In meiner Zeit als Religionslehrerin habe ich die Ostergeschichte mit dem leeren Grab und der Botschaft des Engel gefühlte 1000 Mal erzählt. Auch in diesem Jahr gibt es für alle meine Reliklassen kurz vor den Osterferien die Ostererzählung, so wie wir sie in der Bibel nachlesen können. Doch dieses Jahr habe ich etwas erlebt, das ich gerne mit euch teilen möchte und mich gleichzeitig aber auch zum Nachdenken gebracht hat.

Wo war der Osterhase?

Stell dir vor: Ich bin beim letzten Satz in meiner Erzählung, die ich vorbildlich nach Lehrbuch frei und mit vielen Emotionen und wörtlicher Rede erzählt habe. Die Kinder waren gespannt dabei und wissen, wenn nach der Erzählung die Klangschale ertönt, sind sie an der Reihe: die Schüler und Schülerinnen dürfen ihre spontanen Gedanken zur Geschichte äußern und wir hören uns gegenseitig zu.

Ein Junge aus der 1. Klasse meldet sich sofort:

"Frau Förderreuther, die Geschichte war toll. Aber eine Frage habe ich noch: Wo war der Osterhase in der Geschichte? Hat sich der Osterhase etwa im leeren Grab versteckt?"

Im ersten Moment musste ich ehrlicherweise schmunzeln und dachte, dass der Junge einen Scherz machen wollte. Aber nein. Ich merkte, dass er diese Frage ernst meinte. Für ihn gehört ganz klar der Osterhase zu Ostern dazu. Nicht die Frauen und der Engel am leeren Grab. Deshalb vermisste er den Osterhasen schmerzlich in meiner Ostererzählung.

Osterhase und Ostereier statt Kreuz und leerem Grab

Diese Situation hat mich tatsächlich zum Nachdenken gebracht. Für mich ist klar, dass wir Ostern wegen der Auferstehung Jesu feiern. Für mich ist klar, dass wir den Osterhasen nicht in der biblischen Osterzählung finden. Aber offensichtlich können wir dieses Wissen nicht mehr bei unseren Schüler und Schülerinnen voraussetzen.

Hier kommt die Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen ins Spiel. Die österliche Lebenswirklichkeit unserer Schüler und Schülerinnen besteht aus Osterhase und Ostereier und eben nicht aus Kreuz, leerem Grab und dem auferstandenen Jesus. Dem Jungen aus der 1. Klasse ist es deshalb nicht zu verübeln, dass er den Osterhasen in meiner biblischen Ostererzählung vermisst.

Beides in den Blick nehmen

Mit dieser kleinen Anekdote aus meinem Unterrichtsalltag möchte ich gerne unseren Blick als Religionslehrkräfte schärfen. Wir sind theologisch gebildet und kirchlich geprägt. Wir können hier ohne Probleme unterscheiden: biblische Geschichte und Osterbräuche wie Osterhase und Ostereier. Unsere Relikinder tun sich oftmals schwer.

Daher lasst uns doch beides in den Blick nehmen und beidem Platz geben in unserem Unterricht. Warum feiern Ostern? Diese Antwort finden wir ganz klar in der Bibel. Die Erzählung vom leeren Grab und dem auferstandenen Jesus ist die Antwort auf diese Frage.

Osterbräuche sind Ausdruck der Freude

Doch wie feiern wir Ostern? Und hier kommen die Osterbräuche ins Spiel. Oft sind die Bräuche erst viele Jahrhunderte nach Christus entstanden. Aber sie sind Ausdruck der Osterfreude, die Freude über den auferstandenen Jesus. Leben statt Tod, Licht statt Dunkelheit, Freude statt Trauer – als das können uns die Osterbräuche widerspiegeln.

Das Osterlamm mit Bezug zum Pessachfest und die Erinnerung an den Auszug aus Ägypten. Die Osterkerze und das Osterfeuer mit dem Symbol "Licht" und der Erinnerung "Jesus ist das Licht der Welt". Der Osterhase und die Ostereier als Symbol für die Fruchtbarkeit und das neue Leben.

Die Osterbräuche ermöglichen uns einen Zugang über die Lebenswelt unserer Schüler und Schülerinnen und können so wunderbar eine Brücke zu der biblischen Auferstehungserzählung bauen.

Nicht über die Köpfe der Kinder hinweg

Ich möchte meinen Religionsunterricht so gestalten, dass ich nicht über die Köpfe der Kinder hinweg unterrichte und ihnen Themen und Geschichten vermittle, mit denen sie gar nichts in ihrem Leben anfangen können oder einen Anknüpfungspunkt finden. Ich möchte, dass sich meine Relikinder mit ihrer Lebenswirklichkeit in meinem Unterricht wieder finden. Und ich bin dankbar für den Erstklässler, der mir auf einfache Weise wieder daran erinnert hat und mir gezeigt hat wie dies funktionieren kann.

Bei mir wird zukünftig auf alle Fälle der Osterhase in meinen Relistunden vor den Osterferien auftauchen – wenn auch nicht im leeren Grab versteckt.

 

Weitere Ideen und Tipps für den Religionsunterricht findet ihr auf meinem Instagramaccount: frau_religionslehrerin

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