Zu viele Insassen pro Zelle, zu wenig Psychologen, zu wenig Arbeit, dafür viele Drogen: Die Resozialisierung in bayerischen Gefängnissen funktioniert nach Ansicht von Experten nicht.

Die Professorin für Strafrecht an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Gabriele Kett-Straub, kritisierte bei der Podiumsdiskussion "Strafe muss sein!?" in der Evangelischen Stadtakademie Nürnberg die Zustände in Bayerns Gefängnissen deutlich. Und sie forderte, Resozialisierung von Häftlingen "stärker als gesellschaftliche Aufgabe" zu begreifen - auch weil sie erst einmal Geld kosten wird.

Ziel drogenfreier Gefängnisse ist gescheitert

Kett-Straub erläuterte, dass zwar Arbeitspflicht in den Justizvollzugsanstalten herrsche, das Angebot reiche aber bei Weitem nicht aus. Das Ziel drogenfreier Gefängnisse sei gescheitert, fast jeder zweite Insasse sei abhängig:

"Wir müssten jetzt mehr Substitutionen anbieten."

Zudem sind in Bayern Haftzellen mit bis zu acht Gefangenen erlaubt, es gebe hohe Suizidrate. Sie gehöre im europäischen Vergleich zu den höchsten. Auf die "enormen mentalen Probleme" habe das Haftsystem keine praktikable Antwort. So betreue zum Beispiel ein Psychologe rechnerisch 70 Gefangene bei sozialen oder psychischen Problemen.

Auch den Personalschlüssel der Bediensteten findet Kett-Straub zu gering, wie sie erläuterte. Angesichts steigender Übergriffe gegen Mitarbeiter mache sich "Frustration und Aggression bei den Bediensteten breit". Die Professorin räumte ein:

"Alle meine Forderungen sind teuer."

Die Gesellschaft müsse sich zu dem Thema positionieren. Aus ihrer Sicht wäre es aber "ein Investment in die Zukunft". Mit besserer Ausstattung könnte in Zukunft überlegt werden, ob eine Gefängnisstrafe immer sinnvoll ist. Bei manchen Delikten kann sie sich etwa einen elektronisch überwachten Hausarrest oder eine überwachte WG vorstellen.

Wie sicher ist Deutschland

Shatha Yassin-Salomo vom Verein "Weisser Ring", der sich für Kriminalitätsopfer einsetzt, brachte eine weitere Perspektive ein: "Opfer wollen, dass ein Täter das zugefügte Leid versteht." Das komme in der Praxis allerdings selten vor. Um Frauen vor gewalttätigen Männern nach deren Haft zu schützen, schlägt sie nach spanischem Vorbild eine elektronische Fußfessel für beide Parteien vor. So könne die Polizei unmittelbar eingreifen, wenn ein Täter den vorgeschriebenen Abstand nicht einhält. "Haft allein löst nicht das Problem", erläuterte Yassin-Salomo mit Blick auf die deutlich steigende Zahl der Gewalttaten gegen Frauen.

Insgesamt hält Professorin Kett-Straub Deutschland für ein vergleichsweise sicheres Land - auch Zuwanderung ändere nichts daran, im Gegenteil:

"Die Gewaltkriminalität steigt schwächer als das Bevölkerungswachstum."

Die Forschung bemühe sich, gerade häusliche Gewalt aus dem Dunkelfeld zu holen. In der Diskussion dürfe nicht außer Acht gelassen werden:

"Der gefährlichste Ort für Frauen ist nicht die Tiefgarage, sondern das Zuhause."

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