Finden Sie die Entscheidung, als Hauptsponsor des CSD aktiv zu werden, nach wie vor richtig?
Tobias Gaydoul: Ja.
"Wir unterstützen den CSD in Nürnberg und unterstreichen damit unsere Erfahrung, dass die Vielfalt unserer Kolleg*innen positive Auswirkungen auf unsere täglichen diakonischen Aufgaben hat."
Welche Beweggründe haben Sie zu dieser Entscheidung bewogen?
Gaydoul: Als Rummelsberger Diakonie stehen wir für Chancengleichheit. Nach unserer Auffassung gilt die für alle Menschen. Geschlecht, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, Aussehen, Alter, Soziale Schicht, mit und ohne Behinderung, Herkunft, Religion: nichts darf die Chancengleichheit von Menschen verhindern. Dieser Vielfalt ist die Rummelsberger Diakonie aus ihrem christlichen Auftrag heraus verpflichtet. Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes. Jeder Mensch hat den gleichen Wert und die gleiche Würde.
Seit Jahren beteiligen sich viele Rummelsberger Mitarbeiter*innen am Nürnberger CSD. Die insgesamt rund 6.200 Kolleg*innen stammen übrigens aus über 80 Nationen und gehören 23 Glaubensrichtungen an. Auch das ist Vielfalt. Als Vorstand begrüßen und unterstützen wir das Engagement für Toleranz, Chancengleichheit und die Freiheit der sexuellen Orientierung. Wir unterstützen den CSD in Nürnberg und unterstreichen damit unsere Erfahrung, dass die Vielfalt unserer Kolleg*innen positive Auswirkungen auf unsere täglichen diakonischen Aufgaben hat.
Gab es intern auch Bedenken?
Gaydoul: Intern wurde unsere Entscheidung nicht in Frage gestellt. Es gab Rückfragen, zum Beispiel, wie man das Engagement des Arbeitgebers unterstützen kann. Für die Kommunikation haben wir einen FAQ-Katalog zur Verfügung gestellt, der immer mal wieder ergänzt wird, wenn ein neuer Aspekt auftaucht.
Zu unserer Freude haben uns viele Kolleg*innen, die Mitarbeitervertretungen und der Aufsichtsrat sehr viele positive Rückmeldungen zuteilwerden lassen.
Weitere Mitglieder des Vorstandes der Rummelsberger Diakonie sind: Diakonin Elisabeth Peterhoff, Diakon Peter Barbian und Karl Schulz.
"Aus der diakonischen Landschaft haben uns viele Träger in Bayern und deutschlandweit zu diesem Engagement beglückwünscht und uns zum Weitermachen ermutigt."
Gab es von außen Kritik an der Entscheidung der Rummelsberger Diakonie?
Gaydoul: Dass wir mit unserem Engagement einen möglichen Diskurs in Gang setzen, war und ist uns bewusst. Das wollen wir auch so. Wir wollen aktiv gesellschaftliche Entwicklungen begleiten und gestalten. Dazu gehört auch, uns in die Auseinandersetzung zu den Themen des CSD einzumischen. Als Rummelsberger Diakonie haben wir uns hierzu klar positioniert. Aus der diakonischen Landschaft haben uns viele Träger in Bayern und deutschlandweit zu diesem Engagement beglückwünscht und uns zum Weitermachen ermutigt.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Gaydoul: Sofern die Kritik so geäußert wurde, dass Kritiker*innen einen echten Dialog und eine damit verbundene Auseinandersetzung gesucht haben, sind wir natürlich in Gesprächen, E-Mails und Briefen mit diesen Menschen in den Austausch gegangen. Diesen Dialog begrüßen wir, denn genau da haben wir die Möglichkeit, unsere Haltungen zu kommunizieren und zu dem zu stehen, wie wir Vielfalt sehen. Lieber eine Diskussion auf offener Bühne, als im stillen Kämmerlein.
Wo Kritik so geäußert wurde, dass wir persönlich angegriffen wurden oder uns abgesprochen wurde, als Diakonie so handeln zu dürfen, haben wir uns erlaubt, nicht zu reagieren. Manchmal haben wir auch nur den Eingang eines Briefes bestätigt.
"Wesentlich ist, andere Meinungen zuzulassen und auszuhalten. Das ist die "Magna Charta" für eine freie, liberale und soziale Gesellschaft."
Gab es auch Anfeindungen, Bedrohungen o.ä.?
