Damals verbrachte der junge Günther Hießleitner einige Semester in Nürnberg, um Sozialpädagogik zu studieren. Die maßgeblichen Männer des dortigen literarischen Worts lernte er kennen, Fitzgerald Kusz und Ludwig Fels. Dann zog es ihn wieder in sein Heimatdorf bei Heilsbronn, nach Weißenbronn. Dem ist er bis heute verbunden, sodass sein Debüt-Buchtitel "Ortswechsel" anscheinend eine große Lebensausnahme markierte.

Dann folgten die Gedichtbände Schlag auf Schlag, ja in einem regelrechten … – Zwanzigjahresturnus. Ende des Jahrtausends bekannte er sich zu seiner ländlichen Herkunft. "Eipflanzd und Worzln gschloong" hieß das Lyrikwerk, das damals schon in zwei Auflagen gedruckt wurde. Und ziemlich genau weitere zwei Jahrzehnte später liest es sich, als würde Hießleitner immer noch zwischen Großstadt- und Dorfexistenz abwägen. Ende letzten Jahres erschien im Verlag ars vivendi in Cadolzburg "Alles hadd sei Zeid", abermals ein Buch mit mittelfränkischen Versen.

Was sagt der Chef dazu?

Bei solch einer ruhigen Taktzahl im Publikationsrhythmus erübrigt sich beinahe die Frage, ob Hießleitner bei seinem Arbeitgeber die Erlaubnis zu einem Nebenerwerb einholen musste. Alle 20 Jahre eine literarische Buchveröffentlichung, das wird ja wohl erlaubt sein.

Das ist es auch, und mehr als das. Hießleitners Chef, der Neuendettelsauer Diakonievorstandsvorsitzende Mathias Hartmann, verschenkt "Alles hadd sei Zeid" regelmäßig zu den Geburtstagen der leitenden Kräfte in der Diakonie.

Tatsächlich bereitet der Titel des Gedichtbands gut auf den Inhalt vor, und das auf mehreren Ebenen. Zum Beispiel braucht es seine Zeit, bis der unvorbereitete Leser sein inneres Ohr auf diese Art von Lyrik eingestellt hat. Die kommt unverkennbar modern daher, reimt sich nicht, hat sehr kurze Zeilen. Da fällt der Gedichtskeptiker schnell auf den Gedanken: Hätte Hießleitner jede Zeile von links bis rechts komplett vollgeschrieben, dann hätte er das Papier viel effektiver genutzt.

Man sollte sich Zeit dafür nehmen

Soweit die Skeptiker. Die Gedichtliebhaber tun im Falle Hießleitner wie – bei zahlreichen anderen Lyrikern auch – gut daran, wenn sie die Anregung der Skeptiker aufgreifen und tatsächlich einmal jede poetisch umgebrochene Strophe wie einen prosaisch geschriebenen Satz auffassen und auch genau wie in einer Alltagssituation betonen. Einfach damit man die Aussage hundertprozentig versteht. Dann kehrt man zu dem gedruckten Umbruch – also dem mit den kurzen Zeilen – zurück und liest das ganze Gedicht noch einmal.

Siehe: Dann, wenn man sich "Zeid" für solch ein Werk genommen hat, dann spricht es auch in seiner eigenen Intensität zu uns, den Lesern.

Dieses schriftliche Kunstmittelfränkisch steht nicht in Buchhandlungen zwischen den Seeküsten. Dort könnte es Kopfschütteln und Gedanken an Finnland hervorrufen angesichts der Zeile: "di Vuurnooma verwechseld". Der durchschnittliche Beutefranke wird nur kurz über mögliche Bedeutungen grübeln.

Humor und Tiefgang

Bei aller Moderne in der Form, künstlerische Experimente mit offenem Ausgang macht Hießleitner nicht. Dazu ist er zu sehr, ja voll und ganz seinem Inhalt verpflichtet. Zum Beispiel dem "Gfladder vom erschdn Zidronafalder", aber auch dem nächtlichen Landleben "midd voller Beleichdung vo di großn Bulldogg". Hießleitner besingt die Dörfer von heute, wenn er wohl auch spitzbübisch hinter dem Wortwurm "Schbageddidrächerunderhemmderdla" lauert, ob jeder auch diese Vokabel knackt. Einige Seiten weiter aber beginnt der Buchabschnitt "Schaddn im Finsdern" und damit der große Ernst. Da geht es um Gewalt, Behinderungen, Tod und Schuld. Da schlägt das Mittelfränkische plötzlich ganz andere Untertöne als humoristische an. Aber da bringt Hießleitner auch – für den Schorsch – so etwas wie ein ganz tiefes Glaubensbekenntnis oder jedenfalls eine Glaubenssehnsucht: "amool suvüll Ruh findn in dä Kerch suvül Hald im Glaam wie er".

 

TERMIN & BUCH

Am 17. Juni 2018, 15 bis 15.30 Uhr, liest Günther Hießleitner beim Edzerdla-Festival Burgbernheim auf der Streuobstbühne. Dieser zweite Festivaltag dauert von 10 bis 21 Uhr und kostet 35 Euro Eintritt: www.edzerdla.de

Das Buch "Alles hadd sei Zeid" ist 133 Seiten stark und kostet 14 Euro: www.arsvivendiverlag.de