Gäste und Urlauber sind aus ihrem Alltag herausgerissen und meist offen für Neues. Andere erleben gerade in dieser Zeit, dass sich Probleme, die sie zu Hause haben, im Urlaub nicht abstreifen lassen. "Die Einträge im Gebetbuch unserer offenen Kirche und die Vielzahl der angezündeten Kerzen erzählen davon", meint Pfarrerin Susanne Ohr aus Fischen im Allgäu.

"Aus einem Tür- und Angelgespräch wird schnell ein Seelsorgegespräch".

Tourismus und Glauben miteinander verbinden

Ihre Gemeinde gehöre mit dem Illerradweg, den Gaißalpseen und der Pflanzenwelt der Hochmoore landschaftlich zu den attraktivsten Deutschlands, sagt Ohr. Die Fischener Gemeinde sei von je her eng verwoben mit den Gästen. Häufig seien Gemeindemitglieder selbst Gastgebende und begeisterte Bergsportler, andere hätten jahrelang hier Urlaub gemacht und sind im Ruhestand in die Hörnerdörfer gezogen. Das spiegele sich im Gemeindeleben wider. Mit den Gästen im heilklimatischen Kurort ergeben sich immer wieder Momente, in denen der Glaube zur Sprache kommt.

"Manchmal kann ich einen Impuls geben und das Gesagte und Gehörte unter den weiten Horizont Gottes stellen", 

sagt die Pfarrerin. Über niedrigschwellige Angebote wie "Wort und Musik" oder die Sonnenuntergangswanderung "Staunen und Schweigen" eröffne man im Allgäu Räume für spirituelle Entdeckungen. Andere verstehen sich im Urlaubsort aber auch als Gemeindemitglieder auf Zeit und nehmen möglichst viele Angebote mit.

Kirche soll auf die Menschen zugehen

Kollege Norbert Stapfer im Kurort Bad Füssing im Landkreis Passau möchte auch den Menschen, die Zeit haben, eine gastfreundliche Kirche bieten und "die hoffnungsvolle und mutmachende Botschaft der Bibel den Menschen unserer Zeit nahe bringen". Die Menschen seien auf der Suche nach dem, was ihrem Leben Sinn geben kann. Antworten suchten die meisten allerdings nicht mehr in der Kirche.

"Kirche muss über den Kirchenzaun hinausblicken und auf die Menschen zugehen. Letztlich hat Jesus auch nichts anderes getan", ist Stapfer überzeugt.

In Bad Füssing gebe es gute Möglichkeiten zur Kooperation: Bei "Kirche und Kino" kann man "über einen Film ins Gespräch kommen und Fragen der Moral oder des gesellschaftlichen Handelns oder auch persönliche Probleme ansprechen", meint der Pfarrer. Niedrigschwellige Angebote mit der örtlichen Gastronomie seien Formate wie "Kirche und Wein" oder meditative Spaziergänge. Die örtliche Kur- und Tourismusmanagerin unterstütze die Kirchen, mit ihren Veranstaltungen und Gottesdiensten in den Kurort hineinzuwirken. Nicht zuletzt habe die evangelische Kirche in Bad Füssing eine hauptamtliche Stelle für Kirchenmusik, sagt Stapfer.

Darum ist Kirche wichtig für Touristen

Die bayerische evangelische Landeskirche unterhält in der Urlauberseelsorge zusammengerechnet 13,5 Vollzeitstellen, halbe und ganze Stellen an Orten von Bad Kissingen bis Berchtesgaden. "Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Menschen im Urlaub offener sind für spirituelle Fragen und damit auch für unsere Angebote", sagt Thomas Roßmerkel. Für den Referenten für Kirche und Tourismus in der Landeskirche sind solche Stellen damit kein Luxus. Vielmehr leisteten die Kirchen eine wichtige spirituelle Begleitung von Menschen im Urlaub.

Mann Ende vierzig blickt mit leicht angewinkeltem Mund frontal in die Kamera. Man sieht im Porträt sein Gesicht und den Schulterbereich. Er trägt einen grauen Anzug und Krawatte sowie eine Brille.
Thomas Roßmerkel, Referent für Kirche und Tourismus der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB)

Vor wenigen Wochen hat Pfarrerin Mareike Rathje eine Segensaktion inmitten der Reben und Flurwege ihrer von Weinbergen umsäumten Region des "Schwarzacher Beckens" (Landkreis Kitzingen) abgehalten. In ökumenischer Gemeinschaft mit Ilse Waldenmeier, Gemeindereferentin im Bistum Würzburg, ließ sie sich an den Wein-Yoga-Schaukeln bei Sommerach nieder und stand für Gespräche, persönlichen Segen und Gebets-Anliegen bereit. "Ich finde es gut und wichtig, als Kirche neue Formate auszuprobieren", sagt sie.

Gottesdienste in der Natur mit besonderer Wirkung

In den von Corona geprägten Monaten habe sie viele Taufen in den Weinbergen gehalten und erstaunt beobachtet, wie Spaziergänger beim Vaterunser stehen blieben, manchmal mitbeteten und sich auf ein Gespräch einließen.

Bei touristisch interessanten Aktionen oder besonderen Gottesdiensten macht sie dann gerne auch Werbung auf den Campingplätzen oder den Vinotheken in der Umgebung. "Gemeindezugehörigkeit ist mir da nicht so wichtig. Ich habe es erlebt, dass spirituelle Angebote in der Natur noch mal ganz andere Menschen ansprechen und erreichen", sagt sie.

Viele fühlten sich Gott in der Natur besonders nahe, und die Hemmschwelle Kirchengebäude gebe es dort nicht.

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