Suchet der Stadt Bestes. Ich liebe diesen Satz. Seit vielen Jahren lebe ich berufsbedingt in Städten. Hier kommt die ganze Welt zusammen, Einheimische, Fremde, Touristinnen. Theater, Kino, Konzert. Das ganze bunte Zusammenleben und Zusammenspiel von Menschen. Das ist die Stadt, seit vielen 1.000 Jahren. Ihr Bestes suchen empfiehlt ein Prophet.  Zu einer Zeit der Verwüstung und wir hören diesen Rat in einer Zeit der Verwüstung.

Jeremia schreibt einen Brief an Frauen und Männer aus Jerusalem und Umgebung, die ins Exil verschleppt worden sind. Der machthungrige Nebukadnezar aus Babylon hat seinen Traum von einem Weltreich. Er hat Israel erobert und alles zerstört. Alles geschleift. Und viele von den klugen und fleißigen Leuten mitgenommen.

Jetzt in diesen Tagen ist das wie eine Wiederholung: Unfassbares Leid in Israel. Gräueltaten ohne Maß. Unerträglich. Zum Schreien und Klagen. Soll es denn für Jüdinnen und Juden keinen sicheren Ort geben auf der ganzen Welt? Das darf nicht sein. Unerträglich auch der Antisemitismus auf den Straßen Deutschlands, besonders in diesen Tagen. Unerträglich ist, dass die Menschen in Gaza und im Westjordanland kein normales Leben führen dürfen. Und jetzt um ihr Leben bangen.

Briefe zum Hoffen und Mutmachen

Jeremia schickt Briefe. Zum Hoffen und Mutmachen. Er schreibt an traumatisierte verschleppte Menschen. Sie leben in der Fremde. Sie brauchen Trost. Und Jeremia will sie im Namen Gottes stärken. Sucht das Beste für die Stadt, in der ihr lebt. Baut Häuser. Pflanzt Gärten an. Wenn ich mein kleines Paradies baue, dann kann es auch dein Paradies werden.

Baut gegenseitig an Eurem Glück. Liebt Euch. Gründet Familien. Habt Kinder. Bringt euren Beitrag zum Besten vor Ort – das wird Euch und den anderen helfen.

Er schreibt eben nicht: Zieht euch zurück, sondert euch ab. Kümmert euch nicht um Babylon. Es geht bald nach Hause. Und er sagt auch nicht: Das sind eure Feinde. Jeremia wiegelt nicht auf. Dieser Brief soll gut tun. Er soll eine Perspektive geben. Gott ist bei Euch. Gott ist Euch nah. Dieser Brief landet direkt in unserem Heute, er ist ewig wahr.

In Bayern haben in den letzten Jahren viele Menschen Zuflucht gefunden. Sie mussten sich in der Fremde neu erfinden. Wie komme ich mit den Gewohnheiten der anderen klar? Was kann ich bewahren, was muss ich an mir selbst verändern? Auch die Gesellschaft, die Kommunen waren und sind herausgefordert, das Beste für sie zu tun. Aus Nächstenliebe. Aus Respekt. Es ist unglaublich, was hier geleistet wird. In den Rathäusern, bei Wohlfahrtsorganisationen, in vielen Kirchengemeinden. Von so vielen Leuten.

Miteinander Antworten finden

Was ist das Beste für die Stadt? Antworten darauf findet man nur miteinander. Auch mit zugewanderten, geflüchteten Menschen. Und dafür müssen wir einander gut zuhören. Als Jugendlicher habe ich in der Kirchengemeinde Menschen getroffen, die mir zugehört haben. Mir geholfen haben, mich selbst zu verstehen. In der Kirche hörst du fremde alte Geschichten, Worte, Gebete.

Manches ist auch echt crazy, was in der Bibel steht. Aber es spricht direkt zu Dir und erreicht Dein Herz. Berührt Dich. So lernst du Zuhören und schulst dein Ohr am Fremden.

Christinnen und Christen haben den Auftrag, zwischen Schwachen und Starken zu vermitteln. Den christlichen Glauben, das Judentum, den Islam gibt es nicht ohne kompromissloses Eintreten für die Nächsten. Die Menschengeschwister lieben, respektvoll sein. Wenn wir die helle, kraftvolle friedenstiftende Seite unserer Religionen zusammen leben und lehren, tun wir das Beste für uns selbst und unsere Stadt. 

Wie schwer ist es geworden, sich heute auf Gemeinsames zu einigen. Zu viele Leute wollen zu lange und zu heftig Recht behalten. Und plötzlich ist es gang und gäbe, aus der Distanz heraus andere herabzusetzen, über andere zu hetzen. Der Stadt Bestes suchen, das heißt auch: Auf die Sprache achten. Mit Kompromissen gute Lösungen finden. Weniger Rechthaber, mehr kompromisslose Kompromisssuchende braucht es. Ich will weiter einer sein.

Frieden in der Welt

Das Beste für Stadt und Land gibt es nur, wenn es Frieden gibt. Im Kleinen wie im Großen. Wir hören nicht auf - und läuten die Glocken und beten für den Frieden in der Ukraine und um Verstand und Vernunft für alle Handelnden. Wir hören nicht auf, uns dafür einzusetzen und dafür zu beten, dass es in Israel-Palästina zu einer friedlichen Lösung kommt. Der Traum von zwei Staaten, die in Frieden miteinander leben, geht weiter.

Der Brief aus Jerusalem erinnert die Menschen im Exil an ihre Wurzeln. Sie haben überlebt, weil sie ihren Trost im tiefen Vertrauen auf Gott gefunden haben.

Glauben, vertrauen. Mit Leib und Seele. Body and Soul. Ohne das kann ich nicht mehr sein. Ich brauche da tägliche Praxis. Die 5 Minuten Stille am Morgen und am Abend. Mich bewegen, spüren. Ich brauche das Händefalten. Alles kommt zur Ruhe. Ich höre auf meinen Atem. Stille. Und in die Welt lauschen. Da-sein. Und darum bitten: Christus, komm mir nahe. Body and Soul. In unseren Leitungssitzungen üben wir seit einiger Zeit, in jeder Stunde eine Minute gemeinsam Stille zu halten. Beim Kirchentag in Nürnberg haben wir das auch geübt. Kein Smartphone, keine Ablenkung, nur gemeinsam hören auf uns, auf die Welt. Auf Gott. Und überlegen, ob ich in dieser Sitzung wirklich alles tue für das Beste der Stadt.

Am Abend stelle ich mich bei uns daheim oft auf den Balkon. Noch mal Luft holen. Ich schaue hinauf in den Sternenhimmel und werde still. So groß ist die Welt und ich bin nur einer von so vielen. Ich höre die Geräusche der Nacht. Menschen auf dem Weg nach Hause. Stimmen. Musik. Wind. Und dann schaue ich auf die Straßen meiner Stadt und lasse den Tag los. Gott ist da. In meiner Suche nach dem Besten für die Stadt bin ich nicht allein. Das Beste finden wir gemeinsam.

Amen.

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