Paul will nicht so recht weg von seinen Artgenossen. Der 13-jährige Leonhardt muss schon ein wenig an dem Hausschaf ziehen, bis es ihm zum Anhänger folgt. Wenn Schafhalter Markus Metzger, Leonhardts Vater, drei, vier seiner Tiere auf den kleinen Anhänger mit dem Stahlgitter verlädt, wissen die, es geht los. Metzgers Schafe sind quasi berufstätig.

Der 49-Jährige hat insgesamt 85 Ziegen und Schafe, er kennt seine Tiere, viel mehr möchte er nicht haben. Mit "fast schon industrieller Schafzucht" von Herden bis zu 1.500 Tieren wolle er nichts zu tun haben, sagt er. Leonhardt, der den Tieren ihre Namen gibt, stimmt ihm zu. "Das ist zu viel", sagt er. Und schiebt hinterher, dass er die Ziegen lieber mag als die Schafe:

"Die sind lustiger und intelligenter."

Herde für die Weidehaltung

Der weiß-schwarze Border Collie Abby treibt die Herde am Rande der Wiese in Rödermarks Stadtteil Ober-Roden in Hessen zusammen, während Herdenschutzhund Emil, ein großer, heller Pyrenäenberghund, gemütlich im Gras liegt. Als die Ziegen und Schafe im Pferch stehen, schaut Metzger hier nach einer Klaue, inspiziert dort eine Nase.

"Die Tiere schubsen sich, da gibt es auch mal kleine Verletzungen. Die muss ich dann versorgen."

Metzger schlachtet auch, aber das Geschäft mit den Osterlämmern ist nicht sein Haupterwerb. Er beschäftigt sich vorrangig mit Weidehaltung und Naturpädagogik. Behörden bitten ihn etwa um die Beweidung von schwierigen Flächen. Das können Waldränder sein, bei denen es darum geht, den Wald offen zu halten und invasive Pflanzen zurückzudrängen. Je nach Pflegeziel entscheidet er, ob Ziegen oder Schafe besser geeignet sind. Während sich die Schafe auf das Gras konzentrieren, fressen die Ziegen auch schon mal an der Rinde von Bäumen und Sträuchern oder nagen Knospen ab.

Der ausgebildete Tierwirt vermietet die Tiere auch tage- und wochenweise an Facility-Unternehmen, die für ihre eigenen Kunden Wiesen, Böschungen oder große Rasenflächen pflegen müssen. "Es gibt Gelände, da sind die Schafe unschlagbar", sagt Metzger. Wenn etwa ein mit großen Steinen bestücktes Wiesengelände etwas steiler abfällt, sei das von Hand schwierig zu mähen.

Den Schafen ist das egal. Sie laufen umher und knabbern dort am Gras, wo sie es finden. Für die Eigentümer der Grundstücke sei es günstiger und ökologischer, Schafe fressen zu lassen, statt Menschen mit Maschinen in das Gelände zu schicken.

Schafe gelten den Menschen seit Tausenden von Jahren als genügsam, leicht zu zähmen und als guter Lieferant für Wolle, Milch und Fleisch. In der Bibel kommt das Tier rund 140 Mal vor. In der christlichen Ikonographie ist das Lamm Gottes ein Symbol für Christus. Oft trägt es ein rotes Kreuz auf weißem Grund, eine Siegesfahne, die für die Auferstehung an Ostern steht, für den Sieg Christi über den Tod, wie Pfarrerin Karin Becker aus Wackernheim erklärt.

Jesus ist aber nicht nur Lamm, sondern auch Hirte. In der Bibel heißt es:

"Ich bin der gute Hirte und kenne die Meinen, und die Meinen kennen mich". (...) Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir." (Johannes 10,14 und 27)

Theologin Becker hat ein besonderes Verhältnis zu Schafen: Bis vor einigen Jahren besaß sie selbst eine Schafherde mit rund 30 Tieren, ein Lamm hat sie sogar in ihrer Wohnung aufgezogen. "Schafe sind Persönlichkeiten", sagt sie. Das weiß auch Markus Metzger. Das eine sei stur, das andere neugierig, manche seien zutraulich, andere hielten Abstand.

Auf die Idee, seine Schafe zu vermieten, kam er, als ein Spaziergänger beim Anblick seiner Herde grinste und sagte, die könne er mal in seinem Garten gebrauchen. Der Schafhalter formulierte ein Angebot und setzte es auf seine Homepage. "Es kamen Anfragen aus ganz Deutschland", erinnert er sich noch immer staunend.

Schafe mieten

Er hat sich aber einen engen Radius im Rhein-Main-Gebiet gesetzt. Zunächst gehörten auch Familien zu seinen Kunden. "Die fanden das schön, mal für ein, zwei Wochen Schafe im Garten zu haben", sagt er. Aber für ihn habe sich das nicht gerechnet, Aufwand und Ertrag hätten in keinem Verhältnis zueinander gestanden.

Metzger hat regelmäßig Besuch auf seinen Weiden. Kindergruppen kommen vorbei, beschäftigen sich mit den Tieren, streicheln und kraulen sie. Metzger erklärt dann, dass die gedrehten Hörner der Zackelschafe bis zum vierten Lebensjahr jedes Jahr eine Umdrehung zulegen und dass die Tiere einer alten österreichisch-ungarischen Rasse angehören, die vom Aussterben bedroht ist.

Gemeindepädagogin Elke Preising gehörte bis zu einer beruflichen Veränderung zu denjenigen, die mit Kindergruppen bei den Schafen vorbeischauen. Die Kinder im Alter von etwa sechs bis zehn Jahren hätten diese Ausflüge geliebt, erinnert sich Preising an ihre Zeit in der Evangelischen Kirchengemeinde Weißkirchen. "Viele Kinder haben sehr wenig Kontakt zu Tieren", sagt sie. Sie hätten von Metzger wissen wollen, was Schafe fressen, wie lange ein Lamm im Bauch der Mutter ist und ob man auf Schafen auch reiten könne. "Sie durften Ziegen melken und auch mal einem Lamm die Flasche geben", erinnert sie sich. Zum Erntedankgottesdienst kam Metzger in Begleitung eines Schafs und einer Ziege.

Regelmäßig schauen auch die "Paten" einiger Schafe bei den Tieren vorbei. Metzger hält sie ständig auf dem Laufenden, wo sich die Herde befindet. Denn mit der Patenschaft bekommen sie "eine Flatrate für den Schafsbesuch". Sich mit den Tieren beschäftigen, ihnen zuschauen, sie streicheln, "das erdet", ist Metzger überzeugt.