Ausstieg aus Erasmus

Der britische Premier Boris Johnson ist einfach kurzerhand aus dem EU-Austauschprogramm Erasmus+ ausgestiegen. Wie EU-Bürger in Zukunft ein Auslandsemester in Großbritannien oder junge Briten einen Studienaufenthalt in der EU machen können, ist unklar. Politik und Hochschulen verbreiten Optimismus, die Studierendenvertreter aber sind skeptisch.

Bayerns Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) bedauert den einseitigen Ausstieg der Briten aus Erasmus+. Er sei aber "davon überzeugt, dass Bayern aufgrund seiner Attraktivität" als Studien- und Forschungsstandort "weiterhin ein nachgefragter Partner" für britische Hochschulen, Forscher und Studierende sein werde. Die bayerischen und britischen Hochschulen seien schon jetzt bestens vernetzt.

Mehrere Hochschulen im Freistaat hätten gerade wegen des Brexit ihre Kooperation mit britischen Partnern als strategische Partnerschaft intensiviert - beispielsweise die Münchner Ludwig-Maximilians-Universität mit der University of Cambridge.

Bilaterale Abkommen kein Ersatz

Verena Osgyan, stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Landtag und hochschulpolitische Sprecherin, findet zwar diese bilateralen Abkommen nicht schlecht - echter Ersatz für Erasmus+ seien sie aber nicht. Die Verträge zwischen einzelnen Unis seien oft auf technische und wirtschaftliche Studiengänge ausgerichtet, die typischen Geistes- und Sozialwissenschaften hätten dabei das Nachsehen.

Hinzu komme, dass ein Auslandsstudium bei solchen Abkommen für die Studierenden oft doch einiges kostet. Das aber könne sich nicht jeder leisten. Es brauche am besten eine Lösung auf "übergeordneter Ebene", am besten für ganz Europa.

Sicherheit bis 2022

Der Pressesprecher der Technischen Universität München (TUM), Ulrich Meyer, sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), das Ausscheiden Großbritanniens aus Erasmus+ habe für Studierende der TUM "keinen kurzfristigen Nachteil". So sei die Finanzierung schon geplanter Auslandsaufenthalte mindestens bis einschließlich Wintersemester 2021/2022 gesichert.

Man bedauere zwar, dass die Zusammenarbeit mit britischen Hochschulen durch den Schritt der dortigen Regierung schwieriger werde - man sei aber zugleich optimistisch. So habe man etwa durch eine bilaterale Kooperation mit dem International College London dem Brexit vorgebaut.

Hohe Studiengebühren

Maximilian Frank, Sprecher der Studierendenvertretungen der bayerischen Hochschulen, sieht den internationalen Austausch der Studierenden durch den Brexit in Gefahr. Erasmus+ habe auch ärmeren Studierenden einen Auslandsaufenthalt ermöglicht, sagt er:

"Britische Studiengebühren können sich viele Studierende im Rest Europas nicht leisten."

Dass es als Ersatz für Erasmus+ nun bilaterale Abkommen zwischen einzelnen Hochschulen geben soll, findet er schwierig: "Das läuft der Bildungsgerechtigkeit zuwider." Denn diese Abkommen enthielten in der Regel keine finanzielle Unterstützung über die fälligen Studiengebühren hinaus.

Parteijugend für Hilfsprogramme

Damit steht Frank nicht alleine. In seltener Eintracht haben die Jugendorganisationen von CSU, SPD, FDP und den Grünen eine gemeinsame Resolution veröffentlicht. Darin kritisieren sie scharf den Ausstieg Großbritanniens aus dem Programm Erasmus+ und verweisen darauf, dass gerade die jüngeren Briten den Brexit mit deutlicher Mehrheit beim Referendum 2016 abgelehnt hatten.

Sie fordern die EU auf, die Briten zurück ins Erasmus+-Programm zu holen oder zügig ein Alternativprogramm auf die Beine zu stellen. Alternativ soll es einen EU-Fonds geben, der EU-Studierenden einseitig Auslandsaufenthalte in Großbritannien finanziert.

Dass Erasmus+ nicht nur mit der EU zu tun hat, zeigt ein kurzer Blick auf die Teilnehmerländer außerhalb der EU. Mit dabei sind neben Island und Liechtenstein beispielsweise auch die Türkei, Serbien und Norwegen.

Das Austauschprogramm Erasmus gibt es seit dem Jahr 1987, es ist eines der beliebtesten EU-Programme aller Zeiten und gilt geradezu als Aushängeschild für das kulturelle Zusammenwachsen Europas. Aktuell studieren um die 150.000 junge Menschen aus EU-Staaten an britischen Hochschulen.