Im November 1530 stimmten die wahlberechtigten Ulmer Bürger über die Einführung der Reformation ab. Wer gegen die althergebrachte Ausrichtung des Glaubens war, entschied sich für das Neue – ohne wirklich zu wissen, wie dieses Neue aussehen würde. Gerade aus dieser Unbestimmtheit der Reformation entstand die Vielstimmigkeit religiöser Strömungen innerhalb der Reformation in der Stadt.
Eine Ausstellung an sieben verschiedenen Standorten – darunter etliche Originalschauplätze – bietet jetzt in Ulm eine Fülle von Informationen zu dem Thema, das Ulm zu einer der Reformationsstädte Europas werden ließ. Wer die Schau »Vielstimmigkeit – das Reformationsjahrhundert in Ulm 1517 bis 1617« sehen will, muss sie im Stadtgebiet »begehen«. Denn die 46 Stelen der Ausstellung finden sich vor und im Ulmer Münster, vor dem Stadthaus, vor der Wengenkirche, vor dem Haus der Begegnung, im Haus der Stadtgeschichte und im Ulmer Museum. Die letzten beiden Standorte zeigen außerdem originale Dokumente.
Startpunkt ist das Münster
Wer den Rundgang der von Gudrun Litz, Marie Kristin Hauke und Susanne Schenk konzipierten Ausstellung chronologisch absolvieren möchte, beginnt am besten vor dem Ulmer Münster, wo zwei Stelen beim nördlichen Eingang über die Eckdaten der Reformationsgeschichte in Ulm und über die Stationen der Reformations-Schau informieren. Im Münster selbst hat die Ausstellung drei Standorte. Unter den originalen Porträts der Superintendenten Ludwig Rabus und Konrad Dieterich, die beide die Reformationsgeschichte in Ulm mitprägten, hat der konfessionsgeschichtliche Teil der Ausstellung, der sich mit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts befasst, seinen Platz. Im Bereich der Kanzel wird die Phase der unterschiedlichsten Ausrichtungen der neu eingeführten Konfession bis zum Jahr 1548 gezeigt und erklärt. Stelen am Taufbecken erläutern die Auseinandersetzungen zwischen diesen unterschiedlichen Strömungen um die Themen Abendmahl, Taufverständnis und Kirchenmusik.
An der Stelle des 1993 eröffneten Ulmer Stadthauses stand einst die Kirche des Franziskanerklosters. An diesem Ort geht es um die Anfänge der reformatorischen Lehre, denn der 1524 nach einem Bürgerbegehren nach Ulm geholte evangelische Prediger Konrad Sam verbreitete die Lehre dort, bis er 1526 ins Münster durfte.
Franziskaner- und Dominikanermönche mussten nach der Einführung der Reformation Ulm verlassen; die zur Minderheit gewordenen Katholiken wurden zunächst durch die Deutschherren betreut, später durch zurückkehrende Augustinerchorherren. Dieser Themenbereich wird bei der katholischen Wengenkirche dargestellt, die seit ihrem Bau im 14. Jahrhundert Kirche des Augustinerklosters St. Michael zu den Wengen gewesen war.
Die Kirche des Ulmer Dominikanerklosters war ein Vorgängergebäude des Hauses der Begegnung; der Chor der Klosterkirche, auch Predigerkirche genannt, steht noch heute. Thematisiert wird auf den Stelen im Innenhof des Hauses der Begegnung das Ulmer Reformationsjubiläum 1617, zu dem die Dreifaltigkeitskirche am Ort der alten Predigerkirche gebaut wurde. Chor und Sakristei der alten Kirche wurden dabei einbezogen.
Raritäten im Stadtarchiv
Im Ulmer Stadtarchiv sind Raritäten wie Verhörprotokolle von Täufern und die Abstimmungslisten der Ulmer Bürgerschaft über die Einführung der Reformation in der Stadt vom November 1530 zu sehen. Im Ulmer Museum gibt es zur Ausstellung eine Hörstation mit Liedern aus der Reformationszeit. Eingespielt wurden sie von dem auf historische Musik spezialisierten Scherer-Ensemble.
Zu hören ist auch eine Dichtung, die der Ulmer Stadtärztin Agathe Streicher zugeschrieben wird. Und es gibt Hörspielszenen, die Verhöre von Spiritualisten und Täufern durch die Obrigkeit nacherleben lassen. Ein weiterer Ausstellungsschwerpunkt im Ulmer Museum liegt auf der Patrizierfamilie Besserer, die bei der Reformation eine wichtige Rolle spielte.