Gaydoul: Dass manche Kritik über sachliche Fragestellungen hinausgegangen ist, muss leider zur Kenntnis genommen werden. Wir erleben heute mehr denn je einen Missklang in unserer Gesellschaft. Errungenschaften, die wir auch aus unserer Geschichte heraus über Jahre erarbeitet und gepflegt haben, scheinen uns wie Sand aus den Händen zu rinnen: ein ausgeglichener Diskurs, Rede und Gegenrede, Meinungsvielfalt, Zuhören können. Wesentlich ist, andere Meinungen zuzulassen und auszuhalten. Das ist sozusagen die "Magna Charta" für eine freie, liberale und soziale Gesellschaft.
Und wie gehen Sie damit um?
Gaydoul: Ernsthafte Anfragen werden beantwortet. Sobald strafrechtliche Belange wie Beleidigungen ausgesprochen werden, behalten wir uns vor, juristische Schritte einzuleiten. Aber – es zwingt uns niemand dazu, Steine, die in unsere Richtung geworfen werden, aufzunehmen und zurückzuwerfen.
"Wir schaffen es nur dann, Vorurteile abzubauen, wenn wir offen über queere Themen sprechen und nicht so tun, als ob es diese nicht gäbe."
Wie kann die Diakonie dazu beitragen, Feindseligkeiten gegenüber homosexuellen oder queeren Menschen abzubauen?
Gaydoul: Zum Beispiel dadurch, dass wir deutlich Stellung beziehen und eine klare Haltung zeigen. Wir stehen für eine vielfältige, offene Gesellschaft. Chancengleichheit darf nicht nur ein Wort sein – auch in der Diakonie. Und, na klar lösen manche Bilder immer noch Vorurteile und Denkmuster aus. Ich hatte gehofft, das hätten wir schon hinter uns. Meine Überzeugung ist: Wir schaffen es nur dann, Vorurteile abzubauen, wenn wir offen über queere Themen sprechen und nicht so tun, als ob es diese nicht gäbe. An vielen Stellen in der Rummelsberger Diakonie gelingt uns das schon gut; besser geht immer. Wer mag, darf uns gerne nacheifern.
In welcher Form werden Angehörige der Rummelsberger Diakonie am CSD in Nürnberg teilnehmen?
Gaydoul: Die Demonstration im August ist ja nur eine von vielen Veranstaltungen, welche wir gemeinsam mit dem CSD Nürnberg durchführen. Daneben gibt es Informationsveranstaltungen, Podiumsdiskussionen und andere Formate, an denen wir uns engagieren. Eins davon war unser Jahresfest im Mai: bunt, vielfältig, voller Lebensfreude und mit rund 12.000 Gästen in Rummelsberg.
Wir nehmen an der großen Demonstration gegen Diskriminierung, für Vielfalt und für gleiche Rechte für alle Menschen am 6. August in Nürnberg teil. Wer dort mit uns demonstrieren will, ist herzlich willkommen. Wer dort den offenen Dialog mit uns sucht: Sprechen Sie uns an.
Die Rummelsberger Diakonie
Die Rummelsberger Diakonie e.V. ist einer der großen diakonischen Träger in Deutschland. Sie ist Träger von mehr als 230 Diensten und Einrichtungen für Kinder, Jugendliche, Familien, Menschen mit Behinderung und Senior*innen und beschäftigt mehr als 6.200 Mitarbeitende in Voll- und Teilzeit. Darüber hinaus bietet sie mehr als 1.000 Ausbildungsplätze in sozialen, pflegerischen und diakonischen Berufen. Mehr als 12.000 Menschen nehmen täglich Dienstleistungen in Anspruch. Der Jahresumsatz beträgt rund 350 Mio. Euro.
CSD und Pride Week in Nürnberg
Der Christopher Street Day findet in Nürnberg im Rahmen der Pride Weeks vom 21. Juli bis 7. August statt. Zum Abschluss seien Demos durch die Innenstadt geplant. Die Rummelsberger wollen daran auch mit einem Wagen teilnehmen und einen Infostand bei der Abschlusskundgebung organisieren. Die Bezeichnung Christopher Street Day geht auf einen Aufstand von Homosexuellen in der New Yorker Christopher Street im Jahr 1969 zurück. Seit 1979 gibt es auch in Deutschland vielerorts Veranstaltungen, die daran erinnern.