Die Kopfbedeckungen und Sprachen sind die Friedenszeichen dieses Gebets in der Versöhnungskirche Dachau: Die Schleier der beiden Schwestern des Klosters Karmel korrespondieren mit den Hijabs von vier Muslimas; der weiße Sarik des Imam leuchtet neben dem schwarzen Kamilavka des orthodoxen Erzpriesters und den Kippot der jüdischen Geistlichen.

15.000 Ukrainer waren im KZ Dachau

Die Worte der ukrainischen Sängerin übersetzt eine junge Russin; alle gemeinsam singen ein Kyrie aus der ukrainisch-orthodoxen Liturgie und beten das Glaubensbekenntnis Dietrich Bonhoeffers. Sie denken an die Menschen in der Ukraine – und erinnern an das Schicksal von fünf ukrainischen NS-Überlebenden. Insgesamt 15.000 Ukrainer waren zwischen 1933 und 1945 im KZ Dachau interniert.

Einer von ihnen ist Vasyl Volodko. 97 Jahre alt ist der Mann heute, der NS-Zwangsarbeit, Folter im Gestapo-Gefängnis, KZ Dachau und den Todesmarsch der letzten Kriegstage überlebt hat. Mit seiner bettlägrigen Frau und der Tochter trotzt Vasyl Volodko nun in seiner Wohnung südwestlich von Kiew erneut den Schrecken des Kriegs. Über das Maximilian-Kolbe-Werk, das ehemalige KZ-Häftlinge in Mittel- und Osteuropa unterstützt, hält seine Tochter Kontakt zum Westen. Nach dem russischen Überfall sei es ihrem Vater sehr schlecht gegangen.

"Doch nun", schreibt sie, "versucht er, mir und meiner Mutter Trost zu spenden."

Natalia Ruda ist selbst gerade erst dem Krieg entkommen. Die Sängerin ist mit ihrer Tochter aus Kiew geflohen; jetzt steht sie im Altarraum der Versöhnungskirche und singt Lieder in ihrer Heimatsprache. Eines davon, erklärt Ruda, handele von einer ukrainischen Mutter, die ihren Sohn im Zweiten Weltkrieg verloren hat. "Die Geschichte wiederholt sich", übersetzt Mayya Bakulina, ehemalige russische Freiwillige der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste (ASF) in Dachau, die bitteren Worte der Ukrainerin.

Kein Glaube an gute Zukunft in Russland

Mayya Bakulina lebt und studiert seit 2014 in Deutschland. "Ich glaubte nicht an eine gute Zukunft in Russland", begründet die 31-Jährige die Auswanderung in ihrer kurzen Rede. Doch Russland liege ihr im Blut, und so fühle sie "Schmerz, Scham und Abscheu" über den Krieg in der Ukraine: "Das alles wird sich auf den Rest unseres Lebens auswirken", ist die junge Frau überzeugt.

Zugleich erinnert sie an die zahlreichen Kriege weltweit und bittet "in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft, dies nie zu vergessen".

Ihr polnischer ASF-Kollege Jan Kwiatkowski wiederum verweist auf die zwei Millionen Ukraine-Flüchtlinge in Polen. Alle Hilfsmaßnahmen lägen dabei auf den Schultern der Zivilgesellschaft, die eine "Lawine der Mitmenschlichkeit" zeige. Die Rolle der Regierung sei hingegen "vernachlässigbar", so Kwiatkowski. Er kritisiert die Verfahren an den verschiedenen Grenzen:

"An der polnisch-ukrainischen Grenze kommen alle durch; an der polnisch-belarussischen Grenze wird eine Mauer gebaut, werden Menschen illegal in das Land eines Diktators abgeschoben."

Am Ende erklingt das Schalom chaverim, als Friedenswunsch trotz aller Friedlosigkeit.