In einem Spielzeugmuseum freuen sich Besucherinnen und Besucher über Teddybären, Puppenküchen und Modellbahnen. Kann man ihnen zwischen nostalgischen Spieluhren und Barbiepuppen mit Themen wie weißer männlicher Dominanz, Kolonialgeschichte und Sklaverei kommen? Die Leiterin des Nürnberger Spielzeugmuseums Karin Falkenberg und ihr Team finden, dass man das muss. Mitten in die Hauptausstellung hat man acht Objekte gestellt, die anders sind: verändert und mit viel erklärendem Text versehen.
Der Impuls dazu kam vor drei Jahren von der schwarzen amerikanischen Touristin Adwoa Mtongo, die sich aufgewühlt an der Kasse beschwerte: "Sie stellen rassistisches Spielzeug aus. Dieses Objekt verletzt mich und alle Menschen mit afro-amerikanischen Wurzeln". Ihren Ärger erregt hatte "Coon Jigger", ein Blechspielzeug zum Aufziehen. Den schlaksigen schwarzen Mann aus Alabama kann man mittels eines Federantriebs zum Tanzen bringen.
"Coon" ist in den USA eine heute nicht mehr sehr geläufige Beleidigung für einen Menschen schwarzer Hautfarbe. Das Blech-Ding, ein Spielzeug für weiße Kinder, ist ein Relikt aus der Sklaverei-Geschichte. Aber die traumatischen Erlebnisse der Kolonialgeschichte und der Sklaverei, die die empörte Reaktion der amerikanischen Besucherin auslöste, können weiße Menschen nicht nachvollziehen, stellt Falkenberg fest. "Wegen unserer unterschiedlichen Erfahrungen haben wir einen anderen Blick", ergänzt bei der Ausstellungseröffnung Alexandra Conrads vom Beratungsbüro Diversity Works, das das Museumsteam für das Thema sensibilisiert hat und dann das Entstehen der Ausstellung begleitet hat.
Bei einem Gang durch die Sammlung des Nürnberger Spielzeugmuseums entdeckte man schwarze Puppengestalten, denen man die Stereotype ganz schnell ansieht, oder Sparbüchsen, die auf das Klischee vom gierigen ehemaligen Sklaven anspielen. 70 Objekte wurde ausgemacht, die rassistisch oder problematisch sind, acht sind in der Sonderschau zu sehen.
Da man Vorurteile mit dem Hervorholen der rassistischen Objekte nicht wiederholen und verfestigen wollte, so Kuratorin Mascha Eckert, war die Lösung ein spielerisches "Empowerment" der problematischen Spielzeuge. Andererseits will man die klischeehaften, stereotypen oder beleidigenden Sammlungsgegenstände nicht entfernen, weil man der Historie verpflichtet sei. Daher wurden sie so umgestaltet oder eingebettet, dass sie selbst für ihre Rechte eintreten.
Rassismus und Vorurteile bei der Spielzeugherstellung
So kickt beispielsweise der "Schwarze Peter" aus dem Kartenspiel ein Kartenhaus mit einem schwungvollen Tritt um. Einer schwarzen Puppe mit Lendenschurz (gekauft im Jahr 2020) haben Zeichnerinnen im Ausstellungsteam zahlreiche neue Kleider und Frisuren geben. Die tanzende, aufziehbare Blechfigur "Coon Jigger" wirft ihren Aufziehschlüssel weg.
Das Spielzeugmuseum wird in den kommenden Jahren komplett umgebaut, will sich zu einem "emotionalem Weltmuseum" entwickeln. Dabei soll unter dem Motto "Eine Ecke weiterdenken" die bisherige europazentrierte Sichtweise hinterfragt werden, problematische Objekte nicht mehr unkommentiert zu sehen sein, erklärt Falkenberg.
Man will darüber aufklären, wo Stereotype ihren Ursprung haben oder welche Bedeutung der Kolonialismus für die deutsche Gesellschaft hat. In den Lehrplänen der Schulen werde der nur am Rande behandelt, stellt Eckert fest.
Eckert ist sich darüber im Klaren, dass ein Anti-Rassismus-Projekt gerade im Spielzeugmuseum nicht überall auf Begeisterung stößt. Aber, gibt sie zu denken, "auch Spielzeug ist nicht unschuldig" - gerade wenn es schwarze Menschen mit schmerzvollen Erfahrungen konfrontiere.
Spielzeugmuseum thematisiert dunkle Seiten der Produktion
Natürlich könne man auch weiterhin durch das Spielzeugmuseum gehen "und sich nette Sachen anschauen und in Erinnerungen schwelgen", stellt die Kuratorin fest. Aber die Ausstellung habe auch das Potenzial, Menschen die Augen zu öffnen, die sich auf das Projekt einlassen.
Eckert denkt da auch an die Leute, die der festen Überzeugung seien, sie betreffe Rassismus nicht, weil für sie alle Menschen gleich seien. "Das wäre schön, wenn es so wäre, aber das ist nicht die Realität", stellt die Museumswissenschaftlerin und europäische Ethnologin fest. Wer beispielsweise am N-Wort festhalte, obwohl er wisse, dass es schwarze Menschen verletzt, reproduziere Rassismus.
Das Nürnberger Spielzeugmuseum erklärt, was rassistisch ist und leiste damit "Pionierarbeit", sagt der Anti-Rassismus-Berater des Museums, Jürgen Schlicher von "Diversity Works". Weltweit hätten die Museen das Problem, dass sie Stereotype und Rassismus nicht reproduzieren wollten. Nun sei einmal ein Impuls gesetzt, wie diese Häuser mit dem Problem umgehen könnten.