Angesichts des Krieges zwischen Russland und der Ukraine sagte die Slawistin Sabine Arnold dem Sonntagsblatt, "das lässt sich nicht auseinanderdividieren". Jeder Russe habe doch eine ukrainische Cousine und jede Ukrainerin einen russischen Onkel. "Da sind keine tiefen Gräben, warum auch", so Arnold. Manches ukrainisch-stämmige Gemeindemitglied habe Vorfahren, die von Russland in die Ukraine umgesiedelt worden seien, um dort den russischen Bevölkerungsanteil zu heben. Miteinander zu leben sei daher immer "ganz normal" gewesen.

Es gebe schon Gemeindemitglieder, die sich bisher Kritik an Putin verbeten hätten, "aber sobald Not am Mann ist, packen sie an", berichtete Arnold. Sie erzählte beispielhaft von einer russisch-stämmigen Frau, die jetzt angeboten habe, sich in der Beratung für ukrainische Flüchtlinge zu engagieren.

"Da steht der Mensch im Vordergrund, das große Wort tritt zurück und man packt an."

Auch bei Putin Anhänger schwindet das Verständnis 

Bei vielen Anhängern Putins sei auch das Verständnis für dessen Politik am Ende, wenn sie sehen, dass durch sie russische Soldaten sterben, berichtete Arnold. Auch ukrainische Familien wiederum würden russische Familien kennen, deren Söhne in den Kämpfen fallen.

"Da brechen dann Denksysteme auseinander, die Leute sind irritiert und müssen umdenken".

Die Aussiedlerseelsorgerin machte sich und der deutschen Gesellschaft allerdings selbst Vorwürfe, seit der Annexion der Halbinsel Krim durch die Russen im Jahr 2014 "nicht richtig hingeschaut zu haben". Die betriebene Propaganda und die Ausgabe von Waffen seien zu wenig ernst genommen worden.

Die SinN-Stiftung des evangelischen Dekanats Nürnberg kümmert sich seelsorgerisch um russisch- und ukrainischsprachige Zuwanderer, darunter auch Kontingentflüchtlinge aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion und Flüchtlinge. In Nürnberg leben schätzungsweise 40.000 Russischsprachige, davon etwa 20.000 Russlanddeutsche, die zu einem großen Teil zur evangelischen Kirche gehören. Die "SinN-Stiftung" hat im Jahr 2017 den Bürgerpreis der Landtagspräsidentin unter dem Motto "Mein Glaube, Dein Glaube - unser Land" erhalten.