"In ein paar Jahren werden wir so weit sein, dass nur noch ausgewählte Menschen Pflege bekommen können". Den Trägern von Senioreneinrichtungen würden dann "die Leute die Bude einrennen", warnte Matthias Ewelt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst epd. Das Hauptproblem sei das fehlende Personal in der Pflege. Auch wer hoch motiviert den Beruf ausübe, sei irgendwann "nur noch gestresst", weil immer die Zeit fehle, sich den Gepflegten zuzuwenden.
Doch um die Lage des Pflegesystems zu verbessern, brauche man "einen ganz langen Hebel". Die Träger der Pflegeeinrichtungen hätten für die Probleme keine Antworten, "denn die gesetzlichen Rahmenbedingungen geben die nicht her", sagte Ewelt an einem seiner letzten Arbeitstage in Franken. Der 57-Jährige wechselt von seinem Vorstandsposten in Nürnberg als Diakoniepfarrer ins Saarland.
Matthias Ewelt: Auch Kampf gegen Armut verstärken
Einen "kraftvollen Ansatz" erwartet er auch im Kampf gegen die Armut in der Gesellschaft. Es erfülle ihn mit Bitterkeit, wenn in der öffentlichen Wahrnehmung jemand, der unvorstellbar reich sei, sich das verdient hat, aber einer, der nichts verdient, "als selbst schuld gilt". Allergisch sei er gegen "Klugscheißerei" von Leuten, die behaupteten, dass jemand, der raucht und sich ein Handy leiste, ja nicht so schlimm dran sein könne. Die Beratungsstellen würden heute aber immer mehr Klienten in "Multiproblemlagen" haben, die sowohl die Hilfe der Suchtberatung als auch der Kirchlichen Allgemeinen Sozialarbeit (KASA) oder anderer Hilfsstellen benötigten.
In der Diakonie treffe man auf Klienten, "die würden es gerne schaffen, aber wenn sie psychisch oder gesundheitlich angeschlagen sind, geht das halt nicht", wirbt Ewelt um Verständnis. Er kritisiert, dass Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen grundsätzlich befristet seien, weil man davon ausgehe, "dass wir Leute so lange fördern, bis sie auf dem ersten Arbeitsmarkt angelangt sind. Das ist aber nicht realistisch". Ewelt spricht sich für einen, die Psyche der Menschen stabilisierenden, zweiten oder dritten Arbeitsmarkt aus, der es den Leuten ermögliche, in der Rente nicht arm zu sein. "Das sind Präventionskosten, zu denen jeder von uns durch Steuern beitragen sollte".
Matthias Ewelt: Diakonie agiert effizient und nah
Bevor Ewelt vor fünf Jahren zur Stadtmission Nürnberg wechselte, war er evangelischer Dekan im Dekanatsbezirk Neustadt/Aisch. Aber schon längere Zeit habe ihn die Diakonie in den Bann gezogen, berichtet er, "denn dort gibt es die praktische Arbeit und die Nähe zu den Menschen, die wir in der Kirche in den Kerngemeinden oft nicht mehr erreichen".
Diakonie erlebe er als effizient und sehr nah, "die schaut nach, wo ist der Hilfebedarf, was können wir leisten". In der Kirche dagegen würden die Prozesse eher etwas komplizierter ablaufen, stellt er fest. Das meine er nicht als Vorwurf, "aber mir entspricht eher das andere". Kirche, das seien für ihn ermüdende, lange Wege, "das ist komplex und viele müssen mitreden".
Seiner Diakonie rät er, sich als christliches Unternehmen zu verstehen und nicht ein Sozialunternehmen wie jedes andere mit ein bisschen kirchlichem Inhalt oder Spiritualität sein zu wollen. "Das macht den Mehrwert für die Mitarbeitenden, als auch für viele Klienten, die zu uns kommen".