Frau Osgyan, sehen Sie sich schon auf dem OB-Sessel sitzen?

Osgyan: Bei der Kommunalwahl werden, nachdem Oberbürgermeister Maly nicht mehr kandidiert, die Karten komplett neu gemischt. Das ist eine große Chance für mich. Mit Thorsten Brehm von der SPD und Marcus König von der CSU gehen mit mir zwei Männer ins Rennen. Dass ich eine Frau bin, sehe ich durchaus als Vorteil. Meine Devise lautet: Wann, wenn nicht jetzt. Mein Etappenziel ist, eine Stichwahl zu erreichen, um dann zu gewinnen.

Sie sind berufenes Mitglied der evangelischen Landessynode - welche Rolle spielt Ihre starke Einbindung in die Kirchenarbeit im Wahlkampf?

Osgyan: Eines der großen gesellschaftlichen Probleme ist die Einsamkeit. Diese zu bekämpfen, darin sehe ich einen Auftrag für Politik und Kirche gleichermaßen. Die Frage ist: Wie binde ich Menschen im Zuge der abnehmenden Gemeindebindung durch Angebote ein? Ich denke, dies ist durchaus ein Thema, bei dem man von der Arbeit in der Synode zur politischen Arbeit vor Ort Brücken schlagen kann. Mir ist aber auch der Dialog mit Menschen anderer Prägung oder Religionsgemeinschaften sehr wichtig. Dies ist ein Punkt, den wir in einer so vielfältigen Stadt wie der unseren intensivieren müssen.

Wenn ich Oberbürgermeisterin werde, will ich auf jeden Fall versuchen, möglichst mit allen, die willig sind, den Dialog zu pflegen, weil wir nur so ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln können.

Inwieweit würde sich Ihr Engagement in der Kirche auf die Asylpolitik als OB auswirken?

Osgyan: Meine Einflussmöglichkeiten wären leider auf kommunaler Ebene begrenzt. Aber es gibt immer Ermessensspielräume. Für mich war das Thema Asyl und die Diskussionen, die auch in der Landessynode darüber geführt wurden, etwas sehr Prägendes. Ich habe Kirchen immer so wahrgenommen, dass sie an dieser Stelle immer aufrecht gestanden sind. Es geht um ein Gebot der Nächstenliebe und der Mitmenschlichkeit. Momentan wird die Rhetorik tendenziell milder, nachdem die Christsozialen gemerkt haben, dass man mit Schärfen keine Wahlen gewinnt.

Leider ist aber das Handeln der Verantwortlichen nicht besser geworden, was man zum Beispiel am Vorgehen bei Abschiebungen sieht. Wir hatten gerade in Nürnberg immer wieder hochproblematische Fälle, dass Jugendliche aus Schulen abgeschoben wurden oder dass Ausbildungsgenehmigungen nicht erteilt wurden. Deshalb ist es mein Ziel, Nächstenliebe im Handeln zu implementieren. Ich würde mich dafür einsetzen, dass Ermessensspielräume genutzt werden, und ich würde den Dialog mit Kirchen führen, die bei Einzelfällen oft in zweiter Reihe tätig werden.

Als Mitglied der evangelischen Landessynode: Was halten sie vom Kirchenasyl?

Osgyan: Was mir schwer zu denken gegeben hat, gerade in Bayern, war der Umgang mit Kirchenasyl. Bei diesem Thema müssen wir nach wie vor sehr genau hinschauen, um im Bedarfsfall zwischen den Interessengruppen vermittelnd tätig werden zu können. Die Kirche als Helfer in der Not - dieses Ziel hat die Landessynode, als wir über Kirchenasyl gesprochen haben, bekräftigt. Wir sehen Kirchenasyl aber nicht als Konkurrenz zum Rechtsstaat. Es ist vielmehr eine Ultima Ratio aus Tradition und gelebter Nächstenliebe.

Kommen wir zur Tagespolitik: Was halten Sie von der neuen ökologischen Ausrichtung des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder?

Osgyan: Als Grüne wäre ich die letzte, die etwas dagegen hätte, wenn plötzlich grüne Ideen in der bayerischen Regierung umgesetzt würden. Das zeigt, dass die Lernfähigkeit selbst vor Ministerpräsidenten nicht haltmacht. Aber man muss natürlich näher hinschauen, ob den Ankündigungen auch Taten folgen werden.

