Wie wird man glücklich im Leben? Darüber spricht die Augsburger Philosophieprofessorin Katharina Ceming bei einer Veranstaltung der Evangelischen Stadtakademie München am 25. April. Ein Sonntagsblatt-Interview über Glücksfälle, Lebenshaltung und den Augenblick.

Frau Ceming, ist Glück Glückssache?

Ceming: Die klassischen Glücksmomente, die uns im Alltag widerfahren, sind Glückssache - wir können sie nicht gezielt herbeiführen. Ob wir allerdings glücklich leben, ist keine Glückssache. Das hat etwas mit unserer Haltung zu tun, mit den Überzeugungen, mit denen wir aufs Leben blicken. Dieses Glück stand bei den antiken Philosophen im Vordergrund, aus dem simplen Grund, dass wir darauf mehr Einfluss haben.

Wie kommt man den zu einer Lebenshaltung, die glücklich macht?

Ceming: Das hat auch mit genetischer Veranlagung zu tun, die wir nicht beeinflussen können. Davon wussten aber die Philosophen in der Antike noch nichts. Ihre Methode bestand darin, zwischen Fakten und Bewertungen zu unterscheiden. Wir interpretieren oft etwas in Situationen hinein. Wenn unser Chef grimmig schaut, denken wir, er hat was gegen uns. Vielleicht hat er aber nur einen schlechten Tag.

Fakt ist: Er schaut grimmig. Interpretation ist: Er hat etwas gegen mich. Die moderne Psychologie stellt fest, dass "Glückspilze" es häufig schaffen, die Dinge anders zu bewerten. Oder diese Menschen haben die große Fähigkeit, im Unglück positive Elemente herauszugreifen. Darum ging es auch in der Antike: Worauf richte ich meinen Fokus?

Jeder ist also selbst seines Glückes Schmied…

Ceming: Dieser Satz ist sehr ambivalent. Natürlich kann ich Einfluss darauf nehmen, wie ich die Dinge bewerte. Aber wir sind auch eingebunden in Strukturen, die wir nicht beeinflussen können. Und alle Menschen haben unterschiedliche Startbedingungen. Es fällt leichter, Dinge positiv zu sehen, wenn man finanziell abgesichert ist, als wenn man ums Existenzminimum kämpft.

Unsere Gesellschaft ist stark auf Selbstoptimierung ausgerichtet. Da ist dieser Satz eher schädlich, denn wer nicht glücklich wird, ist demnach selber schuld. Man bekommt aber leider nicht jeden Schicksalsschlag mit einem Haltungswechsel in den Griff.

Übrigens war auch unter den antiken Philosophen umstritten, ob der stoische Weise, der seine Gefühle stark kontrolliert, so superglücklich ist. Das Glück kann eine ernste Sache sein. Aber wer zu verbissen danach strebt, der torpediert es oft, weil er das Glück aus dem Blick verliert, das im Augenblick liegt. Ein glückliches, zufriedenes Leben hat viel damit zu tun, die Dinge in Frieden anzunehmen.