Im Bundestag sind am Donnerstag Vorschläge für ein neues Sterbehilfe-Gesetz gescheitert. Mehrheitlich stimmte das Parlament am Donnerstag gegen zwei aus den Reihen des Bundestags vorgelegte Entwürfe, die Hilfe bei der Selbsttötung rechtssicher ermöglichen, gleichzeitig aber unterschiedlich strenge Bedingungen und Verfahren für die Abgabe tödlich wirkender Mittel festschreiben wollten.

Sterbehilfe bleibt erlaubt

Damit bleibt es dabei, dass Suizidassistenz in Deutschland grundsätzlich erlaubt ist, teilweise aber rechtliche Unsicherheiten birgt. Beide Gruppen wollten beispielsweise im Betäubungsmittelgesetz ausdrücklich festschreiben, dass die Abgabe todbringender Medikamente auch zum Zweck der Selbsttötung zulässig ist. Die Hürden für die Verschreibung der Mittel legten sie aber unterschiedlich hoch an.

Eine Gruppe um den Abgeordneten Lars Castellucci (SPD) plädierte für eine Regelung im Strafrecht, die ärztliche Begutachtungen zur Voraussetzung für diese Form der Sterbehilfe machte. 304 Abgeordnete stimmten für den Entwurf, 363 dagegen. Der Vorschlag der Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP), die eine Beratungsregelung außerhalb des Strafrechts vorsah, erhielt 287 Ja-Stimmen. 375 Abgeordnete stimmten mit Nein.

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 ein Verbot von auf Wiederholung angelegter - sogenannter geschäftsmäßiger - Hilfe bei der Selbsttötung gekippt, weil das Recht auf selbstbestimmtes Sterben nach seiner Sicht auch das Recht umfasst, Hilfe beim Suizid in Anspruch zu nehmen. Das Verbot zielte vor allem auf Sterbehilfeorganisationen, die diese Form der Sterbehilfe nach ihren Regeln praktizieren. Eine gesetzliche Regelung sollte auch dazu beitragen, deren Praxis zu regulieren oder überflüssig zu machen.

EKD war von beiden Entwürfen nicht überzeugt

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hatte sich für keinen der beiden Gesetzesentwürfe ausgesprochen. Die EKD betonte in ihrer Stellungnahme vor der Abstimmung, dass im Falle einer Entscheidung für einen assistierten Suizid in einer Grenzsituation zur Achtung vor dem einzelnen Menschen gehöre, "die Umsetzung dieser Entscheidung im Rahmen des Rechts zu ermöglichen, dieser Person vorurteilsfrei zu begegnen und sie seelsorgerlich zu begleiten".

Weiter hieß es: "Für diese Begleitung steht die evangelische Kirche bereit."

Die christlichen Kirchen in Deutschland wünschen sich einen neuen Anlauf für die Regelung der Sterbehilfe nach dem Scheitern zweier Gesetzesvorschläge im Bundestag. "Einer gesetzlichen Regelung der Suizidassistenz bedarf es weiterhin", sagte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, am Donnerstag laut Mitteilung der EKD in Hannover. Vielleicht liege in der Nicht-Entscheidung eine Chance, im nächsten Jahr einen neuen Entwurf vorzulegen, der die Bedenken gegen die beiden aktuell vorliegenden Entwürfe ausräume und die überzeugende Mehrheit erhalte, die es für ein derart sensibles Thema brauche.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, erklärte, ein derart wichtiges Thema, von dem potenziell alle Menschen in existenzieller Weise betroffen seien und das das Zusammenleben präge, dürfe nicht ungeregelt bleiben. Bätzing betonte, es brauche ein Schutzkonzept, das sowohl den freiverantwortlichen Suizidwunsch als auch ein "dem Leben zugewandtes Gesamtklima" berücksichtige. Der assistierte Suizid dürfe in Deutschland nicht zur gesellschaftlichen Normalität am Lebensende werden.

Bedford-Strohm: Selbsttötung nie normale Option

Der Landesbischof der Evangelischen Kirche in Bayern, Heinrich Bedford-Strohm, wies in einer Mitteilung darauf hin, dass weiterhin die Aufgabe bestehe, "sicherzustellen, dass der Schutz des Lebens auch am Ende des Lebens nicht Schaden leidet". Die Selbsttötung könne nie zu einer von mehreren normalen Optionen werden.

"Grenzfälle müssen Grenzfälle bleiben. Umso wichtiger ist aber, alles zu tun, damit Menschen gar nicht erst den Wunsch nach der Beendigung ihres Lebens empfinden", sagte der Landesbischof weiter. Deswegen müsse die Suizidprävention jetzt im Zentrum stehen. Es sei gut, dass es im Bundestag einen breiten Wunsch gebe, ein Suizidpräventionsgesetz schnell auf den Weg zu bringen.

Schuster befürchtet Leerstelle

Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sagte, dass eine gesetzliche Neuregelung des assistierten Suizids ausgeblieben sei und nun eine gesetzliche Leerstelle drohe, sei sicher kein gutes Ergebnis. "Die ethischen Herausforderungen eines assistierten Suizids wurden anscheinend nicht ausreichend genug geklärt." Auch wenn sich im Judentum das Bild des Suizids mit den Erkenntnissen psychischer Erkrankungen gewandelt habe, sei der assistierte Suizid eine andere Kategorie.

Er lehne ihn bei Ausschöpfung palliativer Maßnahmen nicht kategorisch ab, sagte Schuster weiter, doch der Gedanke daran falle ihm schwer. Es brauche hohe Hürden und ein Werbeverbot:

"Ein gewerbsmäßiger assistierter Suizid hätte aus meiner Sicht verheerende Folgen für unsere Gesellschaft. Ich befürchte, viele sind sich der psychischen Auswirkungen auf alte und kranke Menschen nicht bewusst."

Bei der nun anstehenden gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung über das Thema müssten verstärkt auch die Religionsgemeinschaften eingebunden werden. 

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