Spätestens seit der krachenden Niederlage des einen FCB gegen den anderen FCB im Champions-League-Corona-Turnier 2020 herrschte Krisenstimmung in Barcelona. 2:8 gingen die Katalanen gegen den späteren Triple-Meister FC Bayern unter. Messi streikte – und dann doch wieder nicht. Die Zukunft des argentinischen Jahrhundertfußballers in Barcelona erschien ab diesem Zeitpunkt ebenso ungewiss wie seines berühmten Clubs. Was beide FCBs verbindet: Minderheiten spielten in den Anfängen ihrer Geschichte eine prägende Rolle. Beim bayerischen Großclub waren es Juden wie Präsident Kurt Landauer und Trainer Richard "Dombi" Kohn; bei den Katalanen waren es deutschsprachige Protestanten wie der Schweizer Hans "Joan" Max Gamper oder der Berliner Otto Maier.
"Unser Freund und Partner, Hr. Hans Gamper, von der Fußballsektion der Sociedad Los Deportes und früherer Schweizer Meister, sich wünschend in Barcelona einige Spiele zu organisieren, bittet jeden, der diesen Sport mag, ihn zu kontaktieren und dienstags oder freitags von 9 bis 11 Uhr abends in die Redaktion zu kommen."
Diese etwas verschwurbelte Notiz erschien 1899 in der Zeitung Los Deportes; sie ist die Geburtsanzeige des FC Barcelona.
Statt Hans Gamper steht im Zeitungsoriginal "Kans Kamper" und statt Fußball "Foot-Vall", was einerseits ein schönes Licht darauf wirft, wie iberische Ohren deutsche Namen hören, und andererseits darauf, dass Fußball damals noch nicht in aller Munde war. Vielleicht war der Druckfehler der Grund, warum sich der Schweizer Hans künftig katalanisch "Joan" nannte. Als Joan Gamper wurde er jedenfalls zur Legende. Die "Ciutat Esportiva Joan Gamper" ("Joan-Gamper-Sportstadt") ist unter anderem nach ihm benannt, das Trainingsgelände des FC Barcelona, auf dem sich auch die Nachwuchsschmiede "La Masia" befindet.
Ein sportverrückter Jüngling
Gamper, am 22. November 1877 in Winterthur geboren, kam im Oktober 1898 aus der Schweiz nach Barcelona – aus Lust am Abenteuer und um Arbeit zu finden. Sein Onkel lebte dort bereits, er selbst fand einen Job als Buchhalter für eine französische Bank. Nebenbei schrieb er als Sportreporter für zwei Schweizer Zeitungen.
Der junge Mann war sportverrückt. Man weiß von ihm, dass er schon in der Schweiz Rad- und Leichtathletikrennen bestritt. Er spielte auch Rugby, Tennis und Golf; aber am liebsten kickte er, und das wollte er nun auch in Barcelona tun.
Fußball war damals noch ein sehr junger Sport. Aber Gamper hatte einen Makel, der es ihm unmöglich machte, in den Vereinen Anschluss zu finden, die es schon gab in Barcelona: Er war Ausländer, und vor allem war er nicht katholisch, sondern evangelisch.
Dazu muss man wissen, dass Spanien über Jahrhunderte Hort eines sehr entschlossenen Katholizismus war. Religionsfreiheit gibt es in Spanien erst seit dem Ende der Franco-Diktatur und der Verfassung von 1978 (einmal abgesehen von zwei gescheiterten Kurzepisoden während des "Sexenio Democrático", der "sechs demokratischen Jahre" von 1868 bis 1874, und der zweiten spanischen Republik ab 1931, die 1936 im Bürgerkrieg unterging).
Protestant im stockkatholischen Spanien
Als der Schweizer Protestant Gamper nach Barcelona kam, war es gerade mal gute 100 Jahre her, dass das letzte "Autodafé" der Spanischen Inquisition stattgefunden hatte: 1781 wurde in Sevilla bei dem öffentlichen Religionsprozess das Todesurteil über die einzige Angeklagte, María de los Dolores López, verkündet. Gnadenhalber erwürgte man sie auf dem Scheiterhaufen, bevor man sie verbrannte.
