Es gibt merkwürdige Tendenzen bei dieser Fußball-Europameisterschaft: Fernschüsse, die zum Erfolg führen beispielsweise – und reichlich Eigentore. Auch Deutschlands Angst- und Viertelfinalgegner Spanien hat sich bei seinem Achtelfinale erst mal selbst einen eingeschenkt, bevor man die wackeren Georgier am Ende souverän besiegte, allerdings ohne Fernschüsse.
Derweil war Parteitag der AfD in Essen. Deren Politiker neigen in der Regel zu geistiger Grobmotorik und wenig feiner Klinge bei ihrem ziemlich ungezielten Geballere gegen alles Migrantische. Nun haben einige von ihnen beim Thema Fußball das Eigentor entdeckt.
Junge Männer mit Migrationshintergrund sind tragende Säulen der Mannschaft
Maximilian Krah, skandalöser Spitzenkandidat der AfD bei der Europawahl (schon da mit einer Neigung zum Eigentor auffällig), nannte die deutsche Mannschaft auf TikTok vor dem Start der EM eine "politisch korrekte Söldnertruppe", eine "Fremdenlegion". Das Fußballfest in Deutschland sei ihm deshalb egal: "Wir können es ignorieren."
Neben Kartoffel-Deutschen wie dem Offensiv-Jungstar Florian Wirtz oder dem ewigen Keeper Manuel Neuer sind junge Männer mit Migrationshintergrund tragende Säulen der Mannschaft: das endlich auch Tore schießende Supertalent Jamal Musiala, Kapitän Ilkay Gündogan oder Abwehrbollwerk Toni Rüdiger zum Beispiel. Sie alle singen vor den Spielen gemeinsam die Hymne von "Einigkeit und Recht und Freiheit".
Ein großes "Wir" in Zeiten wachsender Spaltungen
An vielen Orten im Land, in vielen Klassenzimmern, in zu Ghettos verfallenden Vierteln mit Parallelgesellschaften ist dieses gelingende große "Wir" unterm Bundesadler und der schwarz-rot-goldenen Trikolore (noch) eine Illusion. Aber sowohl diese Mannschaft wie überhaupt das Fußballfest 2024 zeigen für einen Moment, wie gut sich ein großes "Wir" in Zeiten wachsender Spaltungen und Gegensätze anfühlt.
Unpatriotische selbst ernannte Patrioten wie die von der AfD, die von der Spaltung im Namen von Schwarz-Rot-Gold zu profitieren sucht, können dieser Mannschaft also nicht die Daumen drücken. Der AfD-Faschist Björn Höcke ("Alles für Deutschland!") schaut nach eigenem Bekunden schon seit 2014 keinen Fußball mehr, weil dem "die Regenbogenideologie" aus allen Poren quelle. Mit der bunten deutschen Nationalmannschaft könne er sich "nicht mehr identifizieren."
Migrationshintergrund schützt vor Eigentoren nicht
Aber noch etwas hat die EM gezeigt: Menschen mit Migrationshintergrund sind vor Eigentoren ebenfalls nicht gefeit. Statt sich vom "Wolfsgruß" und damit von Rechtsextremismus und Rassismus in türkischer Spielart à la "Graue Wölfe" und Co. zu distanzieren, hat die Sperre des türkischen Spielers Merih Demiral wegen dessen ultranationalistischer Geste bei Tausenden hierzulande ein "Jetzt erst recht" ausgelöst. Der türkische Staatsführer Erdogan, der sich im Berliner Olympiastadion von seinen Fans huldigen ließ, heizte den Ärger vor dem Spiel noch so richtig an.
In Berlin durfte der eigens zum Viertelfinale angereiste Erdogan dann miterleben, wie die Niederländer die Türken nach Hause schickten. Sie drehten das Spiel spät mit zwei Toren in sechs Minuten. Die Entscheidung brachte (natürlich): ein türkisches Eigentor.
Der AfD darf man gern weitere Eigentore wünschen
Türken und Deutsche sind raus, aber echte Balkonultras egal welcher Couleur feiern nun trotzdem weiter bis zum Schluss. Wie wissen ja jetzt nicht nur: Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen! Wir wissen auch: Normale Kartoffeln auf die Eins! Aber nur auf der kulinarischen Hitliste bei Florian Wirtz. Und der "AfD", allen Schweigefuchs- und sonstigen Faschisten darf man gern weitere Eigentore wünschen.
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