Derzeit merkt man, dass die Vorschläge des Ministerpräsidenten in ganz vielen Bereichen noch nicht unterfüttert sind, wie zum Beispiel beim Thema Energiewende.

Ich denke, das zeichnet Politik aus, dass ein Umlernen möglich ist, aber es braucht auch starke Taktgeber und Parteien, und das sind ganz klar wir Grünen. Genau besehen kommt mir doch manches, was vorgelegt wird, eher wie Greenwashing vor.

Wie wollen Sie Ihre beiden Kontrahenten schlagen?

Osgyan: Wir haben zwei jüngere männliche Mitbewerber, ich bin eine Frau. Ich habe dadurch in meinem Leben andere Erfahrungen gesammelt und andere Kämpfe mitgemacht und komme natürlich aus einer Partei, für die Ökologie schon immer wichtig war. Meine Partei und ich haben diese Themen schon immer durchdekliniert und deutlich gemacht, dass wir unsere Ziele auch umsetzen werden. Dies werden wir auch noch vor der Kommunalwahl deutlich machen, wenn es darum geht, Akzente im Haushalt zu setzen.

Was würden Sie anders machen als Oberbürgermeister Maly?

Osgyan:

Die stärksten Defizite sehe ich im Bereich Ökologie. Diese spielte unter Maly lange Zeit überhaupt keine Rolle.

Ich denke zum Beispiel an die Pflege von Straßenbäumen und die mangelnde Qualität von Aufenthaltsplätzen. Verkehrspolitisch müssen wir eine fahrradfreundlichere Stadt werden, und wir müssen das Thema Fußgänger in den FoKus rücken. Leider sind wir auch die Großstadt mit den teuersten ÖPNV-Tickets. Dieses Thema wurde über Jahre beiseite gewischt.

Hier gilt es mit einem großen Schritt anzusetzen. Da braucht es nicht Klein-Klein, sondern große Dinge, die sich im Haushalt widerspiegeln. Deshalb fordern wir als einen ersten Schritt - anstatt des kreuzungsfreien Ausbaus des Frankenschnellwegs beispielsweise - im Haushalt einen Klimaschutzfonds für 150 Millionen Euro, um Dinge wie Dachfassaden-Begrünungen und Elektromobilität zu fördern. Ich finde auch, dass wir beim Thema Teilhabe viel zu kurz gedacht haben, das Thema kulturelle Vielfalt wurde von Maly nicht ausreichend in den Fokus gerückt. In diesen Punkten möchte ich kreativer werden.

Wie ist es um die Stadtentwicklung bestellt?

Osgyan: Wir haben uns viel mit dem Thema Stadtentwicklung beschäftigt, gerade im Hinblick auf die Bewerbung Nürnbergs als Europäische Kulturhauptstadt 2025.

Wir Grüne setzen auf die Bildung von kreativen Szenen als Impulsgeber, um neue Lebens- und Wohnformen zu erproben. Ich denke da beispielweise an die Schaffung von Gemeinschaftsgärten, autofreien Zonen oder offenen Kulturangeboten für Jugendliche in den Vierteln.

Es geht darum, den öffentlichen Raum so umzugestalten, dass eine Infrastruktur geschaffen wird, die Vielfalt und Begegnung fördert. Davon wiederum würde der wirtschaftliche Aufschwung profitieren. Denn je lebenswerter ein Umfeld ist, desto lieber siedeln sich Unternehmen an. Ich finde, Nürnberg hat hier ganz viele Chancen. Und ich glaube, dass es dafür schon alleine einen Wechsel braucht, um diese Dinge anpacken zu können.

Was meinen Sie damit?

Osgyan: Ein zentraler Punkt ist zum Beispiel, dass im Rathaus in den letzten Jahren die Verwaltung den Takt vorgab, dass kaum noch demokratische Debatten über solche Themen geführt wurden, dass mitunter Anträge von Stadträten gar nicht beachtet wurden. In dieser Hinsicht braucht es dringend ein Update, eine offenere Debattenkultur und eine bessere Nachvollziehbarkeit demokratischer Prozesse. Die Nürnbergerinnen und Nürnberger können sich sicher sein, dass ich mich dafür einsetzen werde.