Elf Tage voller Abenteuer und Gemeinschaft auf der traditionellen Zeltlagerinsel des Dekanats Weilheim liegen vor der ersten "Einheit" – zwei weitere werden im Lauf der Sommerferien folgen. Damit am Ende alle mit einem Sack voll toller Erinnerungen heimfahren, stecken Inselchefin Lea Petrat und ihre ehrenamtliche "Mannschaft" von Juni bis Mitte September Herzblut, Leidenschaft und sehr viel Freizeit in die Organisation "auf Libi".
Für Lea Petrat ist es die vierte Saison als Inselchefin.
"Ich liebe Lindenbichl wahnsinnig, das ist mehr als ein Job, das geht nur mit ganz viel Herzblut",
sagt die Diakonin des Jugendwerks Weilheim.
Immerhin verlegt die 32-Jährige ihren Lebensmittelpunkt von Mitte Juni bis Mitte September auf die kleine Halbinsel im Staffelsee bei Murnau in Oberbayern. Privatleben? Fehlanzeige, mit Ausnahme von zehn Tagen Inselurlaub im August. Der Lohn? Arbeiten dort, wo Oberbayern so schön ist, dass es weh tut – und vor allem das Leben mit ihrer "Mannschaft", die für die Chefin durch dick und dünn geht.
26 Ehrenamtliche sorgen für 320 Jugendliche
Die Mannschaft ist das Rückgrat der Insel. Aus einem Pool von über 150 Ehrenamtlichen stellt Lea Petrat – die einzige Hauptamtliche von Libi – jedes Jahr die 26 Leute starken Truppen für die drei Haupteinheiten im Sommer sowie die Teams für die Vorbelegungen an den Wochenenden im Juni und Juli zusammen.
26 junge Frauen und Männer schmeißen den Laden für 320 Inselgäste? Das geht nur mit einem jahrelang gewachsenen System samt Geheimsprache, in der GOs und Kreas, VDs und Labertreffs eine Rolle spielen.
Das erste Zeltlager auf der Halbinsel fand 1952 unter einfachsten Bedingungen stand. Die Zelte stammten aus Armeebeständen, statt fester Klohäuschen gab es nur Donnerbalken, und die Küche servierte Brot, Käse und Wurst. Heute gibt es mehr Komfort, aber auch mehr Regeln.
Inselfreiheit hin, Zeltlageranarchie her: Inselchefin Lea Petrat muss eine lange Liste an Vorschriften einhalten – von Notfallmanagement über Küchenvorschriften bis zu Hygieneparagrafen. "Die Putzlappen, die wir im Sanitärbereich verwenden, sind zum Beispiel gelb, die in der Küche grün und blau – so gibt es keine Verwechslungen", zählt sie auf. Dreimal am Tag werden die zehn Inselklos geschrubbt und alles desinfiziert, um Keimen den Garaus zu machen.
Pläne und Listen für reibungslosen Ablauf
Doch bei der Lappenfarbe hört die Logistik noch lange nicht auf. Pro Lager muss ein Leiter an einem Rettungsseminar teilnehmen, es gibt ausgeklügelte Warnsysteme bei Sturm oder Gewitter, die lässigen Männer und Frauen im Sani-Team sind auch im echten Leben Medizinstudenten, Rettungssanitäter oder Kinderärzte.
Bei Rettungssanitäter Tillmann Springer schlagen pro Tag etwa zehn Kinder auf mit Muschelschnitten an den Füßen, einem Bienenstich, einer Verbrennung durch heißen Tee oder einem umgeknickten Fuß, weil jemand beim legendären Inselspiel "Rounder" – einer Art abgewandeltem Baseball – gestolpert ist. "Was Schlimmes passiert selten", berichtet der 21-Jährige.
Fluchtpläne regeln Evakuierung bei Sturm
Kritisch seien allerdings Asthma-Anfälle oder allergische Reaktionen. Wenn es schnell gehen muss, rufen die Sanis die Wasserwacht. Viel häufiger sind aber Evakuierungen wegen Sturm oder Gewitter. "In jedem Leiterzelt hängen Fluchtpläne, die regeln, welches Lager in welchem Aufenthaltszelt unterschlüpft", erklärt Tillmann.
In den elf selbstständigen Insellagern schlafen zwischen 18 und 32 Kinder von 9 bis 13 Jahren auf Feldbetten in den großen weißen Zelten. Die Gruppen kommen aus Weilheimer Gemeinden genauso, wie aus München oder sogar Kaufbeuren und Landshut. Damit auf der Insel die Kommunikation klappt, gibt es die GOs genannten "Großorganisatoren" – eine Art mittlere Ebene, die das Scharnier bildet zwischen Inselchefin und Lagerleitern.
Der Krea ist zugleich Ort und Person: In einem Bastelschuppen hinter den Sanitäranlagen können Kinder kreativ werden. Der Krea-Beauftragte merkt dabei schnell, wenn ein Kind Heimweh hat oder in seinem Lager keinen Anschluss findet. Beim Labertreff, zu dem sich mittags Mannschaft und Leiter treffen, werden solche Fälle besprochen und nach Lösungen gesucht.
Der VD schließlich bereitet als "Verkündigungsdienst" die täglichen Morgentreffs und den Sonntagsgottesdienst vor – frisch komponiertes Inselliedgut inklusive.
