Durch gestiegene Rohstoffpreise könnten die Kosten für laufende oder geplante Neu- und Umbauten im evangelischen Dekanat München um bis zu 20 Prozent steigen. Allein bei der im Bau befindlichen Heilpädagogischen Tagesstätte in Haar beliefen sich die Mehrkosten auf etwa 600.000 Euro, sagte Stefan Neukamm, Leiter der Bauabteilung im Kirchengemeindeamt, im Gespräch mit dem Sonntagsblatt.
Kostentreiber seien die gestiegenen Preise für Baustoffe wie Holz, Stahl und Ziegel. Auf Verträge zu pochen, wenn Firmen ihre Angebotspreise nicht halten könnten, helfe niemandem, sagte der Architekt.
Die Immobilienstrategie des Dekanats könnte durch diese Entwicklung ins Stocken geraten. Wegen der sinkenden Kirchenmitgliederzahlen plane man künftig mit weniger Gebäuden.
"2020 ist der Holzpreis aus vielen Gründen explodiert."
Herr Neukamm, bei welchem Bauprojekt machen sich die Preissteigerungen derzeit besonders bemerkbar?
Neukamm: Massiv spüren wir das beim Neubau der Heilpädagogischen Tagesstätte auf dem Grundstück der Jesuskirche in Haar. Alles außer Tiefgarage und Treppenhaus ist aus Holz. 2020 ist aber der Holzpreis aus vielen Gründen explodiert: unterbrochene Lieferketten durch Corona, der Schiffsunfall im Suezkanal, Preispolitik des Marktes. Dadurch konnten die Baufirmen ihren Angebotspreis nicht mehr halten. Nun können wir natürlich sagen: Vertraglich sind wir im Recht, ihr müsst liefern. Aber wenn die Firma hinterher insolvent ist, hilft das niemandem. Also muss man sich an einen Tisch setzen und neu verhandeln - das ist ein bisschen wie auf dem Basar. Am Ende wird uns das Haus in Haar circa zwölf Prozent mehr kosten, das sind etwa 600.000 Euro.
Und woher nehmen Sie die?
Neukamm: Die Baumaßnahme in Haar ist darlehensfinanziert und soll sich später durch die Mieteinnahmen refinanzieren. 600.000 Euro mehr bedeuten, dass wir ein größeres Darlehen zu einem mittlerweile höheren Zinssatz aufnehmen müssen. Das muss dann länger über die Mieteinnahmen abbezahlt werden. Das Gebäude rechnet sich für das Dekanat also erst deutlich später.
"Das ist zurzeit ein bisschen wie Lotto."
Ist der Holzpreis denn das einzige Problem?
Neukamm: Der Holzpreis hat sich zwischenzeitlich wieder etwas stabilisiert. Jetzt sind es Baustoffe wie Stahl oder Dachziegel, die teurer werden, weil sie in der Produktion viel Energie benötigen. Das ist zurzeit ein bisschen wie Lotto. Für unser Vorhaben in Lochhausen, wo an Stelle des alten Gemeindezentrums vier Wohnhäuser mit günstigem Wohnraum entstehen sollen, brauchen wir eine neue Kostenberechnung, weil die alte einfach nicht mehr stimmt.
Was bedeutet die Entwicklung denn für künftige Bauvorhaben im Dekanat?
Neukamm: Angesichts der rückläufigen Kirchenmitgliederzahlen ist klar, dass wir künftig weniger Gebäude brauchen - aber die sollen baulich möglichst auf dem neuesten Stand, attraktiv und einladend sein. Wenn nun die Baukosten derart steigen, müssen wir alle Maßnahmen auf den Prüfstand stellen, manches vielleicht abspecken oder zurückstellen. "Augen zu und durch" können wir uns nicht leisten.
"Die Nachhaltigkeitsthemen werden parallel trotzdem verfolgt."
Was wird aus dem Ziel des Dekanats, bis 2035 klimaneutral zu sein?
Neukamm: Die Nachhaltigkeitsthemen werden parallel trotzdem verfolgt. Das ist enorm wichtig, muss aber auch finanziert werden. Die Nachfrage nach Fotovoltaikanlagen ist exorbitant gestiegen, weil im Moment gerade jeder versucht, vom Gas wegzukommen. Man kann von Glück reden, wenn man eine Firma findet, die noch Kapazitäten hat - auch das treibt natürlich wieder den Preis. Im Rahmen unseres 10-Dächer-Programms planen wir die nächsten Fotovoltaik-Anlagen auf den Kindertagesstätten in Germering und Freimann, um dort den Energiebedarf selbst zu decken. Auch unser 10-Heizungen-Programm, bei dem wir die umweltschädlichsten Anlagen schnellstmöglich austauschen wollen, läuft weiter. Aber angesichts der Kostensteigerungen kann es sein, dass die ein oder andere alte Heizung ein Jahr länger in Betrieb bleiben muss als geplant.