Nur noch etwa zwei Wochen, dann wählt Europa sein Parlament neu: 705 Sitze sind zu vergeben in Straßburg, vom 6. bis 9. Juni dauern die Wahlen in den 27 Mitgliedsstaaten von Belgien bis Zypern. Die Wahlbeteiligung bei Europa-Wahlen ist traditionell niedrig: Zwar gab es 2019 einen deutlichen Zuwachs – doch gut 50 Prozent von rund 350 Millionen Wahlberechtigten (2014: 42 Prozent) sind für eine Demokratie, die repräsentativ sein will, noch lange kein Grund zum Jubeln.

In Deutschland war die EU-Wahl – angesichts der starken Prognosen für die Parteien des rechten Spektrums - deshalb sogar in vielen Pfingstpredigten ein Thema: So forderte die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Kirsten Fehrs, die Wahlberechtigten auf, am 9. Juni, dem deutschen EU-Wahltag, "Europa die Stimme zu geben" und es so zu stärken. Auch der bayerische Landesbischof Christian Kopp plädierte für den Gang zur Wahlurne, denn die EU und die Demokratie seien "dringend nötig".

Wohin steuert Europa bei dieser Wahl?

Aber auch eben jene Rechten setzten Europa am Pfingstsonntag auf die Agenda: Eine Wahlkampfveranstaltung der Partei Vox in Madrid geriet zum Schaulaufen der internationalen Rechtspopulisten. Der argentinische Präsident Javier Milei, die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, der ungarische Ministerpräsident Victor Orban und viele weitere prominente Vertreter der politischen Rechtsaußen, hauptsächlich aus Europa und Lateinamerika, ließen sich und ihre Parolen von ihren Anhängern feiern.

Wohin steuert Europa bei der Wahl zum zehnten EU-Parlament? Hochrechnungen des Polit-Blogs "Der (europäische) Föderalist" prognostizieren einen deutlichen Zuwachs rechtskonservativer und rechtspopulistischer Kräfte. Die Fraktion der "Europäischen Konservativen", die sich inhaltlich rechts der Europäischen Volkspartei (zu der die deutschen C-Parteien gehören) bewegt, könnte von aktuell 64 auf 81 Sitze wachsen.

Die Fraktion "Identität und Demokratie", zu der die AfD und ähnliche rechtspopulistische Parteien Europas zählen, käme demnach auf 83 statt bisher 64 Sitze. Einbußen hätten vor allem die Sozialdemokraten (-12), die Grünen (-20) und die Liberalen (-16) zu verzeichnen.

Wahlbeteiligung hat noch Luft nach oben

Die Wahlbeteiligung in Deutschland lag vor fünf Jahren bei gut 61 Prozent. Der deutlich schlechtere Durchschnittswert von gerade mal 50 Prozent hängt mit den sehr niedrigen Zahlen (Quelle: EU-Parlament) in Ländern wie Tschechien, Slowenien, Kroatien oder der Slowakei zusammen: Dort gaben zum Teil nur zwischen 24 und 29 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In Belgien hingegen waren es 88 Prozent – es wäre also aus deutscher Sicht Luft nach oben, wenn man es sportlich betrachtet.

In den letzten Monaten gab es beeindruckende Demonstrationen für Demokratie, Freiheit und Menschenrechte auf Deutschlands Straßen. Mittlerweile sind die öffentlichen Bekundungen gegen eine rechtsextreme Politik abgeflaut. Die Wahl zum EU-Parlament ist eine Möglichkeit, die Stimme wieder zu erheben, denn Nicht-Wählen kann die extremen Parteien stärken.

Ausreden zählen nicht: Wer an schönen Juni-Sonntagen lieber einen Ausflug macht, kann gleich morgen die Briefwahl-Unterlagen bei seiner Kommune anfordern – wer seinen Brief bis 7. Juni einwirft, ist sicher dabei.

Weitersagen ist übrigens erlaubt: Erinnern Sie Nachbarn, Kolleginnen, Bekannte, Verwandtschaft an die Wahl. Das ist wirksamer als Wahlplakate. Und gut für die Demokratie.

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