Die erste Zeit sei traumatisch gewesen, erzählt Johanna Wand. Das zumindest habe sich in den vergangenen Wochen etwas gewandelt. Im Moment fühle sie aber vor allem Frustration. Seit 16 Jahren arbeitet Wand beim Goethe-Institut in Neapel. Am 28. September vergangenen Jahres erreichte die Mitarbeiterinnen dort die Nachricht: In Italien sollen drei Goethe-Institute geschlossen werden. Jenes in Neapel werde fortgeführt - allerdings mit nur einer Stelle. Wie das in der Praxis aussehen soll, wissen Johanna Wand und ihre Kolleginnen bis heute nicht. Nur soviel: Am 31. Januar soll der letzte Tag in der bisherigen Struktur sein.

Goethe-Institut in Nepal 

Als "seltsam" beschreibt Johanna Wand Mitte Januar dem Evangelischen Pressedienst  ihre aktuelle Lage. Noch immer kämen sie, vier weitere Kolleginnen und die Leiterin des Instituts, Maria Carmen Morese, zur Arbeit. Noch immer würden morgens die Pforten des Palazzo Sessa aufgeschlossen, seit zehn Jahren Sitz des Goethe-Instituts Neapel. Johann Wolfgang von Goethe selbst soll hier während seiner Italienreise 1787 mehrfach zu Gast gewesen sein. Seit 1961 gibt es das nach ihm benannte Institut in der kampanischen Hauptstadt.

Aus Kostengründen werde man Standorte in einigen Ländern aufgeben, hieß es im Herbst 2023 vom Auswärtigen Amt und der Zentrale des Kulturinstituts in München. Für Italien bedeutet das: Mailand, Rom und Palermo bleiben erhalten, die Standorte Genua, Turin und Triest werden zum 31. Januar komplett geschlossen. Laut der Zentrale des Goethe-Instituts in München sind davon 18 Mitarbeitende betroffen, das entspräche einem Beschäftigungsumfang von fast zehn Vollzeitstellen in Genua und Turin. Der Standort Triest wird im Zuge der Maßnahmen endgültig abgewickelt, er bestand quasi nur noch auf dem Papier. Neapel bleibt. Aber: "Was soll eine Person denn hier noch ausrichten?", fragt Johanna Wand.

Die 47-Jährige ist fest angestellte Referentin für das Kulturprogramm und die Bildungskooperation des Instituts in Neapel.

"Auch diese Vollzeit-Stelle ist ab dem 1. Februar nicht mehr vorgesehen", sagt sie. "Logischerweise haben wir jetzt schon keine Veranstaltungen mehr im Programm", berichtet sie über ihren Arbeitsalltag. "Ich beantworte die eine oder andere Anfrage, auch Kontakte pflege ich weiter. Viele wollen wissen, wie es nun weitergeht mit der deutsch-italienischen Kultur-Zusammenarbeit hier in Neapel - und damit ja auch in Süditalien. Ich habe also noch zu tun. Aber es ist extrem frustrierend. Und irgendwie unwirklich."

Von der Verkleinerung in Neapel seien laut der Zentrale in München sieben Kolleginnen betroffen - ein Umfang von 4,25 Vollzeitstellen. Dazu kommen Honorarkräfte. Wie die Stimmung ist? "Unglaublich schlecht", sagt Johanna Wand. "Wir haben noch immer keine gesicherten Informationen darüber, wie es weitergehen und was auf uns zukommen wird." Natürlich nage das an ihr. Wie viele andere Kolleginnen sei sie auf ihr Einkommen angewiesen, um die laufenden Kosten zu decken. "An den anderen Standorten in Italien können nach aktuellem Stand keine Stellen hinzugefügt werden", sagt eine Sprecherin des Goethe-Instituts in München dem epd.

Seit Bekanntwerden der Streichungen bei den Goethe-Instituten sind Proteste nicht nur von den Beschäftigten zu hören. Es gibt Petitionen aus der Kulturszene gegen die Verkleinerung des Standorts Neapel. Die italienische Regierung setzt sich für den Erhalt ein. Auch der für Neapel so wichtige Sprachkursbereich wird zum 1. Februar eingestellt. Vor allem die Schließung des Prüfungsbetriebes verunsichert Schulen in ganz Süditalien: Wo werden die Deutschzertifizierungen künftig stattfinden, und wer wird diese organisieren? Bisher heißt es nur: Rom soll das Gebiet nun übernehmen.

Unterstützung bei Aktivitäten 

Stadt und Region haben angeboten, bei der Fortführung von Aktivitäten zu unterstützen. Bei einem Rom-Besuch der deutschen Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vor wenigen Tagen stellte ihr Amtskollege Gennaro Sangiuliano in Aussicht, in Turin und Neapel neue Räume zur Verfügung stellen zu wollen. Auch die deutsche Ministerin sprach sich in Rom dafür aus, die in Deutschland beschlossenen Maßnahmen "abzufedern". Dabei ist ihr Ministerium gar nicht zuständig. Sie sei "extrem irritiert" gewesen über den Beschluss aus dem vergangenen Jahr, sagte Roth, betonte aber auch:

"Die Entscheidungen sind getroffen." Es müsse jetzt nach Möglichkeiten gesucht werden, die Folgen zu mildern.

Über derartige Überlegungen erfahren die Instituts-Mitarbeiterinnen in Neapel - wenn überhaupt - aus der Presse, wie sie sagen. Zwischen ihnen und der Zentrale in Deutschland gebe es seit dem 28. September keinen Kontakt. Die Kommunikation laufe nur noch über die Gewerkschaft. Die erste Verhandlungsrunde sei vor Weihnachten ergebnislos zu Ende gegangen, eine zweite Runde solle Ende Januar beendet sein.

"Die Verhandlungen mit den Gewerkschaften verlaufen entsprechend dem italienischen Arbeitsgesetz und sind noch nicht abgeschlossen", sagt die Sprecherin in München dazu. Das Goethe-Institut habe "ein Angebot zur Abfederung der individuellen Situation" unterbreitet.

Stichtag hin oder her: Dass die Parteien sich tatsächlich bis Ende Januar einigen, scheint unwahrscheinlich. Die Unklarheiten dürften sich für die Mitarbeiterinnen also weit über den 31. Januar hinaus ziehen.

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