Ein sachlicher Austausch im Internet sei nicht mehr möglich gewesen, sagt ein Amts- und Mandatsträger, der anonym bleiben will: "Ich habe meine Aktivitäten in sozialen Netzwerken im Juni 2021 eingestellt."

Aber nicht, weil er nicht diskutieren will, sondern weil Hass und Hetze zunehmen. 1.354 dieser Straftaten gegen bayerische Amts- und Mandatsträger haben die bayerischen Behörden alleine im Jahr 2023 registriert, teilten Behördenvertreter am Donnerstag bei einer Infoveranstaltung in Nürnberg mit.

Hass und Hetze 

Bei dem Treffen im Nürnberger Rathaus waren neben betroffenen Personen aus den Bereichen Politik und Ehrenamt auch Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, der Polizeibehörden und der Justiz zugegen. Es wurden Zahlen aus dem "Kommunalen Monitoring Hass, Hetze und Gewalt gegen Amtsträgerinnen und Amtsträger" präsentiert, die das Bundeskriminalamt zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden regelmäßig wiederholt. 2019 lag die Zahl einschlägiger Straftaten noch um 80 Prozent niedriger.

Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) sagte, jeder Angriff auf Amts- und Mandatsträger sei ein Angriff auf die Demokratie. In Nürnberg halte er seine Mitarbeitenden dazu an, jeden Vorfall anzuzeigen. Er ermutigte die anwesenden Amts- und Mandatsträger, das Gleiche zu tun: "Wir sind kein Freiwild, sondern setzen uns für die Demokratie und das Gemeinwohl ein." Das Ganze sei ein wichtiges Thema, betonte König: "Die kommunale Familie hat es verdient, geschützt zu werden und sich verteidigen zu können."

Anfeindungen in der Politik

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, dass es diese Anfeindungen zwar auch früher schon gegeben habe. Gleichwohl sei das Ausmaß heute ein anderes und sorge dafür, dass viele Ehrenamtliche ihre Ämter niederlegen. "Wir wollen mit Veranstaltungen wie dieser deutlich machen, dass keiner von Ihnen alleine dasteht, gerade an der Basis unserer Demokratie, der Kommunalpolitik." Er riet den Betroffenen eindringlich, Vorfälle unbedingt anzuzeigen. Der Rechtsstaat stehe Repräsentanten auf allen Ebenen bei.

Ein Großteil der registrierten Anfeindungen finde analog statt - also per Brief oder persönlich, sagte Kirsten Eberspach vom Bundeskriminalamt bei der Präsentation der Zahlen. Die Anzeigebereitschaft sei bundesweit mit elf Prozent relativ gering, in Bayern liege sie mit fünf Prozent noch niedriger. 36 Prozent der Befragten hat laut der Frühjahrsbefragung des Bundeskriminalamts bereits Anfeindungen gegen die eigene Person erlebt. Hauptamtliche Personen waren dabei signifikant stärker betroffen als ehrenamtliche.

Tatverdächtige

Auch über die Tatverdächtigen wissen die Behörden einiges: 78 Prozent der Verdächtigen seien bekannt, auch seien es meistens Männer (77 Prozent), mindestens 40 Jahre alt (81 Prozent) und in der entsprechenden Kommune wohnhaft (93 Prozent). "Wir haben es mit einer neuen Gruppe an Tatverdächtigen zu tun", erläuterte Eberspach. Viele Präventionsmaßnahmen seien auf junge Menschen zugeschnitten. Oft sei das Wissen über kommunalpolitische Prozesse nicht vorhanden: "Dort müssen wir mehr Aufklärungsarbeit leisten."

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