Wenn Wohneigentum ein Wohlstandsindikator ist, dann ist Deutschland im europäischen Vergleich ein armes Land. In der EU ist die Bundesrepublik Schlusslicht bei der Eigentumsquote. Im europäischen Schnitt wohnten 2020 fast 70 Prozent der Bürger in den eigenen vier Wänden, rund 75 Prozent der Italiener und sogar rund 85 Prozent der Polen. Aber nur rund die Hälfte die Deutschen wohnt im eigenen Zuhause.
"Die Wohneigentumsquote ist kein Indiz für den Wohlstand eines Landes", sagt dagegen das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BSSR). Es stimmt: Weniger als in anderen Ländern basierte die Altersvorsorge in Deutschland bisher auf Wohneigentum. Ein verlässliches Rentensystem und ein "gut funktionierender Mietmarkt" sorgten in den vergangenen Jahrzehnten dafür, "dass nicht erst das Eigenheim die gewünschte Wohnqualität ermöglicht" (BSSR 2019).
Wohnungsnot entwickelt sich zum sozialen Problem Nummer eins
Doch wenn die Generation der Babyboomer demnächst in Rente geht, wird der Druck auf die Sozialkassen erheblich steigen. Und Wohnungsnot entwickelt sich mehr und mehr zum sozialen Problem Nummer eins in der Bundesrepublik. Einer aktuellen Studie zufolge droht 2023 ein Rekord-Mangel: Mehr als 700.000 Wohnungen fehlen.
Die Praktiker der Diakonie und anderer Wohlfahrtsverbände können ein Lied davon singen: Immer mehr Menschen aus den unteren, aber auch aus den mittleren Einkommensschichten finden keine bezahlbare Wohnung mehr, gerade in den Ballungsgebieten. Vor allem trifft es Menschen in heuchlerisch gern als "systemrelevant" bezeichneten, aber schlecht bezahlten Berufen wie Erzieherinnen, Altenpflegerinnen oder Sozialarbeiter. Geschichten von Familien mit zwei Kindern in Zwei-Zimmer-Wohnungen sind keine Erfindung, sondern verbreitete Realität.
Im Prinzip sind diese alarmierenden Entwicklungen schon lange bekannt
Im ersten Halbjahr 2022 hat Deutschland wegen des Kriegs in der Ukraine die höchste Nettozuwanderung innerhalb eines Halbjahres seit der Wiedervereinigung verzeichnet: etwa 1,05 Millionen Menschen. Die von der Bundesregierung angestrebte Verstärkung der Migration, um dem sogenannten Fachkräftemangel (hinter dem sich vor allem das Interesse an billiger Arbeitskraft verbirgt) abzuhelfen, wird den Druck auf den Wohn- und Mietmarkt noch verschärfen.
Im Prinzip sind diese alarmierenden Entwicklungen schon lange bekannt – in Berlin ebenso wie in der Bayerischen Staatskanzlei. 2018 kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) den Bau von 10 000 neuen Wohnungen durch den Freistaat an. Dass es bis Ende 2024 wohl nur um die 700 geworden sein werden, kann man vor diesem Hintergrund nicht anders als katastrophal bezeichnen.
Zeit für einen völlig neuen Kurs
Auch beim Wohnungsbau ist es Zeit für die vom Kanzler (in anderem Zusammenhang) angekündigte "Deutschlandgeschwindigkeit". Es ist allerhöchste Zeit für einen völlig neuen Kurs: entschlossenen Sozialwohnungsbau einerseits und entschlossene Förderung von Immobilienbesitz in der Bevölkerung andererseits.
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Fachkräfte laut Gesetz:…
Fachkräfte laut Gesetz:
Vorraussetzungen: Der Antragsteller muss ein abgeschlossenes Hochschulstudium nachweisen. Eine Mindestgehaltsgrenze von 58.400 Euro brutto (2023) muss eingehalten werden. Das sind keine Billiglohnarbeiter!
Hier haben Sie 2 Probleme verwechselt. Diese oft IT Spezialisten brauchen auch Wohnraum und wollen sparen, um sich Ruhestand und Unterstützung für die Familie im Heimatland zu erwirtschaften. Viele Immigranten, die weniger verdienen haben in der Heimat Grundbesitz, kehren aber nur zeitbegrenzt dorthin. Viele Einheimische haben neben dem Hauptwohnsitz Immobilien als Freizeitunterkunft. All das drückt auf die Wohnungsnot. Dazu kommen leerstehende Immobilien, die jahrzentelang nicht genutzt werden, z.T. beim Bund. Dann noch die Überbebauung mit Hotels und möblierten Mietappartments, alles gefördert aus Gier und Luxus. Auch Arbeitgeber sollten mehr lokal denken wenn sie einstellen. Wir alle sollten den Raum, den wir haben besser nutzen. Es ist frustrierend, wenn man in engen Mietskassernen wohnt, und Kunst und Krempel in riesigen Palästen zur Schau gestellt werden. Die evang. Kirche hat einen Luxusbau nähe Wöhrder See als Archiv!! Ich hätte gerne mal eine Führung gemacht, um mich vom Sinn dieses Hauses zu überzeugen.