Einen Tag, nachdem der weiße Rauch am Schornstein der Sixtinischen Kapelle emporgestiegen war, titelte die Bild "Wir sind Papst". Für die Deutschen war die Ernennung von Joseph Kardinal Ratzinger zum Papst eine große Sache. Doch die Begeisterung für Benedikt XVI. schwand recht schnell, als deutlich wurde, dass der Papst den konservativen Kurs seines Vorgängers fortführte.

Am Silvestersamstag, den 31. Dezember 2022, um 9.34 Uhr starb der emeritierte Papst Benedikt XVI. in seiner Residenz im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan, erklärte der Sprecher des Heiligen Stuhls, Matteo Bruni. Sein Gesundheitszustand hatte sich in den letzten Tagen zusehends verschlechtert. Öffentliche Auftritte gab es schon länger nicht mehr.

Joseph Aloisius Ratzinger stammte aus Marktl

Was hat Papst Benedikt XVI, der am 16. April 1927 im bayerischen Ort Marktl geboren wurde, in seinem Leben erreicht? Als Jugendlicher wurde Joseph Aloisius während des Zweiten Weltkriegs zum Arbeitsdienst in das österreichische Burgenland verschickt. Ende 1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen und als Flakhelfer eingesetzt; bei Kriegsende kam er kurz in amerikanische Kriegsgefangenschaft.

Ratzinger wurde 1951 zum Priester geweiht und schlug eine akademische Laufbahn ein. Als Professor lehrte er katholische Dogmatik und Dogmengeschichte an verschiedenen Universitäten. 1977 wurde er zum Erzbischof von München und Freising. Der Kardinal wurde 1981 an den Vatikan gerufen.

Als Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation bestimmte er in den folgenden Jahren maßgeblich den Kurs der Kurie mit. Im Konklave wurde er am 19. April 2005 mit 78 Jahren als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt – als erster deutscher Papst seit dem 16. Jahrhundert.

Was bleibt von diesem Papst?

Wer die Nachrufe evangelischer Geistlicher liest, wird dort nur wenig Lob für die Ökumene finden. Der Leitende Bischof der VELKD, Landesbischof Ralf Meister, würdigt Benedikt als "tiefgründigen Denker und Theologen" sowie frommen Menschen. Doch er erklärt auch, dass Ratzinger "kein einfacher Gesprächspartner" gewesen sei - vielmehr habe er die evangelische Kirche mit seinen Positionen herausgefordert.

EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus würdigt den "Scharfsinn und die intellektuelle Prägnanz" des Theologen, der immer betont habe, dass ein Dialog der Konfessionen "nur auf der Grundlage eines klaren eigenen Profils möglich sei". Bei seinem Besuch 2011 in Erfurt habe Papst Benedikt XVI. betont, dass die Ökumene die "großen Gemeinsamkeiten" nicht aus dem Blick verlieren dürfe, so Kurschus. Die Hoffnung, die sich damals die Evangelische Kirche im Hinblick auf eine gegenseitige Anerkennung des Abendmahls gemacht hatte, wurde gründlich enttäuscht. Der damalige EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider sagte damals: "Unser Herz brennt nach mehr. Und das war heute zu spüren", sagte er. Während des Pontifikats von Benedikt gab es auch später keine weitere Annäherung der beiden Kirchen.

Wie bitter das für die Evangelischen ist, lässt der bayerische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm in seinem Nachruf anklingen. Die Erklärung "Dominus Jesus", die der damalige Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation 2000 veröffentlichte, habe "Verletzungen hinterlassen, die nachgewirkt haben", so Bedford-Strohm. Die darin formulierte Vorstellung, dass die katholische Kirche die "eigentliche Kirche" sei und alle anderen nur "kirchliche Gemeinschaften", sei "kein tragfähiges Konzept von Ökumene", so der Landesbischof.

Das größte Lob erteilen die evangelischen Geistlichen dem früheren Papst für seinen spektakulären Rücktritt. Joseph Ratzinger trat am 28. Februar 2013 freiwillig zurück mit der Begründung, dass ihm die Kräfte für dieses anspruchsvolle Amt fehlten. Dies sei ein Schritt gewesen, mit dem er das "Papstamt in seiner Menschlichkeit sichtbar gemacht habe", erklärte Landesbischof Meister in Hannover.

Umstritten blieb der emeritierte Papst Benedikt XVI. wegen seines Umgangs mit Fällen sexuellen Missbrauchs in der römisch-katholischen Kirche. Zwar führte er strengere Regeln ein für den Umgang mit den Tätern und versetzte rund 400 Priester in den Laienstand. Erst kürzlich warf ein Missbrauchsopfer dem ehemaligen Papst vor, eine Mitschuld an den erlittenen Taten zu haben. Das Landgericht Traunstein hatte deshalb eine Feststellungsklage eingeleitet, der Gerichtstermin war für März vorgesehen.

Anders als der Kabarretist Hagen Rether ironisch vorraussagte, titelte die Bild-Zeitung am Silvestermorgen keineswegs "Wir sind tot", sondern zitierte den CSU-Politiker Söder mit den Worten "Wir trauern um unseren bayerischen Papst".

Im Freistaat wird der Leichnam des ehemaligen Papstes nicht bestattet werden. Ratzinger möchte in der Grotte unter dem Petersdom beigelegt werden. Zuvor gibt es für alle Gläubigen die Gelegenheit, sich von dem ehemaligen katholischen Oberhaupt zu verabschieden: Ab 2. Januar soll Benedikt XVI. im Petersdom aufgebahrt werden. Und am 5. Januar um 9.30 Uhr wird Papst Franziskus das Requiem für seinen Vorgänger auf dem Petersplatz leiten.

