Nach vielen Jahren des Wartens gibt es nun ein erstes Konzept für einen Erinnerungsort auf dem Hesselberg. "Je weiter entfernt sich ein Betrachter vom Hesselberg aufhält, umso klarer sieht er die nationalsozialistische Verstrickung des Bergs - wer näher dran ist, sieht mehr andere Facetten des Bergs", sagt der Geschäftsführer des Bündnisses für Toleranz in Bayern, Martin Becher.

Becher leitet die Steuerungsgruppe für ein Gesamtkonzept für den Erinnerungsort Hesselberg und mahnt, dass die "Ferneinschätzung" immer noch durch den "Frankenführer" Julius Streicher geprägt sei.

"Wir dürfen nicht zulassen, dass Streicher das letzte Wort hat - das letzte Wort sollte die heutige Generation haben, die sich reflektiert mit dieser Geschichte auseinandersetzt",

sagte Becher dem Sonntagsblatt.

Ideen für Erinnerungsort vorgestellt

Im Evangelischen Bildungszentrum (EBZ) auf dem mit 689 Meter höchsten Berg Mittelfrankens hat die Steuerungsgruppe am Dienstabend der Öffentlichkeit ihre Ideen für den Erinnerungsort vorgestellt, der unter der Überschrift "Denkmallandschaft" stehen soll. Die Zeit des Nationalsozialismus, in der von 1933 bis 1939 jeden Juni die propagandistischen "Frankentage" wohl bis zu 100.000 Menschen anzogen, wird im Zentrum stehen. Aber auch der "uralte Kulturplatz, der zu allen Zeiten auf die Leute Faszination ausgeübt hat", wie es der Historiker Thomas Greif beschreibt, soll beleuchtet werden.

Greif hat mit seiner Dissertation "Frankens braune Wallfahrt - Der Hesselberg im Dritten Reich" im Jahr 2007 gezeigt, welche Rolle der Hesselberg vor allem als Schauplatz der "Frankentage" spielte. Gauleiter Streicher sah sich dort als "Prophet des Führers" auf einem "Heiligen Berg". Greif entdeckte, dass dieses Kapitel bislang "beschwiegen" worden war. Er habe aber nach seiner Veröffentlichung auch erlebt, dass ungezählte Menschen neugierig waren. Sie kamen auf ihn zu mit der Frage, warum man auf dem Berg selbst nichts über diese Geschichte erfahre, erzählte Greif.

Kein Bauer wählt mehr braun

Nun liegt nach vielen Jahren als Antwort auf diese Frage ein Entwurf für einen Erinnerungsort vor, den der Leiter des EBZ, Pfarrer Christoph Seyler, für "angemessen und zukunftsweisend" hält. Denn das Konzept erzählt auch, dass hier schon 1951 die Landvolkshochschule mit dem Leitsatz "Kein Bauer wählt mehr braun" gegründet worden war.

"Damals hat der Landeskirchenrat schon die Verantwortung gesehen",

sagte Seyler.

Menschen, die in Zukunft auf dem Berg unterwegs sind, sollen zunächst digital in der Landschaft an wichtigen historischen Orten Informationen über Denkmäler, historische Spuren und legendäre Orte wie etwa den "Gustav-Adolf-Felsen" erhalten. Oder sie erfahren von der geplanten "Adolf-Hitler-Schule" gigantischen Ausmaßes, die wegen des Kriegsbeginns nicht gebaut wurde.

Längerfristig will man mit den anderen Akteuren, den politischen Gemeinden oder Umweltverbänden, den "Schilderwald" auf dem Berg bereinigen, wie Jochen Ramming erklärte, der mit der Ausarbeitung des Konzepts beauftragt ist. 46 Tafeln hat er bisher entlang der Wege entdeckt, die von seltenen Pflanzen oder Gesteinsschichten berichten oder auf den Bauernkrieg hinweisen. Diesen Schildern wolle man keine weiteren hinzufügen.

Wie der Berg evangelisiert wurde

Zweites Modul des Konzepts: Innen im EBZ soll eine Dauerausstellung entstehen, die mit dem Schwerpunkt auf das 20. Jahrhundert unter anderem beschreibt, wie die NSDAP den Ort für Propagandazwecke kaperte. Wie der Berg evangelisiert wurde und welche Rolle der Natur- und Umweltschutz sowie der Tourismus spielen, soll ebenfalls verhandelt werden. Damit würden Grundlagen auch für die künftige Arbeit im EBZ geschaffen, erklärte Seyler. Mit Seminargruppen oder Schulklassen könne man beispielsweise das Thema Menschenwürde bearbeiten.

"Dass ein Wort der Hetze und der Gewalt nicht harmlos in sich bleibt, sondern sich auswirkt, kann man so bewusst machen",

sagte Seyler.

Der Arbeitskreis, der sich seit 2019 mit den Plänen für die "Denkmallandschaft" befasst, ist mit der evangelischen Landeskirche ebenso vernetzt wie mit dem bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus, von dem man auch offiziell beauftragt ist. "Optimistisch geschätzt", so Ramming, könnten alle Teile des Konzepts - Ausstellungen, digitale Infopoints und Tafeln in der Landschaft - im Jahre 2025 realisiert sein.