Auch im Corona-Jahr haben wieder Schülerinnen und Schüler des Josef-Effner-Gymnasiums Dachau jeweils einem KZ-Häftling anhand seiner Häftlingsnummer ein Gesicht und eine Lebensgeschichte gegeben. Der 17-jährige Jan Schock zum Beispiel hat die Geschichte vom Rabbiner Leo Baerwald aufgeschrieben.

Die Geschichte des Rabbiners Leo Baerwald

Der war im Ersten Weltkrieg Militärrabbiner und leitete danach in München die Synagoge in der Reichenbachstraße. Zweimal musste er eine Scheinhinrichtung aushalten, hat Jan Schock herausgefunden. "Er wurde in einen Wald geführt, die Gewehre angelegt, aber nicht geschossen. Das muss man erstmal aushalten."

Als Leo Baerwald in Dachau inhaftiert wurde, wusste niemand, wo er ist, wie lange er fortbleiben würde. Dieser menschenverachtende Umgang hat den Schüler besonders beeindruckt. Und er ist froh darüber, dass Leo Baerwald mit seiner Frau nach Amerika auswandern konnte. Dort hat Jan Schock eine Enkelin gefunden, die viel Neues über ihren Großvater erfahren konnte, "weil er nicht über die Ereignisse in Dachau sprechen konnte."

Die Geschichte des Arbeiters Hermann Enzmann

Peter Frey hat die Lebensgeschichte vom sozialistischen Arbeiter Hermann Enzmann recherchiert. Der war zur sogenannten "Umerziehung" ins KZ gekommen, von dort aus ging es direkt weiter an die Westfront. Auch Peter Frey hat nicht genau herausbekommen, ob Hermann Enzmann verletzt oder erkrankt ist - jedenfalls konnte er 1944 heimkehren in die Nähe von Karlsbad.

Aber auch das war nicht von Dauer, denn bald wurde er mit seiner Frau und drei Kindern aus der Heimat vertrieben. Was mag sich Hermann Enzmann gedacht haben, als er zufällig wieder in Dachau landete? Dort hat er bis zu seinem Tod 1966 gelebt.

"Er hat nie aufgegeben, obwohl er so viel durchgemacht hat", eine Haltung, die der 18-jährige Peter Frey bewundert. Mittlerweile hat er den Enkel von Hermann Enzmann kennengelernt, der in Dachau lebt. Es gibt auch einige Parallelen zu seiner eigenen Familiengeschichte, die er jetzt in einem neuen Licht sieht.

"Name statt Nummern": Anderthalb Jahre Recherche

Eineinhalb Jahre haben Jan und Peter im Rahmen des Seminars "Biographisches Schreiben" in Archiven geforscht, bei Behörden nachgefragt und Nachkommen ausfindig gemacht, um auf immer mehr Details zu stoßen. Begleitet wurden sie von ihrem Lehrer Christoph Triebfürst und Sabine Gerhardus, die das Projekt "Namen statt Nummern" leitet.

Denn es können Schulen aus ganz Deutschland teilnehmen, aber auch Erwachsene, die Interesse an historischer Arbeit haben. Am Ende der Detektivarbeit entstehen Gedächtnisblätter, auf denen Fotos, Lebensläufe und –stationen abgebildet sind. Die werden in einem dicken Buch aufbewahrt. Einige Originale sind in der evangelischen Versöhnungskirche in Dachau ausgelegt, manche werden zu Ausstellungen zusammengefügt. Am einfachsten ist aber der Zugang auf die Sammlung über www.gedaechtnisbuch.org.

"TV-Tipp: Kirche in Bayern"

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