt, am 31. März, endet die berufliche Lebensphase Bammessels. Aber er nimmt an diesem Tag auch das letzte Mal an einer Tagung der Landessynode teil, der er mehr als 20 Jahre mit viel Leidenschaft angehört hat. Er war lange Zeit Mitglied im Landessynodalausschuss und als Diakoniepräsident wurde er in den Landeskirchenrat geladen.

Das Tariftreuegesetz in einer Predigt? Kriegt Bammessel hin

Trotz angeschlagenen Images der Kirchen ist es Bammessel wichtig, dass evangelische Kirche und Diakonie zusammengesehen werden. "Diakonie ist nicht zufällig evangelisch, sondern das, was wir tun, hängt eng mit unserem Glauben, mit unserer evangelischen Prägung zusammen", sagt er. Diesen Zusammenhang deutlich zu machen, ist ihm ein Anliegen.

Und so ist es nicht nur der Verbands-Chef gewesen, der einen Abschiebestopp für Migranten in der Pflege forderte oder mehr Engagement für Arme, sondern auch der Pfarrer, der regelmäßig auf der Kanzel gestanden hat. Und dann gelingt es ihm in seinen Predigten, Bibelworte mit dem Tariftreuegesetz und den rumänischen Spargelstechern im Knoblauchsland zu verbinden.