Das Verbändebündnis "Soziales Wohnen" rechnet für dieses Jahr mit einem neuen Rekord beim Wohnungsmangel. Mit mehr als 700.000 fehlenden Wohnungen ist nach einer am Donnerstag in Berlin veröffentlichten Studie das höchste Wohnungsdefizit seit mehr als 20 Jahren zu erwarten.
Bei Sozialwohnungen und bezahlbaren Mietwohnungen ist der Notstand demnach am größten. Hauptgründe sind den Erhebungen des Hannoveraner Pestel-Instituts und des Kieler Bauforschungsinstituts "Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen" zufolge die jüngste, kriegsbedingte Zuwanderung von Ukrainerinnen und Ukrainern sowie der Einbruch beim Wohnungsbau durch die explodierenden Baukosten.
Bündnis fordert 50 Milliarden für soziales Wohnen
Das Bündnis, dem unter anderem der Deutsche Mieterbund, Verbände des Bauwesens und die IG Bauen-Agrar-Umwelt angehören, forderte die Politik auf, ein Sondervermögen "Soziales Wohnen" von 50 Milliarden Euro aufzulegen. Der Bund müsse davon mit zwei Dritteln den Hauptanteil übernehmen, den Rest die Länder, die für die Umsetzung zuständig sind. Im vergangenen Jahr seien statt der von der Ampel-Koalition angekündigten 100.000 Sozialwohnungen nur 20.000 fertiggestellt worden, kritisierte das Bündnis.
Der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther, und der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, betonten, auch ohne die hohe Zuwanderung von 2022 sei auf mittlere Sicht der Bau von 400.000 Wohnungen pro Jahr dringend erforderlich, wie sie die Bundesregierung anstrebe. Die Zahl der Haushalte werde bis 2045 weiter steigen. Zudem würden wegen des Fachkräftemangels 300.000 bis 500.000 Zuwanderer jährlich benötigt. "Es wird keiner kommen, wenn er nicht wohnen kann", sagte Siebenkotten. Damit aber die Privatwirtschaft sowie kommunale oder kirchliche Träger trotz der hohen Baukosten in neue, bezahlbare Wohnungen investierten, bedürfe es einer "nationalen Kraftanstrengung" in Form eines Sondervermögens.
Baupreise steigen doppelt so stark wie Inflation
Den Berechnungen des Kieler Bauforschungsinstituts zufolge sind die Baupreise zuletzt doppelt so stark gestiegen wie die Inflationsrate, die Ende vergangenen Jahres um die zehn Prozent betrug. In den Städten koste die Erstellung von einem Quadratmeter Wohnraum im Durchschnitt 4.900 Euro. Damit bezahlbarer Wohnraum entstehe, müsse der Staat den Bau mit 2.100 Euro pro Quadratmeter subventionieren. Andernfalls liegen die Mieten, je nach energetischem Standard, deutlich über 20 Euro pro Quadratmeter.
Das Bündnis fordert auch eine Senkung der Mehrwertsteuer für den Sozialwohnungsbau von 19 auf sieben Prozent. Die Baukosten für eine 60-Quadratmeter-Sozialwohnung verringerten sich dadurch um 20.000 Euro, erklärte der stellvertretende Bundesvorsitzende der IG Bau, Harald Schaum. Er warnte zudem vor einem Mangel an Arbeitskräften auf dem Bau. Wo die Bautätigkeit zum Erliegen komme, wanderten die Menschen in andere Branchen ab, wie man es in der Corona-Pandemie im Gastgewerbe gesehen habe, sagte er.
Verhindern, dass Sozialwohnungsbau zum Erliegen kommt
Die Bündnispartner betonten, in diesem Jahr gehe es vor allem darum zu verhindern, dass der Sozialwohnungsbau völlig zum Erliegen komme. Von elf Millionen Mieterhaushalten, die einen Anspruch auf eine Sozialwohnung haben, habe nur jeder zehnte Haushalt die Chance, auch eine zu bekommen. Nach dem Willen der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP sollen pro Jahr 100.000 Sozialwohnungen und insgesamt 400.000 neue Wohnungen gebaut werden.
Die Ziele wurden im vergangenen Jahr nicht erreicht, wie Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) einräumen musste, sie will aber an ihnen festhalten. Der Bund stellt den Ländern bis 2026 insgesamt rund 14,5 Milliarden Euro für den Wohnungsbau zur Verfügung.