Der evangelische Pfarrer Werner Tiki Küstenmacher hat 2001 mit "Simplify your life" einen Welt-Bestseller geschrieben. Auch für Weihnachten hat Küstenmacher, der in Gröbenzell bei München lebt, Tipps, wie man seinen Alltag einfacher machen kann. Er findet: Es muss nicht immer der große Festtagsbraten sein, die Wohnung muss auch nicht blitzblank sauber sein und Plätzchen muss man auch nicht immer backen, sondern kann sie auch mal kaufen. Sein großer Tipp im Gespräch mit dem Sonntagsblatt: ein paar Wochen vor Weihnachten eine Familienkonferenz einberufen.

Sie geben seit Jahren Tipps, wie man seinen Alltag vereinfachen kann. Sind Sie ein tiefenentspannter Mensch?

Werner Tiki Küstenmacher: Schön wär's. Aber ich arbeite an mir. Ich versuche zwar ständig, mein Leben zu vereinfachen, aber das heißt nicht, dass ich komplett entspannt bin.

Aber von Weihnachten lassen Sie sich bestimmt nicht stressen, oder?

Küstenmacher: Nein, tatsächlich nicht so sehr. Bei Weihnachten habe ich viel dazugelernt, vor allem aus den Fehlern der Vorjahre.

Lassen Sie hören.

Küstenmacher: Die Weihnachtszeit bei uns beginnt mit einer kleinen Familienkonferenz. Wir sprechen dann darüber, was wir besser machen können und was uns genervt hat beim letzten Mal. Jeder kennt es bestimmt: Es gibt so viele Weihnachtspäckchen zu verschicken, jeder hat bestimmte Erwartungen ans Essen, Plätzchen backen,... Das war alles mal schön, aber irgendwann ist es ausgeartet.

In so einer Familienkonferenz Ende November, Anfang Dezember kann man dann besprechen, wie es stressfreier laufen kann. Ein Essen kann man sich auch liefern lassen oder man kocht etwas Einfaches. Und nicht die ganze Verwandtschaft muss zu Besuch kommen und die Wohnung vollstopfen. Da darf man auch gern die Uhrzeit festlegen, wann die Familienfeier wieder zu Ende ist.

Hatten Sie schon mal eine Situation, aus der Sie gelernt haben?

Küstenmacher: Es gibt immer wieder weihnachtliche Missverständnisse. Meine Mutter hat zum Beispiel jahrelang immer Früchtebrot gebacken für Tante Rosemarie. Irgendwann ist rausgekommen, dass Tante Rosemarie dieses Früchtebrot überhaupt nicht mochte, sich aber nie getraut hat, etwas zu sagen. Deshalb ist so eine Familienkonferenz ganz wichtig, wo man offen über die eigenen Erwartungen reden kann. Und eine Sache legen wir in der Familienkonferenz immer fest, die wir ganz anders machen als im Vorjahr.

Ein Beispiel?

Küstenmacher: Die Familienfeier einfach mal in den Sommer verlegen. Der Dezember ist de facto der kürzeste Monat im Jahr. Bis zum 23. müssen alle Jahresabschlüsse stehen, viele Unternehmen machen zwischen den Jahren zu. Allein vom Zeitbudget ist der Dezember ein belasteter Monat. Da kann man es sich mit einer Familienfeier im Sommer einfacher machen. Oder zumindest in den Januar verschieben.

Mit Erwachsenen kann man sich ja bestimmt auf so etwas verständigen. Mit Kindern wird es schwieriger. Die wollen nun mal Plätzchen backen, die Türchen am Adventskalender öffnen oder ein Geschenk auspacken...

Küstenmacher: Plätzchen kann man auch mal kaufen, und auf die Geschenke-Adventskalender sind die Kinder gar nicht so scharf, wie wir Erwachsenen immer denken. Kinder sind da gar nicht so materiell eingestellt. Grad mit Kindern ist es wichtig, dass die Weihnachtsfreude aufkommt - und die besteht nicht nur aus Geschenken.

Haben Sie da einen Weihnachtstipp für Kinder?

Küstenmacher: Wir haben zum Beispiel super Erfahrungen mit der Krippe gemacht: Die haben wir immer ein paar Tage vor Weihnachten aufgestellt und mit ihr die Weihnachtsgeschichte erzählt. Auch die Reise von Maria und Josef zur Krippe. Jeden Tag sind die Maria- und Josef-Figuren im Zimmer ein bisschen weiter zur Krippe vorgerückt, bis sie an Heiligabend in der Krippe angekommen sind. Dann ist noch das Jesus-Kind dazugekommen. Das ist schon verblüffend, welche Freude den Kindern das macht.

