Sein Kamel muss der einzige professionelle Weihnachtsmann im Heiligen Land am Jaffator parken, wenn er durch die engen verwinkelten Gassen der Altstadt in "Santa’s House" geht. Wer durch die rote Tür eintritt, findet sich in einer kleinen Märchenwelt wieder: Der Weihnachtsmann sitzt auf einem goldenen Thron, daneben steht ein Weihnachtsbaum. Der Raum ist voller süßer Köstlichkeiten und Weihnachtsspielzeug und an der Wand hängen alte Werkzeuge der Familie, sowie seine Diplome und Zertifikate als Weihnachtsmann.
Issa Kassissieh (42) ist der Mann im Weihnachtsmannkostüm. Der arabische Christ - sein Vorname bedeutet Jesus - empfängt mitten in der Altstadt in dem 700 Jahre alten Haus seiner Familie Kinder und Erwachsene, erzählt ihnen die Geschichte des Weihnachtsmannes, bringt sie zum Lachen, tröstet sie und ermahnt sie auch, wenn nötig: "Ich will den Kindern Liebe und Freude bringen und den Erwachsenen sagen, lebe im Moment, lebe im heute mit Freude." Diese Botschaft verkörpert Issa auch ohne Kostüm. Wer dem fast 1,90 großen ehemaligen Profi-Basketballspieler in seinem roten Sweatshirt und dem schwarzen Naturvollbart gegenübersitzt, dem wird es warm ums Herz.
12.000 Kinder besuchten ihn laut eigenen Angaben letztes Jahr und normalerweise würden sich auch jetzt um diese Zeit die Touristen massenweise durch die Altstadt schieben und Schlange stehen vor Santas Haus. Dieses Jahr ist es aufgrund der Reisebeschränkungen sehr ruhig. Zu tun hat der Jerusalemer "Santa" dennoch eine Menge. Anfang Dezember schickte er in einem Video Weihnachtsgrüßen mitten vom Toten Meer aus.
Das Video verbreitete sich viral auf der ganzen Welt. Seither läuft sein Telefon heiß mit Interviewanfragen, Wünschen und Grüßen. Der umtriebige Issa probiert gerne immer wieder neue Dinge aus und so hatte er dieses Jahr die Idee, im Toten Meer für kurze Zeit einen Weihnachtsbaum zu "pflanzen". Für ihn ein Symbol des Lebens in einer lebensfeindlichen Region, in der nichts von alleine wächst. Seine Aktion sollte den Menschen auf der ganzen Welt Mut machen in diesen schwierigen Zeiten. Unterstützt wurde er vom Ministerium für Tourismus in Jerusalem, mit denen er seit Jahren eng zusammenarbeitet.
Weihnachtsmann mit Diplom
Schon als Kind träumte Issa davon, den Weihnachtsmann persönlich kennenzulernen. Lächelnd erzählt der diplomierte "Santa" heute von den nicht so ganz gelungenen Versuche seines Vaters, in diese Rolle zu schlüpfen. Viele Jahre später fand er das Kostüm in einem alten Schrank. Es war ihm zwar viel zu klein war, aber ausschlaggebend für seine Karriere, denn es brachte ihn auf eine geniale Idee: Schon lange hatte er als Basketballtrainer und berühmte Persönlichkeit Jerusalems geholfen, Weihnachtsbäume zu verteilen, die die Stadtverwaltung den christlichen Einwohnern Jerusalems zur Verfügung stellt. Das passiert immer kurz vor Weihnachten am Jaffator. Und so erschien er eines Tages dort im roten Weihnachtsmannkostüm: "Und ich sah, dass die Leute plötzlich glücklich waren und riefen, schau mal, da ist der Weihnachtsmann. Und von da an erkannte ich, dass ich Menschen glücklich machen kann und wie."