Zentraler Teil: Das Küchenteam
Doch ohne gutes Essen wären all diese Bemühungen umsonst. Zentraler Teil der Mannschaft ist deshalb das Küchenteam: Sechs Leute sorgen pro Einheit dafür, dass um 12 Uhr mittags 340 Schnitzel oder 340 Portionen Knödel mit Rahmschwammerl fertig sind.
"Sobald das Frühstück vorbei ist, sitzen hier 15 Leute am Tisch und schnibbeln",
sagt Lukas Ritz, der seit elf Jahren "auf Libi" fährt und schon mehrere Jahre Erfahrung als Küchenchef hat.
Die Gerichte sind allesamt erprobt, und neue Speisen werden erst in den Vorbelegungen getestet, bevor sie ins Hauptprogramm aufgenommen werden – "damit es kein Desaster gibt", sagt der 27-jährige Student der Bildungs- und Erziehungswissenschaften. Als Notfallessen seien immer Nudeln mit Soße eingelagert, falls in der Küchen etwas grandios schief geht. "Aber das habe ich noch nicht erlebt", sagt der bärtige junge Mann trocken.
Seine Kollegin Vroni Borowsky erklärt die Besonderheiten der Lagerküche: "Wenn wir Rahmschwammerl machen, dann gibt es eine lange Tafel, an der die Knödel gerollt werden - die müssen alle Normgröße haben, damit sie gleichzeitig fertig werden." Gewürzt werde nicht in Prisen, sondern gläserweise.
"Und auf die Pfeffermühle haben wir einen Akkuschrauber montiert",
sagt die 23-jährige Psychologiestudentin.
Eine besondere Herausforderung sei das Thema "Allergien". Ein Mitglied der Küchenmannschaft ist nur für die Mahlzeiten jener Kinder zuständig, die eine Nussallergie haben, eine Laktose- oder Fruktoseintoleranz oder die vegetarisch essen. "Da baut man dann seine Station auf, arbeitet nach Liste und versucht den Überblick zu behalten", sagt Lukas. Das sei ein großer Aufwand, aber, sagt er mit leisem Stolz: "Wird alles gemacht".
So wichtig die Küche ist – ohne Boot wäre sie auf Libi aufgeschmissen. Schließlich müssen die 40 Gläser Nutella, die 32 Kilo Brot oder 400 Semmeln für jedes Frühstück und alle anderen Zutaten irgendwie auf die Insel kommen. Das Moor im Hinterland der Halbinsel ist als Naturschutzgebiet unpassierbar. Also gibt es pro Einheit zwei "Bootsies", die für Nachschub sorgen.
Philipp Borsdorf ist einer der Seemänner, die die neue "Titanic" bei fast jedem Wetter über den See steuern. Mindestens zweimal pro Tag wirft er den Motor an und noch viel öfter, wenn gleichzeitig Getränke, Obst und Käse aus sind und der Müll weggebracht werden muss.
Der 27-jährige Schreiner – der übrigens auch Lea Petrats Chefstuhl gebaut hat – ist seit 19 Jahren auf Libi dabei, die ersten Jahre als Teilnehmer, mit nahtlosem Übergang ins ehrenamtliche Team.
"Das ist so sauschön hier, eine herrliche Gemeinschaft, das Essen der Oberwahnsinn. Hier kann man Kind sein, Spaß haben, faul sein, die Akkus aufladen",
begründet er sein jahrelanges Engagement.
Lindenbichl: Hotspot für Kirchenbindung
Biografien wie die von Philipp zeigten, dass die Insel ein Hotspot kirchlicher Sozialisation sei, sagt Lea Petrat. Das interessiert auch die Strategen im Landeskirchenamt, weshalb sich kurz vor den Sommerferien das "PuK"-Büro auf den Weg gemacht hat, um das Phänomen Lindenbichl zu studieren.
Kreuz als Mittelpunkt der Insel
"Das Kreuz ist der Mittelpunkt von Libi", sagt die Diakonin. Am ersten Abend werde es mit der Bitte um eine gute Saison aufgestellt und erst am letzten Abbautag wieder entfernt. "Den Kindern sagen wir immer:
"Das Kreuz ist wie ein Stöpsel. Wenn wir den rausziehen, dann versinkt die Insel im See, weil sie Luft verliert",
sagt Lea Petrat mit einem Lächeln.
Dabei ist das vielleicht das größte Geheimnis der Insel: dass aus Libi nie die Luft raus ist.
Im August erwartet die Mannschaft dann nochmal hohen Besuch: Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm ist zu Gast auf der Insel. Und auch ihm wird Lea Petrat mit Sicherheit die Geschichte des Kreuzes erzählen, das neben der hundertjährigen Eiche auf dem höchsten Punkt der Insel steht.
TV-Tipp: Kirche in Bayern
Das ökumenische Fernsehmagazin "Kirche in Bayern" läuft immer sonntags auf den bayerischen TV-Regionalsendern – unter anderem um 15.30 Uhr auf münchen.tv und um 18.30 Uhr bei Franken Fernsehen. Weitere Sender und Sendezeiten finden Sie unter www.kircheinbayern.de/ausstrahlung.