Nina Lubomierski holt mit der Fußsohle eine Verschlusskappe von der Flasche. Ein Video vom Karate-Tritt postet die Landshuter Dekanin auf ihrem Instagram-Account @goodnewsfromLA. "Was man nachts um viertel nach elf zusammen mit der Tochter noch so alles anstellen kann", liest man im Subtext. Die Tochter hat das Video gedreht.

Freizeit von Pfarrerinnen

Wer wissen möchte, was Pfarrerinnen so machen, muss nur Lubomierskis Account aufrufen: Nina beim Mountainbiken, beim Schwimmen, beim Wandern. Nina im Freizeitlook am Boden liegend, Talar und Abendmahlskoffer samt Inhalt daneben ausgebreitet. Fast alles ist eine kleine Challenge: Wenn sie einen Monat lang täglich Tischgebete postet, wird dazu noch das Foto eines selbst gekochten Menüs serviert. Dankbarkeit für das Essen: "Ich habe dazu viele positive Rückmeldungen erhalten", sagt Lubomierski, die promovierte Theologin ist.

Das Kirchenpersonal hat das Internet entdeckt - nicht erst seit Corona. Aber die Pandemie mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten für Präsenz-Gottesdienste hat die Entwicklung beschleunigt. Kirchengemeinden pflegen ihre Homepages, streamen Gottesdienste, senden Worte zur Ermutigung als WhatsApp oder stellen Kirchenmusik online auf YouTube.

"Das Internet ist das Medium, durch das wir am schnellsten Informationen an die Menschen bringen", sagt Lubomierski. "Das andere ist, dass wir damit Menschen erreichen, die wir sonst nicht erreichen würden. Man könnte fast sagen, dass durch das Internet die Möglichkeit einer Mission besteht. Zumindest bringen wir kirchliche Themen an Menschen, die sich sonst eher nicht dafür interessieren."

Social Media und Kirche

Wenn das Schiff, das sich Gemeinde nennt, leckschlägt, kann man, wie damals auf der Titanic, das Bordorchester munter weiterspielen lassen. Oder man setzt viele kleine Boote aus, um doch noch ans Ziel, also zu den Menschen, gelangen. "Normalerweise erwarten wir, dass die Menschen zu uns in die Kirche oder zu unseren Veranstaltungen kommen. Aber durch Social Media können wir nun zu den Menschen kommen", sagt Lubomierski.

Mehr als 1.000 Abonnenten folgen ihr auf Instagram, wo es von ihr fast 260 Beiträge gibt. Mit ihren Storys erreicht sie laut eigenen Angaben zwischen 250 und 300 Leute pro Tag. "Im Vergleich mit bekannten Influencern ist das eher wenig", sagt Lubomierski. "Andererseits erfahren jeden Tag bis zu 300 Menschen, was die Dekanin in Landshut so macht und was im Dekanat vor sich geht. Das ist auch nicht ganz wenig."

"I walk the line"

Nah bei den Menschen ist auch Diakon Rainer Fuchs oder Reverend Ray Fox, wie er sich selbst gerne nennt. Der XXL-Mann mit Backenbart fährt gerne mit einer alten BMW durch die Gegend, liebt Musik von Johnny Cash und ist volltätowiert. Er trägt keine Rocker-Tattoos auf der Haut, aber Symbole seines Glaubens, weil "Gott mir unter die Haut geht", wie er sagt. Seinen Rücken ziert Jesus in der Abendmahl-Pose.

Fuchs hatte eine "tiefe Lebenskrise". Nach der Trennung von seiner ersten Frau habe er sich quasi "das, was mir im Leben wichtig ist, mein eigenes Glaubensbekenntnis, unter die Haut stechen lassen". Und fand seinen Weg zurück ins Leben. Dabei habe er sich an Jesus ein Vorbild genommen. Auch dieser sei seinen Weg gegangen, "obwohl er wusste, was auf ihn zukommen wird", sagt Fuchs. Bei Johnny Cash heiße es gleichlautend: "I walk the line."

Mission: Persönlicher Kontakt

Und so ging auch Fuchs nicht in die Wüste, sondern zurück zu den Menschen. Seine Mission ist seitdem der persönliche Kontakt: "Die Kirche muss raus und wieder in der Mitte unserer Gesellschaft ihren Platz suchen", sagt der 47-Jährige. Als Diakon in München-Giesing war er viel im Stadtteil unterwegs oder besuchte als Seelsorger die Justizvollzugsanstalt Stadelheim. "Da war ich gut erkennbar, weil man sich diesen bunten Hund gut merken konnte." Als solcher lehrt er heute als Studienleiter der Rummelsberger Gemeindeakademie pädagogisch-theologisches Personal an. "Wichtig dabei ist, dass ich authentisch bin."

Nina Lubomierski und Rainer Fuchs: zwei Seiten einer Medaille, zwei Prototypen. Die eine stellt sich digital der Öffentlichkeit, der andere analog. "Es wird uns nie gelingen, mit einem Medium allein alle zu erreichen", sagt Lubomierski. Und Diakon Fuchs ergänzt: "Wenn jeder in seinem Bereich aktiv und gut ist, haben wir als Kirche die Chance, ein großer bunter Flickenteppich zu sein."