 

 

Papst Benedikt XVI. mit dem evangelischen Landesbischof Friedrich
Papst Benedikt XVI. mit dem evangelischen Landesbischof Friedrich. 2011 hatte der Papst im Vatikan eine Delegation der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) unter der Leitung des bayerischen Landesbischofs Johannes Friedrich (li.) zu einer Audienz empfangen.
Papst Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI. - ein Bier geht immer in Bayern. Seinen 90. Geburtstag feierte der frühere Papst 2017 mit bayerischen Gebirgsjägern.
Das Geburtsthaus von Papst Benedikt XVI. in Marktl in Bayern.
Das Geburtshaus von Papst Benedikt XVI. in Marktl in Bayern.
Papst Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI.
Papst Benedikt XVI. beim Abendmahl in Erfurt - damals feierte er unter freiem Himmel. Der Gottesdienst bildete den Abschluss seines Besuchs in Thüringen 2011. Knapp 30.000 Menschen versammelten sich, um mit dem Papst den Gottesdienst zu feiern. Benedikt XVI. hat bei der Messe die friedliche Revolution in der DDR gewürdigt.
Papst Benedikt XVI.
In der Sommer-Krippe in der Neustädter Kirche in Erlangen findet sich eine Ökumene, wie sie es nie gegeben hat. Dort steht der emeritierte Papst Benedikt XVI. neben dem bayerischen Landesbischof und EKD-Ratsvorsitzende, Heinrich Bedford-Stro​hm und daneben Papst Franziskus. Angefertigt haben diese Krippen-Figuren Gefangene der Justizvollzugsanstalt Heidelberg.

Reaktionen zum Tod des früheren Papstes Benedikt XVI.

Der Tod des früheren Papstes Benedikt XVI. hat besonders in seinem Heimatland Deutschland Trauer und Betroffenheit ausgelöst. Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft würdigten das Wirken des Theologen Joseph Ratzinger, ließen aber auch dessen umstrittene Seiten nicht unerwähnt.

"Schon im Wirken des Professors Joseph Ratzinger verband sich hohe theologische und philosophische Bildung mit verständlicher Sprache. Deswegen fanden viele Menschen, nicht nur Katholiken, in seinen Schriften und Ansprachen klare Orientierung. Er hat sich dem Suchen und Fragen der Menschen gestellt." (Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier)

"Vieles aus seiner reichen theologischen, wissenschaftlichen und seelsorgerischen Lebensleistung wird lange nachwirken" (Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD))

"Die Nachricht vom Tod Seiner Heiligkeit Benedikt XVI. erfüllt mich mit großer Trauer." (Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD))

"Benedikt XVI. war eine geschichtsträchtige Persönlichkeit und ein nicht unumstrittener Intellektueller. Heute aber gedenken wir seiner als Menschen." (Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP))

"Er gehört zu den bedeutendsten Theologen seiner Zeit." (Bundesratspräsident Peter Tschentscher (SPD))

"Er war uns ein großes Geschenk." (Georg Bätzing, Vorsitzender der katholischen Deutschen Bischofskonferenz)

"Papst Benedikt XVI. hat sein Amt stets theologisch und geistlich akzentuiert geführt. Das verbindet uns trotz aller Unterschiede miteinander. Dass er 2013 aus gesundheitlichen Gründen von seinem Amt zurückgetreten ist, macht ihn zutiefst menschlich." (Annette Kurschus, Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland)

"Was die Ökumene angeht, ist die Bilanz aber gemischt. Bei den Protestanten hat die Erklärung 'Dominus Jesus', die der damalige Kardinal Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation 2000 veröffentlicht hat, Verletzungen hinterlassen, die nachgewirkt haben. Dort heißt es, die protestantischen Kirchen seien nicht ,Kirche im eigentlichen Sinne'." (Heinrich Bedford-Strohm, bayerischer Landesbischof und ehemaliger EKD-Ratsvorsitzender).

"Er bekräftigte stets die tiefe Einbindung der römisch-katholischen Kirche in die Ökumene als unumkehrbar." (Der amtierende Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Ioan Sauca.)

"Papst Benedikt hat vor allem in seinem Heimatland Deutschland eine neue Hinwendung zur katholischen Kirche über alle Generationen hinweg auslösen können." (Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender)

"Wir trauern um unseren bayerischen Papst." (Markus Söder, Ministerpräsident Bayerns und CSU-Chef)

"Er hat Christus geliebt und ihm in seiner Kirche sein ganzes Leben geschenkt in seinem Wirken als Priester, als Bischof, schließlich als Papst." (Aachener Bischof Helmut Dieser)

"Auf mich hat ein Gedanke Papst Benedikts besondere Wirkung: Christsein ist keine Theorie, kein Gedankengebäude, sondern zuerst Begegnung mit einer Person, mit Jesus Christus." (Stefan Heße, Hamburger Erzbischof)

"Seinem Nachfolger Papst Franziskus und der ganzen Kirche hat er mit einem Klima der Angst und einem theologischen Stillstand ein schweres Erbe hinterlassen, das bis heute nachwirkt." (Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche")

"Respekt und Anerkennung für sein Lebenswerk als Gelehrter und interdisziplinär denkender Theologe zollten ihm bei seinem Rücktritt im Februar 2013 alle. Die ganze Welt - auch ich selbst - staunte über diesen Schritt, der vielleicht neue Maßstäbe für das Verständnis des Papsttums gesetzt hat." (Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken)

"Möge Benedikt XVI. nun in Frieden ruhen. Er hinterlässt ein großes und bedeutendes theologisches Erbe. Seine problematische Rolle und Positionierung zu den Missbräuchen in der katholischen Kirche bleiben ebenfalls in Erinnerung." (Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin, Mitglied des Deutschen Bundestags (Grüne)