"Cinderella" aus Syrien, "Aladin und die Wunderlampe" aus dem Irak oder "die drei kleinen Ferkel" aus Rumänien - Frauen aus aller Welt, die aus unterschiedlichen Gründen nach Deutschland gekommen sind, erzählen Märchen, die sie aus ihren Heimatländern mitgebracht haben. Das dicke Märchenbuch gibt es schon seit 2017: "Märchen aus 1001 Land", heißt das Gemeinschaftsprojekt der Nürnberger Dekanatsfrauenbeauftragten und der Asyl- und Flüchtlingsberatung der Stadtmission. Weil sich die Blinden- und Sehbehindertenseelsorge (bss) der Evangelischen Landeskirche Bayern dafür eingesetzt hat, ist es nun auch als Hörbuch erhältlich.

"Märchen sind eine Sprache, die weltweit gesprochen und verstanden wird", erklärt Gerda Fickenscher, die als Frauenbeauftragte des Dekanats Nürnberg das Projekt mitgestaltet hat. In der breiten Vielfalt von Märchen, den jahrhundertealten, tradierten Schätzen einer Kultur, ließen sich viele Gemeinsamkeiten entdecken - Zusammenhänge, die weit über Ländergrenzen hinweg reichten. "Und die Grenzen in den Köpfen überwinden", sagt Fickenscher. "Uns verbindet mehr, als wir manchmal glauben." Das Märchenbuch ermögliche es, verschiedene Kulturen kennenzulernen:

"Die eine Welt, bunt, lebendig, verbunden."

In der gedruckten Ausgabe stellen 33 Frauen ihre Heimatländer vor, dann sich selbst mit einer knappen Biografie. Im Anschluss erzählen sie, zunächst auszugsweise in ihrer jeweiligen Muttersprache, ein Märchen, an das sie sich gerne erinnern, das sie mitgebracht haben bis nach Deutschland, und das sie teilen möchten. Für das Hörbuch konnte die evangelische Blinden- und Sehbehindertenseelsorge in Bayern elf dieser Frauen ans Mikrofon holen. Acht Monate lang wurde an der Vertonung des dicken Märchenbuchs gearbeitet, damit schließlich auch Blinde und Sehbehinderte teilhaben können an der fantastischen Reise durch märchenhafte Welten.

"Das war ein langer Weg für uns, aber es hat sich gelohnt", sagt Jutta Silberhorn. "Die CD ist wirklich wunderschön geworden!" Bei einem Freizeitangebot der bss habe Silberhorn in abendlicher Runde immer wieder Märchen aus dem Buch vorgelesen. "Das hat so großen Anklang gefunden, dass der Wunsch aufkam, das ganze Buch zugänglich zu machen". Das originale Schriftbild der Landessprachen kann so zwar nicht dargestellt werden. "Dafür haben die Hörer aber die Chance, den ungewohnten Sprachmelodien zu lauschen", sagt Silberhorn.

 

Kristina Kipke hat das Märchen vom "Baumwollmädchen" eingesprochen. Die Sozialpädagogin hat Wurzeln in Kasachstan - dort hat sie als Kind die besondere Geschichte gehört, die sie bis heute im Herzen trägt: "Das Baumwollmädchen und die Katze sind Freunde", liest sie. Beide verstricken sich in einen besonderen Tauschhandel. Die Katze will Milch. Also begibt sich das Mädchen auf eine Reise quer durch das Dorf, handelt mit Mensch und Tier und sogar Pflanze, bis sie schließlich das erhält, was sie braucht - und was die Katze will. "Das ist eine sehr lustige Geschichte", sagt Kipke. "Auf Kasachisch kann ich sie immer noch auswendig."

"Märchen aus 1001 Land": Geschichten, die ein gutes Ende finden

"Doch wieso eigentlich Baumwollmädchen?", will ein interessierter Zuhörer bei einer Lesung wissen. Die Antwort darauf scheint ein Märchen aus einem anderen Land zu liefern: die "Baumwollprinzessin" heißt in der Türkei die junge Frau, die in Deutschland als "Schneewittchen" bekannt ist. "Vielleicht geht es einfach um ein Schönheitsideal. Auch Baumwolle ist hell, weiß und glatt", vermutet eine Frau mit Wurzeln im Iran, der das Motiv der Baumwolle auch in ihrer Heimat schon begegnet ist. "Man erfährt immer etwas Neues", sagt Jutta Silberhorn und strahlt. Andere Kulturen kennenzulernen, ganz einfach über das Lesen - und vor allem Hören - fantastischer Märchen, sei schließlich die Idee hinter dem besonderen Projekt.

"Ich bin Märchenliebhaberin", sagt Nihal Toptas, die seit 30 Jahren in Deutschland lebt. Auch sie hat der CD-Produktion ihre Stimme geliehen. Die Erzieherin liest "das Töpfchen", ein Märchen aus der Türkei. Mit den Worten "Es war einmal und es war auch nicht" beginnt die Geschichte eines armen Mädchens, das auf dem Basar - gegen die Anweisungen ihrer Mutter - nicht die benötigten Nahrungsmittel, sondern einen hübschen kleinen Topf erwirbt.

Die Mutter ist entsetzt und wirft den Topf kurzerhand auf die Straße. Doch auch diese Geschichte - wie sollte es anders sein - findet ein gutes Ende. Der Kauf erweist sich als Glücksgriff. Das sprechende Zaubertöpfchen bringt Mädchen und Mutter auf magische Weise allerlei Kostbarkeiten ins Haus. Ein Happy End - typisch Märchen eben.

INFO: Die CD kostet 10 Euro und kann bei der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge (info@bss-bayern.de) bestellt werden.