Die Berliner Polizei ermittelt gegen das Online-Magazin "queer.de". Dies teilte der Geschäftsführer Micha Schulze am Freitag, den 6. Januar, auf seinem Twitter-Account mit.
Die Polizei Berlin ermittelt gegen https://t.co/KRz5DnvJur wegen der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener". Grund ist dieser Artikel. Eine Anklage wäre erschreckend. Aber gerne erklären wir immer wieder, warum Ratze ein queerfeindlicher Hetzer war https://t.co/B5vivFmRAE
— Micha Schulze (@queeriban) January 6, 2023
Der Grund der Ermittlungen ist demnach ein am Silvestertag veröffentlichter Nachruf auf den emeritierten Papst Benedikt XVI. Die Überschrift lautet: "Mit Ratzinger starb einer der größten queerfeindlichen Hetzer". Eine bislang unbekannte Person habe wegen des Artikels Anzeige erstattet, der Vorwurf laute "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener", sagte Schulze. Im Falle eine Verurteilung drohe den Verantwortlichen eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
Der ehemalige Papst Joseph Ratzinger war am Silvestertag im Alter von 95 Jahren gestorben und am Donnerstag im Petersdom in Rom beigesetzt worden. Er war von 2005 bis zu seinem freiwilligen Rücktritt 2013 Oberhaupt der katholischen Kirche.
"Queer.de"-Chef spricht von "Welle der Solidarität"
In einem Artikel in eigener Sache zeigt sich der "queer.de"-Chef Schulze überrascht von den Ermittlungen. Weiter spricht er von einer "Welle der Solidarität", die das Magazin nach der öffentlichen Bekanntgabe der Vorwürfe erreicht habe.
Tatsächlich fordert unter anderem der Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Berlin-Brandenburg, Jörg Reichel, die Berliner Polizei dazu auf, die Ermittlungen einzustellen.
"Langatmige Ermittlungen oder eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft wären ein Angriff auf die Pressefreiheit",
schreibt er auf Twitter.
übler Nachrede oder einer Verleumdung. Die Polizei muss zwar bei dieser Strafanzeige (Antragsrecht der Angehörigen) die Ermittlungen aufnehmen - Legalitätsprinzip. Die Staatsanwaltschaft sollte aber umgehend zu der Auffassung kommen, das die Ermittlungen eingestellt werden. 2/3
— Jörg Reichel (dju Berlin-Brandenburg) (@ver_jorg) January 8, 2023
Langatmige Ermittlungen oder eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft wären ein Angriff auf die Pressefreiheit. #Pressefreiheit 3/3
— Jörg Reichel (dju Berlin-Brandenburg) (@ver_jorg) January 8, 2023
Großes Vertrauen in Rechtsstaat
Da er und seine Kolleg*innen die Ansicht teilten, dass es sich um eine Angriff auf die Pressefreiheit handele, werde er der Polizei keine freiwilligen Auskünfte erteilen, erklärt Schulze weiter:
"Bereits die Vorermittlungen und die Annahme eines Anfangsverdachts gehen deutlich zu weit."
Sein Vertrauen in den Rechtsstaat und die Pressefreiheit in Deutschland sei aber groß genug, dass er sich eine Durchsuchung der Redaktionsräume, einen Strafbefehl, eine Anklage oder gar eine Verurteilung nicht vorstellen könne.
Unklar, von wem Anzeige stammt
Unklar ist, wer die "queer.de"-Redakteure bei der Polizei angezeigt hat. Schulze weist in seinem Artikel darauf hin, dass es sich bei der "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" um ein sogenanntes absolutes Antragsdelikt handele. Das bedeutet: Nur Angehörige Ratzingers sind antragsberechtigt und können die Anzeige gestellt haben.
Das engt den möglichen Personenkreis erheblich ein. Ratzingers Eltern sowie seine beiden Geschwister leben nicht mehr. Laut dem Ratzinger-Familienforscher Johann Nußbaum leben noch zwei Cousinen mütterlicherseits sowie einige Großcousins von der Seite des Vaters.