Gewalt gegen Frauen hält auch in Bayern unvermindert an. Im vergangenen Jahr sind im Freistaat erneut Tausende Frauen missbraucht, geschlagen, bedroht oder erniedrigt worden, wie das bayerische Landeskriminalamt (LKA) in München mitteilte.

2019 seien dem LKA rund 46.600 weibliche Opfer gemeldet worden, im Jahr davor waren es rund 47.400. Bei häuslicher Gewalt während der Corona-Krise zeichne sich noch keine ungewöhnliche Entwicklung ab, allerdings könnte die Zahl der angezeigten Taten noch steigen, warnte das LKA.

Tag der Gewalt gegen Frauen

Zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen an diesem Mittwoch (25. November) wollte das LKA "ein Schlaglicht auf das Leid vieler Frauen im Freistaat werfen". Fälle von häuslicher Gewalt seien "keine Privatangelegenheiten, sondern Straftaten, die konsequent verfolgt werden", sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Die Grünen-Fraktion im Landtag verwies auf die gestiegene Bedeutung von digitaler Gewalt gegen Frauen.

Die Frauen erlitten nicht nur körperliche, sondern auch psychische Gewalt, etwa durch Erniedrigung, so das LKA. Viele Taten spielten sich in den eigenen vier Wänden ab: Meistens sei der Lebenspartner oder Ehemann zum Täter geworden.

2019 wurden laut Polizeistatistik rund 3.250 Menschen sexuell missbraucht, davon 2.480 Frauen. Rund 1.010 Frauen wurden vergewaltigt, das bedeutet: Im Schnitt wurden täglich fast drei Frauen in Bayern vergewaltigt. 27.180 Frauen wurden körperlich verletzt, acht Frauen wurden ermordet.

Stalking

"Auffällig oft" seien Frauen Opfer von Stalking (Nachstellung) geworden, hieß es: Rund 1.340 Frauen waren 2019 davon betroffen, gegenüber 270 Männern. Insgesamt wurden acht Fälle von Zwangsheirat bekannt, laut Polizei die "äußerste Form dauerhafter Anwendung von Gewalt".

Gegen rund 13.100 Frauen (und 3.600 Männer) wurde im vergangenen Jahr häusliche Gewalt angewendet, die laut Polizei keine eigene Deliktsform darstellt.

Zahlen für das Jahr 2020 

Im Corona-Jahr 2020 lägen noch keine belastbaren Zahlen vor. Nach derzeitigen Erkenntnissen zeichne sich keine ungewöhnliche Entwicklung ab. "Die Zahlen der angezeigten Taten - also die Hellfeld-Zahlen - könnten aber noch steigen", betonte das LKA: Es sei nicht ungewöhnlich, dass diese Straftaten erst mit längerer zeitlicher Verzögerung bei der Polizei angezeigt würden.

Das LKA verwies auf Erkenntnisse aus einer bundesweiten "Dunkelfeldbefragung" zu häuslicher Gewalt während des ersten Lockdowns im Frühjahr. Dafür hatten die Technische Universität München (TUM) und das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle von Ende April bis Anfang Mai 3.800 Frauen befragt. In Bayern berichteten 2,3 Prozent der befragten Frauen von körperlichen Auseinandersetzungen mit ihrem Partner innerhalb des vergangenen Monats.

In 5,5 Prozent der Haushalte wurden Kinder körperlich bestraft, 3,8 Prozent der Frauen fühlten sich von ihrem Partner bedroht, 2,9 Prozent durften ihr Haus nicht ohne seine Erlaubnis verlassen, und bei 4 Prozent regulierte der Partner die sozialen Kontakte.

Das Dunkelfeld

Vor allem, wenn der Täter unter demselben Dach lebt, trauten sich viele betroffene Frauen nicht, Anzeige zu erstatten, so das LKA. Das "Dunkelfeld" bezeichne Straftaten, von denen die Polizei nie erfahre. Das LKA ermutigte Frauen, sich Hilfe zu suchen: "Denn niemand muss Gewalt vom eigenen Partner erdulden." Es gebe vielfältige Hilfsangebote und spezielle Kriminalbeamtinnen als Beauftragte für Gewaltopfer in den Polizeipräsidien.

Digitale Gewalt

Den Grünen zufolge trifft auch digitale Gewalt Frauen besonders - "von der einfachen Userin über Influencerinnen bis hin zu Politikerinnen", sagte die Grünen-Abgeordnete Eva Lettenbauer. Sie bedauerte, dass es in Bayern noch keine gesonderten Beratungs- und Unterstützungsangebote für Opfer von digitaler Gewalt gebe.

Dabei sei im ersten Corona-Lockdown die Nutzung von "Stalker-Apps" und "Stalkerware" rasant angestiegen, wie Analysen eines Softwareanbieters zeigten. "Stalkerware" ermögliche es, anhand einer Spionage-Software unbemerkt auf Bewegungsdaten, Aufnahmen oder Chats einer anderen Person, also auf ihre Privatsphäre zuzugreifen. Lettenbauer forderte spezifische Beratungsstellen bei der Polizei für Opfer von digitaler Gewalt.

Orange gegen Gewalt

Ein leuchtendes Zeichen gegen Gewalt an Frauen wollen am Mittwoch zahlreiche Einrichtungen und Organisationen setzen. Unter anderem sollen das bayerische Innen- und das Sozialministerium orangefarben angestrahlt werden.

Damit beteiligen sie sich an der Aktion "Orange your City" der vier Münchner Zonta-Clubs. Die Farbe lehnt sich an die Kampagnenfarbe der Organisation "UN Women" der Vereinten Nationen an. Neben den beiden Ministerien beteiligen sich in München an der Aktion unter anderem auch die Allianz Arena, der Gasteig und die evangelische St. Lukaskirche.