Wie ein Fürst zog Martin Luther am Karfreitag 1530 in Coburg ein: Über 70 »Edelleute« begleiteten den Reformator, außerdem die damalige intellektuelle Crème de la Crème: Seine Mitreformatoren Philipp Melanchthon und Justus Jonas, Johann Agricola und Spalatin, der aus Spalt bei Nürnberg stammte. Die muntere Reisegesellschaft machte sich jedoch bald auf den Weg zum Reichstag nach Augsburg, Luther blieb allein auf der Veste Coburg zurück. Die mächtige Burganlage über der Stadt war der südlichste Punkt des kursächsischen Fürstentums Sachsen, von dem aus der »vogelfreie« und geächtete Luther in Sicherheit den Reichstag verfolgen konnte.

Dem Schutz des Reformators dienten nicht nur die dicken Mauern, sondern auch zwölf Nachtwächter und zwei Türmer. Und auch für das leibliche Wohl des Reformators war ausreichend gesorgt: In den sechs Monaten, die Luther eher unfreiwillig auf der Veste verbrachte, wurden mehr als 25 Eimer Wein konsumiert – obwohl Luther selbst eher dem Bier zugeneigt war. Abwechslung bringen auch immer wieder Besucher. Es kamen vor allem Freunde aus dem relativ nahe gelegenen Nürnberg und die Reformatorin Argula von Grumbach, sodass Luther schon befürchtete, sein Zufluchtsort werde »zu einer allgemeinen Wallfahrt«.

»Ich werde nicht sterben, sondern des Herrn Werke verkündigen.«

Die Besuche konnten aber nicht verhindern, dass Luther durch die ihm aufgezwungene Untätigkeit in eine depressive Grundstimmung verfiel: Magenschmerzen und Ohrensausen machten ihm zu schaffen, die schwarzen Dohlen vor seinem Fenster schlugen ihm aufs Gemüt, außerdem starb während dieser Zeit sein Vater.

Das alles hinderte Luther aber nicht, in der Abgeschiedenheit der Veste wie ein Berserker zu arbeiten. Er übersetzte Teile der Bibel ins Deutsche und dachte intensiv über den 117. und 118. Psalm nach. Vor allem der Psalm 118 – sein Lieblingspsalm – war ihm so wichtig, dass er einen Vers an die Wand schrieb: »Ich werde nicht sterben, sondern des Herrn Werke verkündigen.«

Auf der Veste Coburg verfasste Luther schließlich auch seinen bahnbrechenden »Sendbrief vom Dolmetschen«. Darin begründete er sein Übersetzungsprinzip, man müsse dem Volk aufs Maul schauen. Außerdem schrieb Luther in seinem halben Jahr auf der Veste 120 Briefe, vornehmlich an seinen Mitstreiter Philipp Melanchthon, der die lutherische Sache auf dem Augsburger Reichstag vertrat. Damit wollte Luther dem eher behutsamen und diplomatischen Melanchthon, der »sanft und leise tritt«, den Rücken stärken.

Ein Brief an Hänschen

Auf der Veste Coburg gelang Luther schließlich noch ein ganz großer Wurf: sein Glaubenslied »Ein feste Burg ist unser Gott«, das bald schon zur »Marsel­laise« der Protestanten werden sollte und seinen festen Platz im Gesangbuch hat.

Neben Theologie, hoher Politik und Reichstag fand Luther auch immer wieder Zeit für seine Familie. An seinen vierjährigen Sohn Hans schrieb er einen berührenden Brief. Um sein »Hänschen« zu Gebet und eifrigem Studium anzuregen, stellte ihm sein Vater nicht Strafen und Drohungen vor Augen, sondern gab im Sinne einer humanen Pädagogik einen positiven Anreiz: Denn auf die »braven Kinder« warte ein »Garten mit schönen Äpfeln und Birnen und feinen Pferdchen«, wo sie singen und spielen.

Die Phasen einer fast schon fiebrigen Aktivität haben sich jedoch immer wieder mit Perioden einer tiefen Niedergeschlagenheit abgewechselt, in denen Luther nur noch »schlafen, faulenzen und trällern« konnte.

Bayerische Landesausstelltung 2017

Bis heute hat der Reformator Spuren in Coburg hinterlassen. Seine damaligen Wohnräume sind als »Lutherzimmer« Anziehungspunkt für die Museumsräume der Veste. Die Bayerische Landesausstellung wird vom 9. Mai bis 5. November 2017 an die Zeit Luthers auf der Burg erinnern.

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