Diese Woche erreicht die Urlaubszeit ihren Höhepunkt. Alle Bundesländer haben Ferien – und die Sehnsucht nach einer Auszeit ist so groß wie selten. Wann hat es je so viele Krisen auf einmal gegeben: die Pandemie und Putins Angriffskrieg, die Hitze und verheerende Brände, steigende Inflation und Energieknappheit? Jede einzelne dieser Krisen hätte die volle Aufmerksamkeit verdient.

Es fühlt sich so an, als habe die Normalität einfach aufgehört zu existieren

Doch schon auf das Wort "Krise" reagieren die Menschen inzwischen allergisch. Den meisten wird es einfach zu viel. Es fühlt sich so an, als habe die Normalität einfach aufgehört zu existieren. Angesichts dessen ist die Sehnsucht nach einer Flucht aus dem Alltag nur allzu verständlich. Doch das Ausbrechen, die Verdrängung fällt schwerer als sonst. So schön der Urlaub ist: Er lindert nur kurzfristig das Leiden an der Wirklichkeit, die Probleme bleiben bestehen.

Wie kommt man also aus diesem defätistischen Modus heraus, in den wir geraten sind? "Spiegel"-Korrespondent Sebastian Fischer empfahl dieser Tage ein Buch des niederländischen Historikers Rutger Bregman. "Der Mensch ist gut" lautet der Titel. Bregman wolle darin aufräumen mit der These, dass der Mensch grundsätzlich böse und der zivilisatorische Lack dünn sei. Stattdessen habe die Evolution den Menschen zu einem kooperativen Wesen gemacht, fähig zu Solidarität und Mitgefühl.

Müssen wir also Angst haben vor diesem Herbst und Winter?

Bregman stand wochenlang auf der Bestsellerliste. Offensichtlich wollen viele daran glauben, dass der Mensch dem Menschen kein Wolf ist, wie eine von Thomas Hobbes berühmt gemachte lateinische Sentenz es einst formuliert hat. Revolutionär ist Bregmans These aber nicht. Wovon sonst berichtet die Erzählung von Jesus Christus im Neuen Testament, wenn nicht von Barmherzigkeit und Menschenliebe?

Müssen wir also Angst haben vor diesem Herbst und Winter? Mit Sorge wird diskutiert, was bevorstehen könnte, wenn Menschen in Decken gewickelt in ihren kalten Wohnungen sitzen, wenn der Preisanstieg das Geld vorne und hinten knapp werden lässt. Wird es zu sozialen Unruhen kommen?

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben etwas anderes gezeigt. Finanzkrise, Flüchtlingskrise, Coronakrise – es war eine schwierige Zeit, aber die Mehrheit hat sich als resilient erwiesen.

Werden die Stärkeren ihren Anteil tragen?

Vielleicht leben wir doch in einer Gesellschaft, in der die Stärkeren bereit sind, ihren Anteil zu tragen, und nicht nur den eigenen Vorteil im Blick haben. In der gemeinsam gegen eine Pandemie gekämpft und der Ukraine geholfen wird. Dann gibt es auch irgendwann wieder unbeschwerte Ferien von der Krise.