Im Jahr darauf tauchte er auf einem Kamel auf: "Das ist seit 2000 Jahren das Transportmittel im Nahen Osten und ich wollte unsere alten Traditionen mit meinen Auftreten als Weihnachtsmann verbinden." Ab dem Zeitpunkt war er der "Santa des Heiligen Landes" und wurde zum Star. Nicht nur die Journalisten, auch die Stadtverwaltung in Jerusalems - alle waren begeistert und die Bilder gingen um die ganze Welt. Seitdem wird dieser Auftritt jährlich als Ritual von ihm erwartet.
Dadurch wurden die internationale Weihnachtsmann-Szene auf der ganzen Welt auf den einzigen Weihnachtsmann im Nahen Osten aufmerksam und so wurde er 2016 eingeladen, in der "Santa Claus School" in Denver eine Ausbildung zu machen. Dort lernte er alles über die Geschichte des Weihnachtsmannes, den Nordpol und auch die Legende des heiligen Nikolaus. Zurück in Jerusalem war er so voller weihnachtsmännlicher Energie, dass er auf die Idee kam, aus seinem Haus ein "Santa’s House" zu machen: "Und mein Traum wurde wahr. Santa's House ist im Herzen der Welt, denn Jerusalem ist das Herz der Welt und wenn in Jerusalem Frieden ist, wird auf der ganzen Welt Frieden sein!" Davon ist Issa Kassissieh überzeugt.
Der Weihnachtsmann hat allerdings nicht nur Freunde in Jerusalem. Nicht alle waren begeistert, als er 2017 sein Weihnachtsmannhaus eröffnete. Von den über 900 000 Einwohnern der Stadt sind nur ungefähr 15 000 Christen und so waren nicht alle begeistert, manche sogar richtig schockiert von der Idee. Vor allem Fundamentalisten unter den Gläubigen der anderen beiden Weltreligionen fanden das Weihnachtsmannhaus unpassend und bis heute hört Issa unfreundliche Kommentare. Doch er antwortet ihnen stets mit dem Friedensgruß oder einem "Fröhliche Weihnachten." Die meisten Jerusalemer hat Issa durch seine gewinnende Art umgestimmt und er erzählt Issa den Jerusalemer Nachbarn vom Weihnachtsmann und je mehr sie über ihn lernen, desto mehr akzeptieren sie dieses Haus.
Inzwischen kommen neben christlichen Familien auch jüdische und muslimische zu ihm und auch Menschen ohne Religion, einfach weil sie begeistert sind von der märchenhaften Atmosphäre des Hauses und von der Persönlichkeit, die in dem Kostüm steckt. Wenn Issa nicht auf seinem goldenen Thron im “Santa’s Hauss“ sitzt, geht er in arabische Schulen, Krankenhäuser und besucht schwerkranke Kinder: „Wir dürfen niemanden vergessen und ich will ihnen allen viel Liebe geben.“
Santa-Parade in Jerusalem
Inzwischen ist Issa auch voll integriert in der internationalen Weihnachtsmannliga. Er ist oft in Amerika und auch beim Weltkongress der Weihnachtsmänner in Dänemark und voller Stolz erzählt er, dass er seit kurzem den Titel "Weihnachtsmann-Botschafter des Heiligen Landes" trägt. Als solcher hatte Issa Anfang Januar 2020 über 50 Weihnachtsmänner von China bis Amerika und auch aus Deutschland ins Heilige Land eingeladen. Es gab eine Parade und sie pilgerten durch Jerusalem, Nazareth und Bethlehem. Doch zur Zeit sind natürlich auch die Reisen der Weihnachtsmänner durch Corona sehr eingeschränkt und Issa hofft , dass das nächste geplante Treffen Anfang 2021 -"mit Gottes Hilfe"- in Jerusalem stattfinden kann.
Wie Weihnachten in Bethlehem dieses Jahr aussehen wird, weiß sogar noch nicht einmal der Weihnachtsmann von Jerusalem und ob er überhaupt dorthin fahren kann, wie jedes Jahr. Und deshalb sendet er seine Botschaft schon jetzt an die ganze Welt: " Ho, ho, ho from the Holyland - Glück, Liebe und Frieden."