Dicht bewaldet ist die Landschaft, aus der mit dem Burgberg und dem Flussplateau der Rosenau einige markante Punkte herausstechen. Zwischendrin schlängelt sich die Pegnitz – noch nicht renaturiert und in den Bahnen, wie sich der Fluss heute im Nürnberger Stadtbild zeigt. Herbert Stahl hat in das etwa drei mal zwei Meter große Modell enorm viele Stunden Arbeit investiert. „Ich wollte zeigen, wie die frühmittelalterlichen Siedler im 9. Jahrhundert Nürnberg vorgefunden haben“, erklärte der Landschaftshistoriker.

Und die Umsetzung war eine Sisyphusarbeit. Die ältesten historischen Karten Nürnbergs datieren um 1500. Damals war das Stadtbild zu großen Teilen schon geprägt von Gebäuden, Plätzen, das Umland mehrfach aufgeschüttet. Daher dienten diese Karten lediglich dazu, einige typographische Erkenntnisse zu gewinnen. Aufschlussreicher dagegen ist das, was man in modernen Grabungsberichten findet. „Allein im Jahr 2017 wurden etwa 70 Mal Archäologen hinzu gezogen, wenn bei Bauarbeiten im Stadtgebiet etwas Auffälliges im Ursprungsboden gefunden wurde“, sagt der städtische Archäologe John Zeitler. Aus den Berichten der Forscher setzte Stahl letztlich die Steine seines Mosaiks zusammen.

Sanddünen von St. Lorenz

So war Nürnberg von einem Mischwald geprägt, wie ihn heute Forstwirte wieder empfehlen. Der Burgberg war noch ganz anders beschaffen, wurde von Menschenhand mühsam so hergerichtet, dass man die Burg darauf überhaupt bauen konnte. Rund um die Lorenzkirche fanden sich rund zwei Meter hohe Sanddünen von jeweils etwa 100 Metern Länge. Überbleibsel der letzten Eiszeit, die den Sand hierher geschwemmt hatte. Zudem widerlegen die Forschungen Stahls die ein oder andere Mär, die man sich heute noch zur Entstehung Nürnbergs erzählt. So stellte der Historiker fest, dass der Nürnberger Hauptmarkt und das nahe Augustinerhofareal nicht auf einer Sumpflandschaft gebaut wurde, sondern auf einer Überschwemmungsfläche, die zwischen 1150 und 1170 aufgeschüttet worden war, um trockenes Siedlungsland zu gewinnen.

„Ich gehe davon aus, dass mein Modell zu 80 Prozent dem tatsächlichen Bild um das Jahr 800 entspricht“, sagt Stahl selbstbewusst. Die gewonnenen Daten hatte er zuerst in ein Grafikprogramm am Computer eingegeben und eine virtuelle Welt entstehen lassen, die das Ur-Nürnberg zeigt. Als es dann an die Ausarbeitung zu einem Modell ging, wurden seine Frau und er auch noch zu Handwerkern. Das Modell hat das Paar komplett im Alleingang gebaut. „Etwa 5000 Plastikbäume wurden aufgeklebt“, nennt Stahl nur eine Zahl. In einem nächsten Schritt will er die Landschaft in virtuelle Realität übersetzen lassen, sodass sich Interessierte per entsprechender Brille in das Nürnberg um das Jahr 800 begeben können.

Überrascht habe ihn, wie viele Menschen ungläubig den Kopf schüttelten, denen er von seinem Grundgedanken des Projekts erzählte. „Die meisten wollen Bauwerke sehen, menschengemachtes. Mir ging es aber um den Ursprung unserer schönen Stadt“, so der gebürtige Nürnberger. Zwar war das Areal seit der Jungsteinzeit ab etwa 3800 v. Chr. fast durchgehend besiedelt. Allerdings verließen um 60 v. Chr. die keltischen Siedler Süddeutschland, um vor den von Norden vordringenden Germanen nach Gallien auszuweichen. „Die Germanen wollten es nicht, die Römer auch nicht, also mussten die Nürnberger ran“, bringt Thomas Schauerte launig auf den Punkt, was frühmittelalterliche Siedler auf den sandigen Böden schufen.

Das Modell ist bis zum 21. Oktober zu den Öffnungszeiten des Stadtmuseums zu sehen. Das Begleitprogramm beinhaltet zahlreiche Sonderführungen und Ausstellungen.  Öffentliche Führungen mit Herbert Stahl finden am 9. Juni, 14. Juli, 25. August und 13. Oktober statt. Die Stadtführung beginnt vor dem Geländemodell im Fembo-Haus.