Weil also niemand mit den Ketzern aus dem Ausland kicken wollte, kickten die eben miteinander. Der Ort, wo sie sich trafen, war die deutsche evangelische Gemeinde in Barcelona. Wobei: Genau genommen sollte man von der deutschsprachigen evangelischen Gemeinde reden, denn viele Jahrzehnte vor der Leuenberger Konkordie (1973) übersprangen Deutsche und Schweizer, Lutheraner und Reformierte in Barcelona bereits sehr locker nationale und konfessionelle Grenzen.
Pfarrer Fliedner war der Pate der Gemeinde
1864 hatte Bismarck noch vergeblich versucht, einen Gottesdienst für die evangelischen Deutschen in Barcelona zu organisieren – und zwar durch den Gesandtschaftsprediger Rothe aus Lissabon. Der damalige preußische Konsul in Barcelona riet noch dringend von einem solchen Unternehmen ab.
Doch immer mehr Kaufleute, Unternehmer und Facharbeiter zog es Ende des 19. Jahrhunderts aus den deutschen Landen in die boomende Hafenstadt am Mittelmeer. Die wachsende deutsche Kolonie verlangte nach einer evangelischen Gemeinde.
1884 kam Hilfe aus Madrid. Und zwar von Pfarrer Fritz Fliedner (1845-1901), einem Sohn des großen Kaiserswerther Diakoniegründers Theodor Fliedner (1800-1864). Auch der Fliedner-Sohn war ein Gründervater: Er wurde zu einer der Gründungspersönlichkeiten der evangelischen Kirche in Spanien.
Das erste spanisch-evangelische Liederbuch
Fliedner hatte die Gelegenheit genutzt, die sich nach der Revolution 1868 bot – die erste spanische Verfassung, die Religionsfreiheit garantierte: Er war nach Madrid gegangen, und er hatte eine Mission. 1870 wurde er zum Pfarrer ordiniert und Prediger der deutschen Gesandtschaft. Gemeinsam mit seiner schottischen Frau Joan Brown sorgte er für den Bau einer evangelischen Kirche in Madrid. Verbunden war alles in bester Kaiserswerther Tradition mit einer aktiven Sozialarbeit: einer Grundschule, einem Waisenhaus und einer Krankenstation. Noch heute wird "Federico" Fliedner in Spanien als Diakoniegründer verehrt, eine evangelische Stiftung trägt seinen Namen.
Allerwerteste Fans
Der Zuschauerzuspruch für den katalanischen Club war schnell größer als die Stadionkapazität. Sie lag mit 6000 Plätzen in den 1920er-Jahren bei nicht annähernd einem Zehntel dessen, was das heutige Camp Nou an Plätzen bietet (nämlich exakt 99 354). Die Fans kletterten deshalb auch auf die Mauer, die das Stadion umgab und besetzten diese. Und was war während der Spiele von der Straße aus für Passanten zu sehen?
Genau. »Culés« halt.
Fliedner lernte rasch Spanisch, übertrug protestantische Kirchenlieder in ein spanisch-evangelisches Gesangbuch, schrieb eine spanische Luther-Biografie. Unermüdlich reiste er durchs Land und wirkte am Gemeindeaufbau und an der Vernetzung der bisherigen protestantischen Untergrundkirchen mit. 1872 war "Federico" Fliedner entscheidend an der Gründung der "Iglesia cristiana española" beteiligt. Sie ist der Ursprung der heutigen "Iglesia Evangélica Española" (IEE). Daneben gibt es noch die anglikanische "Iglesia Española Reformada Episcopal" (IERE).
Rund 150 000 oder 0,3 Prozent der etwa 47 Millionen Spanier sind heute Protestanten. Ungefähr ebenso viele sind Mitglieder des FC Barcelona. Wie viele beides gleichzeitig sind, Protestanten und FCB-Mitglieder, war nicht zu eruieren. Bekannt ist hingegen, dass der bayerische FCB fast doppelt so viele Mitglieder hat wie der katalanische, nämlich mehr als 290 000.
Allianz von Schweizer Reformierten und deutsche Lutheranern
Doch zurück ins Jahr 1884, als Fritz Fliedner den Evangelischen in Barcelona das Pfarrergehalt in Höhe von 2400 Mark fürs erste Jahr garantieren konnte. Und einen Pfarrer hatte er auch schon gefunden: Pastor Johannes Rüter aus Altendorf bei Essen.
