Was war für Sie der Auslöser, sich auf den Weg nach Santiago de Compostela zu machen?

Michael Thein: Vor meiner ersten Pilgertour in den Pfingstferien des Jahres 2000 hatte ich noch nichts vom Jakobsweg gehört. Das Evangelische Bildungswerk Bayreuth/Pegnitz hatte zum Weg von Nürnberg nach Rothenburg eingeladen. Durch die Erkrankung der Leiterinnen musste ich unversehens die Leitung der Gruppe übernehmen.

Wie fanden Sie zum Netzwerk der Jakobswege durch Franken? Und was ist aus Ihrer Sicht das Besondere an diesen fränkischen Jakobswegen?

Thein: Im Jahr 2004 wurde der Jakobsweg zwischen Leipzig und Hof – die ehemalige Handelsstraße Via Imperii – wiederbelebt. Man suchte jemand, der sich der Verbindung von Hof nach Nürnberg annimmt, um die Lücke nach Süddeutschland zu schließen. Wenn man heute das europäische Jakobswegenetz anschaut, liegt Oberfranken im Zentrum Europas.

Was haben Sie dabei als wichtige Herausforderung erkannt, um diese Wege bekannter zu machen?

Thein: Der erste Schritt war die Markierung des Wegs durch die Zusammenarbeit mit den Wandervereinen. Das regelmäßige Samstagspilgern belebt den Weg. Infotafeln auf der Strecke, von denen noch einige fehlen, machen ihn vor Ort bekannt. Doch vielen Anwohnern ist es immer noch nicht bewusst, dass sie an einem Jakobsweg liegen. Da gibt es Nachholbedarf.

Wie wichtig ist der geistliche Begleiter in der Pilgergruppe? Welche Erfahrungen macht die Gruppe auf einer Pilgertour?

Thein: Ein geistlicher Begleiter kann auf den Zusammenhang zwischen Pilgerweg und persönlichem Lebensweg aufmerksam machen. Gehen bringt auch innerlich etwas in Bewegung.

Pilgern lenkt den Blick auf das Wesentliche.

Das geschieht schon bei einer Tagestour, aber intensiv erst so richtig nach zwei Wochen.

Was sind Ihre ganz persönlichen Erfahrungen beim Pilgern? Gab es untrewegs mal besonders eindrückliches (Glaubens-)Erlebnis?

Thein: Ich erfahre immer neu, wie wenig ich eigentlich brauche. Pilgern vertieft die Beziehungen: zu mir selbst, den Mitpilgern, der Schöpfung und Gott. Am intensivsten waren meine acht – äußerlich einsamen – Pilgerwochen hinein in den Ruhestand.

Schließlich: Haben Sie die Kilometer gezählt, die Sie seit dem ersten Mal bis heute gepilgert sind? Und was sind Ihre nächsten Pläne?

Thein: Rein auf Jakobswegen habe ich inzwischen über 10 000 Kilometer zurückgelegt. Die nächsten Ziele: Bis 2021 führe ich ein zweites Mal eine Gruppe von Bayreuth nach Santiago. Das Samstagspilgern in der Region wird es weiterhin geben. Solange meine Frau noch nicht im Ruhestand ist, gehe ich persönlich nur kurze Touren – normalerweise eine pro Woche.

Jakobswege in Oberfranken

36 Jakobskirchen gibt es in Oberfranken; 13 davon liegen an Pilgerwegen, die heute zum europäischen Jakobswegenetz gehören. "Unsere Jakobuskirchen zeugen von mittelalterlicher Jakobusverehrung, sind aber nicht automatisch Nachweis für einen historischen Weg", weiß Pfarrer Michael Thein, der sein Expertenwissen über diese Pilgerwege über Jahre hinweg buchstäblich "erwandert" hat.

Nicht nur die beiden Hauptwege, die durch Oberfranken zum nächsten historischen Pilgersammelpunkt Nürnberg-St. Jakob führen, sondern auch mehrere Nebenwege, die von der Hauptstrecke sozusagen als eine Art "Bypass" (Thein) weitere Jakobskirchen an den Pilgerweg anbinden, hat er mithilfe seiner Partner in regionalen Wandervereinen erschlossen, markiert und Infotafeln sowie ausführliche Wegbeschreibungen erstellt. Rund 500 Kilometer umfasst das Wegenetz in Franken; für etwa die Hälfte davon ist Thein im Auftrag der Fränkischen St.-Jakobus-Gesellschaft zuständig.

Eine wichtige Lücke in diesem Netz wurde vor zehn Jahren geschlossen: Am 25. Juli 2009 wurde das letzte Teilstück zwischen Hof und Nürnberg mit einem ökumenischen Gottesdienst in Marktschorgast gefeiert. Seitdem ist das Netz weitergewachsen, so etwa von Görlitz, Leipzig und Berlin nach Hof, und eine neue Pilgerherberge eröffnete 2012 in Hof.