Sie freuen sich auf Weihnachten? Haben eventuell schon die Weihnachtskrippe mit Maria und Josef aus dem Keller geholt? Tja, das können Sie alles vergessen. Die Europäische Union will nämlich beides verbieten. Allerhand!

Weihnachten? Verboten! Maria und Josef? Auch!

Wie, das haben Sie nicht mitbekommen? Kein Wunder, es handelte sich ja auch um eine Ente, eine Falschmeldung, um Fake News. Und doch machte die vermeintliche Meldung gestern die Runde. Mehrere Medien, darunter die "Rheinische Post",  berichteten über einen Leitfaden, mit dem die EU-Kommission ihren Mitarbeiter*innen angeblich die Verwendung des Begriffs "Weihnachten" und Namen wie "Maria und Josef" verbieten würde. 

Natürlich war das Quatsch. Doch die Resonanz ließ nicht lange auf sich warten. Eine bekannte "Bild"-Redakteurin twitterte:

"Gemäß einer neuen Sprach-Richtlinie sind die Wörter "Maria und Josef" und "Weihnachten" für EU-Mitarbeiter jetzt verboten. Der Grund: Sie könnten die Gefühle von Muslimen verletzen."

Das mit den Muslim*innen stand zwar nicht mal in den (falschen) Medienberichten, aber hey, ein bisschen Phantasie muss man schon haben. Außerdem klingt es doch gleich nochmal doppelt so bedrohlich. Der Islam will uns Weihnachten verbieten, und die EU macht mit. 

Was hinter der Geschichte wirklich steckt

Aber wo Rauch ist, muss doch auch Feuer sein – oder? Nun, wahr ist, dass die EU-Kommission an einem Leitfaden zur inklusiven Kommunikation arbeitet. Im Internet war ein Entwurf davon kursiert. Was da stand, hatte allerdings nichts mit einem Weihnachtsverbot zu tun, auch nicht einem sprachlichen. 

Tatsächlich wurde lediglich empfohlen, beim Sprechen die Annahme zu vermeiden, "dass alle Christen sind":

"Nicht alle feiern die christlichen Feiertage, und nicht alle Christen feiern sie am selben Datum. Seien Sie sensibel für die Tatsache, dass Menschen unterschiedliche religiöse Traditionen und Kalender haben."

Statt "Weihnachten" könne man auch "Feiertage" verwenden oder auf Formulierungen wie "für die, die Weihnachten oder Chanukka feiern" zurückgreifen. Nun kann man diese gutgemeinte Besorgtheit tatsächlich etwas albern finden. Andererseits würde man am Geburtstag der Schwester ja auch nicht ihrer Cousine gratulieren. Der Untergang des Abendlandes ist beides freilich nicht.

Aus Maria und Josef wird nicht Malika und Julio

Der Ursprung des Mythos, "Maria und Josef" würden verboten, ist noch alberner: In dem Leitfaden-Entwurf wurde empfohlen, bei der beispielhaften Verwendung von Namen nicht immer nur auf Namen "die üblicherweise aus einer Religion stammen", zurückzugreifen. Vergleichbar also mit dem Hinweis, wenn man nur von Michael und Otto spricht, fühlen sich nicht alle angesprochen.

Das Beispiel lautete allerdings nicht "Maria und Josef", sondern: "Maria und John". Als Alternative wurde "Malika und Julio" vorgeschlagen. Ein Bezug zum hochheiligen Paar oder auch nur zu Weihnachten bestand zu keinem Zeitpunkt. 

Die Weihnachts-Verschwörung

Sie können also erleichtert aufatmen, sich weiterhin auf Weihnachten freuen und dürfen auch Ihre Krippenfiguren weiter Maria und Josef nennen. Allerdings ist der Vorfall exemplarisch für ein Narrativ der Neuen Rechten, auf das immer noch viele hereinfallen: Die Weihnachts-Verschwörung. Der Grundtenor ist dabei stets: Der viel zu tolerante und sensible Westen schafft seine Werte, in diesem Fall "Weihnachten", ab, und zwar in vorauseilendem Gehorsam gegenüber "anderen Kulturen", gemeint ist fast immer der Islam. 

Einem Faktencheck halten die dafür vorgebrachten angeblichen Beweise nie stand.

So muss der Flughafen München jedes Jahr eine Horde empörter Wutbürger*innen geduldig erklären, dass der dortige Wintermarkt nicht aus Rücksicht auf Muslim*innen oder sonst wem  umbenannt wurde – sondern, da er über die Feiertage hinausgeht, eben kein richtiger Christkindlesmarkt ist. 

Seinen Ursprung hat der Verschwörungsmythos wohl in den USA. Bereits seit Beginn der 2000er Jahre schwadronieren erzkonservative Kommentator*innen dort von einem "War on Christmas", einem Krieg gegen Weihnachten. So berichtet der Fernsehsender "Fox News" gerade von einem Mangel an Weihnachtsmännern. Schuld ist natürlich der demokratische Präsident Joe Biden – nebenbei ein Katholik.