In der Stadt ansässige Schweizer Reformierte und deutsche Lutheraner hatten keine Berührungsängste und griffen zu: Gemeinsam rief man deutschsprechende evangelische Familien in Barcelona auf:
"Die Endunterzeichneten laden Sie hiermit freundschaftlich ein zu einer vertraulichen Besprechung betreffs Gründung einer Deutsch-Evangelischen Gemeinde in Barcelona zu Sonntag, den 22. März 1885, morgens 11 Uhr auf dem Schweizer Konsulat, calle Aviñó, 20."
Die "Endunterzeichneten" waren der Schweizer Konsul Johann Ulrich Hohl und der aus Wuppertal-Elberfeld stammende Kaufmann Gustav Schul.
Die Gründungsgemeinde bestand aus 56 Mitgliedern. Fast 20 Jahre später, 1903, gelang der Bau einer ersten eigenen Kirche mit Pfarrhaus und Schule in der Carrer Moyà. Diese verkaufte die Gemeinde 1941, um sich 1942 von Otto Bartning (der nach dem Zweiten Weltkrieg als "Notkirchen-Architekt" berühmt wurde) in der Carrer de Brusi ein neues Gemeindezentrum bauen zu lassen. Hier ist die deutschsprachige evangelische Gemeinde Barcelonas bis heute zu Hause.
Damals, als Hans Gamper aus Zürich in die Mittelmeerhafenstadt kam, trafen sich die deutschsprachigen Protestanten – Schweizer, Deutsche, vielleicht auch Österreicher – noch in einer Kapelle der Methodisten. Auch sie lag im Stadtteil Sant Gervasi, wo die deutschsprachige evangelische Kirche immer noch beheimatet ist.
Ein Pfarrerssohn, der Sportlehrer wurde
Gampers Pfarrer in Barcelona war Otto Wilhelm Karl Amtsberg (1866-1906), Rüters Nachfolger seit 1893 und Gründer der bis heute bestehenden deutschen Schule in Barcelona. Einem Stammbaum seiner Familie zufolge war er mit Isabella Micaela Gräfin Martinez de Castilla verheiratet, also einer Spanierin. Der Pfarr-Almanach der preußischen Kirchen-Provinz Sachsen verzeichnet, dass er ab 1900 wieder in Deutschland wirkte: als Pfarrer von Groß-Mangelsdorf, einem Kaff bei Jerichow an der Elbe, das heute in Sachsen-Anhalt liegt.
Der gebürtige Stralsunder, unter dessen Ägide die evangelischen Gründer des FC Barcelona zusammenfanden, kam aus einer verzweigten Mecklenburger Familie, die viele Pfarrer hervorbrachte. Sein Sohn Wilhelm Berthold schlug aus der Art: Er wurde "Diplom-Sportlehrer" an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin. Wer mag, darf gerne die Gedanken schweifen lassen und über sportlich-evangelische, deutsch-spanische Barcelona-Verbindungen spekulieren.
Was mit Gemeinde-Kickern begann, wurde ein Weltclub
Über den Treffpunkt Kirche lernte Hans Gamper nicht nur den Heidenheimer Otto Maier (1877-1965) kennen, den ersten etatmäßigen Mittelstürmer des FC Barcelona, sondern auch die englischen Brüder John und William Parsons. Gamper besorgte aus der Schweiz einen richtigen Fußball. Gemeinsam mit weiteren jungen Männern aus der evangelischen Gemeinde sowie katalanischen Straßenkickern aus der Nachbarschaft spielte man abends nach der Arbeit auf der Esplanade vor Barcelonas "Arc de Triomf" (katalanisch für Triumphbogen). Dort gab es gute künstliche Beleuchtung: Man konnte auch nach Sonnenuntergang kicken.
Otto Maier war als Angestellter der Firma Hartmann nach Barcelona gekommen. Die schwäbische Firma stieg damals mit ihrem innovativen antiseptischen Verbandsmaterial zum Weltkonzern auf. 1888 hatte Hartmann eine Produktionsstätte in Barcelona eröffnet.
Schon während des Jura-Studiums in Berlin hatte Maier gekickt: beim FC Britannia, einem der ältesten Fußballclubs in Deutschland überhaupt, der sich im Dezember 1914 der anti-britischen Stimmung im Ersten Weltkrieg folgend in Berliner SV 1892 umbenannte.