Bleibt aber immer noch die Frage nach den Geschenken unterm Weihnachtsbaum...

Küstenmacher: Da kann man extrem abrüsten. Wir haben den Kreis von Leuten, denen wir Pakete schicken, sehr eingeschränkt. Mit vielen Freunden haben wir die Vereinbarung, dass wir uns nichts schenken. Ihnen und uns fehlt da ehrlicherweise auch nichts.

Aber natürlich: Wir feiern an Weihnachten, dass wir vom Leben, von Gott, beschenkt werden. Geschenke gehören da schon dazu, das muss aber nicht in einen Geschenke-Marathon ausarten. Es gibt ja auch noch das Wichteln oder Kinder dürfen einen Herzenswunsch auf den Wunschzettel schreiben.

Bei der Frage nach dem passenden Geschenk zerbrechen sich ja viele Menschen zum Teil wochenlang den Kopf. Muss so ein Aufwand überhaupt sein?

Küstenmacher: Es ist ein Irrglaube, dass das Geschenk unbedingt zum Beschenkten passen muss. Ich finde es schön, etwas zu schenken, was einem selbst gefällt - weil man damit die eigene Begeisterung für ein Buch oder einen Film an jemanden weitergibt. Oder man sucht sich ein kleines Geschenk, einen tollen Gegenstand, den man selbst schön findet, und macht daraus ein Modellgeschenk für mehrere Leute. Was auch schön ist: gemeinsame Zeit zu verschenken, zum Beispiel für einen Theater- oder Konzertbesuch. Solche Geschenke sind mir übrigens am liebsten. Und von einer Sache rate ich unbedingt ab.

Die wäre?

Küstenmacher: Nötige Anschaffungen, wie ein Fahrrad oder einen Computer, zu einem Weihnachtsgeschenk zu machen. Weihnachtsgeschenke sollen eher symbolischer Natur sein. Wenn jetzt der eine unbedingt ein neues Fahrrad braucht, dann müsste der andere mit Gewalt auch ein großes, teures Geschenk bekommen. Das bringt aber nur Stress. Notwendige Sachen sollte man dann kaufen, wenn man sie braucht und nicht auf Weihnachten warten.

Muss die "Stube glänzen", wie es in einem bekannten Weihnachtslied heißt? Also alles blitzblank sauber sein?

Küstenmacher: An Weihnachten ist das Licht ohnehin schummrig, da sieht man die paar Staubwölkchen und Krümel am Boden doch gar nicht so sehr. Nein, im Ernst: Man muss da wirklich nicht so pingelig sein. Wir feiern an Weihnachten den Geburtstag Jesu. Er ist in einem Stall geboren, da war es bestimmt nicht aufgeräumt und geputzt. Diesen Charme von Weihnachten kann man sich abschauen.

Und noch ein Punkt, der oft für weihnachtlichen Zwist sorgt: Muss man unbedingt mit der ganzen Familie in einen überfüllten Weihnachtsgottesdienst?

Küstenmacher: Nach meiner Erfahrung sind die Weihnachtsgottesdienste gar nicht mehr so überfüllt. Ich glaube, man muss keine Angst mehr haben, dass man keinen Platz mehr bekommt. Ich selbst bin ein großer Fan der Christmette, also einem spätabendlichen Gottesdienst. Der ist ja umstritten in vielen Familien, weil viele zu der Uhrzeit schon müde sind und nicht mehr raus wollen. Ich finde es schön, nochmal um 22 Uhr durch die dunkle Stadt zu laufen. Danach war für mich immer richtig Weihnachten. Wer das aber nicht mag: Am ersten Weihnachtsfeiertag geht es in den Kirchen immer noch weihnachtlich zu - und es nicht mehr so viel los.

Ihre persönliche "simplify your Weihnachten"-Botschaft?

Küstenmacher: Ich glaube, die Grundidee ist, dass wir die Weihnachtsfreude wieder finden. Da können wir uns viel von unseren Kindern abschauen. Der ganze Stress entsteht ja erst, wenn wir die ganze Zeit über ihn reden und wenn wir uns gegenseitig im Stress bestärken. Wir sollten dankbar darüber sein, wenn wir Aufmerksamkeit und Liebe von unseren Familien und Freunden bekommen.

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