Internationales Fußball-Netzwerk
In der juristischen Abteilung von Hartmann in Barcelona arbeitete Maier mit einem katalanischen Kollegen namens Enrique Ducay zusammen, der genauso verrückt nach der "Fußlümmelei" war wie er selbst. Er nahm ihn mit zur Gemeindemannschaft.
"Fusslümmelei. Über Stauchballspiel und englische Krankheit" ist der Titel eines berüchtigten Anti-Fußball-Buchs, das der Stuttgarter Gymnasialprofessor und Turnlehrer Paul Julius Möbius in genau dem Jahr veröffentlichte, als Gamper, Maier, die Parsons und Ducay zusammenfanden. Sie alle und dazu noch die Schweizer Otto Künzle und Walter Wild gehörten zu den zwölf Gründungsmitgliedern, die am 29. November 1899, bald nach der Anzeige in Los Deportes, im "Gimnàs Soler", einem Sportclub zwei Blocks entfernt von den Ramblas, den FC Barcelona offiziell ins Leben riefen. Es sollte ein Club sein, in dem jeder willkommen war – unabhängig von seiner Religion oder Herkunft, und in dem nur der Sport zählte.
Noch aus seiner Berliner Fußballzeit kannte Otto Maier den Abwehrspieler Udo Steinberg. Auch er war Jahrgang 1877, auch er kam aus beruflichen Gründen nach Barcelona. Schon als 15-jähriger Schüler gehörte der gebürtige Berliner zu den Gründern des FC Britannia. Von 1895 bis 1900 studierte Steinberg Elektrotechnik und Maschinenbau in Mittweida in Sachsen. Auch hier und später in Chemnitz gründete er Fußballvereine. Kurz vor seinem Spanienabenteuer war Steinberg Ende Januar 1900 in Leipzig als Delegierter von Britannia Chemnitz bei der Gründung des Deutschen Fußball-Bunds mit von der Partie.
Symbol des katalanisch-spanischen Konflikts
Wenig später ging der Deutsche aus der evangelischen Gemeinde Barcelona als erster Torschütze in die Geschichte des "El Clásico" ein, einer der ältesten und tiefsten Fußballrivalitäten, die es gibt: Am 13. Mai 1902 erzielte der damals 25-Jährige bei einem Show-Turnier für König Alfonso XIII – der Beginn des spanischen Pokalwettbewerbs Copa del Rey – zwei Treffer beim 3:1-Sieg des FC Barcelona gegen Real Madrid. Wobei Real damals noch FC Madrid hieß und erst 1920 "königlich" umfirmierte.
Udo Steinberg arbeitete im Hauptberuf als Vertreter deutscher Elektrotechnikfirmen. Bis 1910 war der Deutsche eine tragende Säule des FC Barcelona auf und neben dem Platz. So wurde er im März 1902 erster Leiter der neuen Fußballschule des Vereins, aus der sich später die legendäre Talentschmiede "La Masia" entwickelte. In Barcelona und ganz Katalonien halten viele Steinbergs Ende bis heute für eine grausame Ironie des Schicksals. Nicht etwa, weil der Real-Besieger am 25. Dezember 1919 der spanischen Grippe erlag. Sondern weil er in Madrid starb.
Woher kommen die Clubfarben?
Von Anfang an spielte der Verein in "Blaugrana", in den Trikotfarben Blau und Dunkelrot. Mitgründer Otto Maier hat bis zuletzt Stein und Bein geschworen, dass die "Barça"-Farben dem blau-roten Logo der schwäbischen Firma Hartmann zu verdanken seien. Maier lebte bis zu seinem Tod am 6. Oktober 1965 als erfolgreicher Unternehmer in Barcelona. Sein Sohn Enrique "Bubi" Maier war als spanischer Tennisspieler und ‑nationaltrainer erfolgreich.
Andere Legenden führen die Vereinsfarben auf den Schweizer Gamper zurück: Dieser habe sich von den Farben des Tessins inspirieren lassen, wo seine Schwester gelebt habe, sagen die einen. Manche verweisen auf die identischen Clubfarben des FC Basel, für den Gamper zwei Spiele bestritt. Wieder andere verweisen darauf, dass Gamper den FC Zürich mitgründete und dieser in seinen Anfangsjahren sowohl in den Zürcher Stadtfarben Blau-Weiß als auch in Rot-Weiß antrat. Die Frage wird ein Rätsel bleiben, auch weil sich Joan Gamper vor seinem frühen Ende nie dazu geäußert hat.
Der einzige deutsche Präsident
Am 30. November 1907 heiratete der Protestant Gamper in Aachen eine Schweizer Katholikin: Maria Emma Pilloud aus dem Kanton Fribourg. 1908 wurde er erstmals selbst Präsident des Clubs. Sein Amtsnachfolger war Otto Hellmuth Gmelin (1876-1925) aus Wangen im Allgäu. Auch er fand über die evangelische Gemeinde Barcelona zum Club. Gmelin ist der einzige Deutsche in der Vereinsgeschichte, der Präsident des FC Barcelona war.
Im Ersten Weltkrieg rutschte Gamper nicht nur mit seiner Importfirma für Kolonialwaren in ökonomische Turbulenzen, er kam auch erstmals in politische Schwierigkeiten. Weil er deutsche evangelische Gemeindemitglieder wirtschaftlich unterstützte, galt er als "deutsch-freundlich".
Dennoch wurde Gamper 1917 als Präsident wiedergewählt. Mit dem Engländer Jack Greenwall stellte er erstmals einen professionellen Trainer ein. Gleichzeitig änderte der Club offiziell seine Sprache von Spanisch zu Katalanisch. Mehr und mehr entwickelte sich der FC Barcelona zu einem Symbol der katalanischen Identität. Hans Gamper gerät damit ins Zentrum eines bitteren Konflikts, der bis heute andauert.
Bonhoeffer, Barcelona und der Sport
Am 17. Dezember 1925 werden er und die gesamte Clubführung vom spanischen Militärdiktator Miguel Primo de Rivera wegen "katalanischem Nationalismus" des Amts enthoben. Gamper muss das Land verlassen, und das FCB-Stadion wird für ein halbes Jahr geschlossen.
Es war in dieser Zeit der Diktatur vor dem Spanischen Bürgerkrieg, als Dietrich Bonhoeffer nach Barcelona kam. Von Anfang 1928 bis Anfang 1929 war er Vikar der deutschsprachigen Gemeinde und hinterließ mit seinen Predigten und seinem Elan für die Kinder- und Jugendarbeit einen bleibenden Eindruck. Ob der spätere Widerstandskämpfer gegen Hitler auch beim Fußball war, ist nicht bekannt. Bonhoeffer war jedenfalls in der Stierkampfarena: Seinem Schwager Rüdiger Schleicher schickte er eine Ansichtskarte, auf der er "Mit Matadorengruß"
unterschrieb. Auf der Karte ist Bonhoeffer in einer Fotomontage zu sehen – als Stierkämpfer. Mitglied im deutschen Tennisverein von Barcelona war der Theologe ebenfalls.
"Wo ein Volk betet, da ist Kirche, und da ist keiner allein", schrieb Bonhoeffer in Barcelona in sein Tagebuch. Über die deutschsprachige evangelische Auslandsgemeinde notierte er aber auch leicht ironisch:
"Diese Leute stehen der Kirche wohl ebenso positiv gegenüber wie dem Sport oder der Deutschnationalen Partei, nur weniger aktiv."
Als Gamper 1929 nach Barcelona zurückkehren kann, ist Bonhoeffer schon weitergezogen. Die beiden sind sich also nie begegnet. Im September macht der Verein Gamper zum Ehrenmitglied Nummer 1. Wenige Wochen später beginnt mit dem "Schwarzen Freitag" die große Weltwirtschaftskrise. Gamper verliert sein gesamtes Vermögen. Er hatte viel Geld in kubanisches Zuckerrohr investiert.
Am 30. Juli 1930 nimmt sich Gamper in seinem Haus in der Calle Girona das Leben. Mit einer Pistole schießt er sich in Kopf. Seine Frau Emma und die Haushälterin finden ihn. Nur mit Mühe kann die Haushälterin Gampers Frau davon abhalten, nach der Pistole zu greifen und sich ebenfalls das Leben zu nehmen.
Joan Gamper, obschon Protestant, erhielt ein katholisches Begräbnis. Dem Trauerzug zum Friedhof auf dem Montjuic folgten Tausende Menschen. Nie wieder war nach Hans Gampers Tod ein Ausländer Präsident des FC Barcelona. Mit seinem Leben endete auch die "evangelische Geschichte" dieses Vereins, der schon immer "Més que un club" – mehr als nur ein Club – war.